Frage an Maria Böhmer von Markus M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Böhmer,
immer wieder taucht in der Integrationsdebatte die hohe Zahl der SchulabbrecherInnen auf. Ich möchte Ihnen hierzu eine wichtige Frage stellen.
Inwieweit wird auch statistisch und durch Umfragen untersucht, mit welchen Vorurteilen und Verallgemeinerungen deutsche Lehrkräfte behaftet sind und dadurch die Diskriminierung und den Schulabbruch mit verantworten?
Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen:
Dies ist ein nicht zu unterschätzendes Problem!
Sowohl als Musikpädagoge, als auch als Ehemann einer Einwanderertochter kann ich erschütternde Fälle benennen.
Meiner Frau und ihren Geschwistern wurden systematisch Steine in den Bildungsweg gelegt.
Mein Schwager verließ die Schule, nachdem ihm ein Lehrer das Gesicht ohne erkennbaren Anlass mit einem Buch blutig geschlagen hatte.
Meine Frau verlor 2 Jahre, weil sie zunächst auf der Vorschule und später vor der Fachabitur-Laufbahn in einem unsinnigen Hauswirtschaftsjahr "geparkt" wurde. Dabei konnte sie mit 5 Jahren bereits deutsch lesen und schreiben und kam mit einem hervorragenden Realschulzeugnis zur Schule für die Fachabiturausbildung.
Dies mag einige Zeit her sein, jedoch musste ich bei unserer Nichte und unserem Neffen jüngst wieder Fälle von Diskriminierung durch Lehrkräfte feststellen. In Gesprächen mit den betreffenden Lehrerinnen und Lehrern offenbarten diese peinliche Klischees und Pauschalisierungen.
Dabei trägt niemand in der Familie ein Kopftuch, und als Aleviten sind alle ohnehin fortschrittlicher und integrationswilliger, als mancher konservative Christ.
Als Pädagoge erlebe ich ähnliches im Kollegium.
Über eine Beantwortung dieser Frage würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Mattern
Sehr geehrter Herr Mattern,
ich erhalte immer wieder Zuschriften, in denen auf mögliche Diskriminierungen von Menschen mit Migrationshintergrund hingewiesen wird und die deutlich machen, dass eine gleichberechtigte Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Benachteiligungen, die in direktem Zusammenhang mit dem Migrationshintergrund stehen, wurden kürzlich auch in einer Studie des Bundesinstitut für Berufsbildung ( http://www.bibb.de ) bestätigt, die die Ausbildungschancen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund untersuchte.
Doch ich gebe zu bedenken, dass gerade in den Schulen in den vergangenen Jahren ein Veränderungsprozess stattgefunden. Heute stammt jedes dritte Kind unter sechs Jahren in Deutschland aus einer Zuwandererfamilie. In Schulen wird Integration jeden Tag gelebt. Das zeigen Beispiele in vielen Städten und Gemeinden. Ich habe selbst zahlreiche Schulen besucht, an denen Toleranz und Respekt gegenüber den Mitschülern, egal welcher ethnischen Herkunft, gelernt und gelebt wird. Der Wert kultureller Vielfalt wird erkannt und vermittelt.
Immer mehr Schulen nehmen auch gezielt an Projekten gegen Diskriminierung teil. Ein Beispiel hierfür ist das Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage", an dem mittlerweile rund 500.000 Schülerinnen und Schüler mitwirken.
Diese Initiativen gilt es weiter zu fördern. Hierfür setze ich mich ein.
Darüber hinaus ist es notwendig, mehr Lehrerinnen und Lehrer aus Zuwandererfamilien in den Schuldienst einzustellen. Sie können Brückenbauer der Integration sein und einen Beitrag zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund leisten.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Böhmer