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Frage von Helmut R. •

Frage an Lothar Schwarz von Helmut R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schwarz,
haben Sie bzw. die WASG angesichts der Verschuldung Berlins schon einmal über unser Geldsytem nachgedacht?
Fast überall fehlt es an Geld. Warum nur?
Wie entsteht Geld eigentlich?
Warum ist so wenig davon an den Stellen, an denen es so dringend gebraucht wird?
Wie soll gesamtwirtschaftliche Entschuldung denn funktionieren?
Woher soll das eigentlich kommen Geld kommen, was an Zinsen zu bezahlen ist?
haben Sie schon mal "Das Geldsyndrom" von Helmut Creutz gelesen oder auf die Iternetseite von www.Egon-W-Kreutzer.de geschaut?
Über eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Rehnolt

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Antwort von
WASG

Sehr geehrter Herr Rehnolt,

verzeihen Sie die Verzögerung, aber Ihre interessante Frage verdient eine ausführlichere Antwort, als ich sie in den letzten Stunden des Wahlkampfes geben konnte. Ich kann im weiteren jedoch nur für mich, nicht für die WASG sprechen.

Zunächst: das genannte Buch von Helmut Creutz kenne ich bisher nicht und die Internetseite www.Egon-W-Kreutzer.de habe ich aus Zeitmangel jetzt nur kurz besucht.

Ich merke an, dass Ökonomie nicht mein Spezialgebiet ist - daher sind zur Geldfrage Irrtümer oder Unklarheiten im Detail zu erwarten. Zudem sind meine Kenntnisse recht begrenzt. Da jedoch nicht wenige sogenannte Finanzfachleute (Nobelpreisträger inbegriffen) zwar technische Details kennen, elementaren Fragen aber ausweichen, kann das vielleicht toleriert werden.

Um auf Ihre Fragen eingehen zu können, muss zunächst geklärt werden, was das ist: Geld.

Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Geld (17.9.2006, 9.29 Uhr) wird diese Frage vermieden - nur allgemeine Aussagen wie "Tauschmittel", "allgemein anerkannt", "Wirtschaftsgut" sind zu finden.
In meinem Brockhaus, Bd 8, 20.Auflage von 1997 werden nach anderem Stuss ("sakraler Ursprung") eine Reihe von Theorien unbewertet nebeneinandergestellt. Das ist so, als stelle man alchimistische Theorien, die Phlogiston-Theorie und moderne chemische Theorien gleichberechtigt nebeneinander. Es ist kein Zufall, dass wissenschaftliche Theorien und Pseudowissenschaft hier nicht getrennt werden. Ebensowenig steht die Entscheidung noch aus, welche Theorien im Kern wahr sind und welche nicht. Vielmehr ist das wissenschaftliche Ergebnis nicht im Interesse der herrschenden Ideologie, d.h. der Ideologie der Herrschenden. Führt es doch von Adam Smith und David Ricardo zu Karl Marx. Und zu dessen Schlussfolgerungen.

Was also ist Geld? Sprechen wir zunächst nur von Geld im eigentlichen Sinn (Geld i.e.S.), erst später über die abgeleiteten Formen Papiergeld und Buchgeld. Dieses bis vor zwei Jahrhunderten vorherrschende Geld hatte die Form (meist nur) einer Ware - in der späteren Zeit meist Gold. Der Wert dieser Ware bestimmt sich wie der Wert jeder Ware: aus der im gesellschaftlichen Durchschnitt zu ihrer Produktion notwendigen Arbeitszeit. Und zu diesem Wert wurde sie getauscht, ein Tausch, der hier die Form Kauf/Verkauf annimmt. Der einzige Unterschied der Geldware zu anderen Waren war, dass sie durch gesellschaftliche Konvention (in späterer Zeit meist auch durch staatliches Gesetz) als Geldware anerkannt war. Ein spätes Beispiel für dieses Geld i.e.S. ist die Zigarettenwährung auf den Schwarzmärkten der Nachkriegszeit.

Ein großer Vorteil dieses Geldes i.e.S. ist, dass sein Wert zwar nicht gänzlich stabil ist, wohl aber unabhängig von Änderungen der Konvention. Wenn Edmond Dantes seinen Schatz findet, braucht es ihn nicht zu stören, dass die Münzen längst außer Gebrauch sind - Gold ist Gold, ist Ware, hat Wert. Wenn ich eine 1-Billion-Note der Inflationszeit finde, werde ich dennoch nicht der Reichste auf Erden: Papiergeld ist keine Ware, hat keinen nennenswerten eigenen Wert, sie ist nur ein Anrechtsschein auf Waren. Ursprünglich war es ein Schein, der verbindlich in eine feste Geldware getauscht werden konnte, wie es auf englischen Banknoten wohl noch steht: "I promise to pay the bearer on demand the sum of xxx pounds". Versprechen aber können gebrochen werden und dieses wird heute vermutlich nirgends mehr wirklich gemacht.

Papiergeld also ist ein Anrechtsschein auf früher eine gewisse Menge der Geldware, heute eine gewisse Menge beliebiger Waren. Wie groß diese Menge ist, kann sich ändern - manchmal schnell, fast immer sinkt sie.

Buchgeld schließlich (Geld auf jederzeit verfügbaren Konten, heute fast immer nur elektronisch gespeichert), ist nur ein Anrechtsschein auf Papiergeld. Eine noch unsichere Sache als Papiergeld also. Wir sehen es, wenn die USA wieder jemandem die Konten sperren. Wenn die Darmstädter Volksbank ein Spendenkonto zur Verteidigung von Milosevic sperrt. Wenn Banken fallieren, die nicht einem ausreichenden Einlagensicherungsfonds angehören. Und dies alles bereits in relativ ruhiger Situation.

Und nun endlich zu Ihren konkreten Fragen:

Sie fragen: "Fast überall fehlt es an Geld. Warum nur?" Nun, es fehlt u.a. fast überall, weil es nicht überall fehlt: in gewissen Taschen ist zu viel davon. Diesen wäre es zu entnehmen, den Bedürfnissen der einfachen Bürger verfügbar zu machen. Dennoch würde das für die Befriedigung ihrer berechtigten Interessen nicht ausreichen.. Das wirkliche Problem ist nicht der Mangel an Geld, sondern der an den wirklich benötigten Waren und Dienstleistungen. Wie aber könnte dieser Mangel beseitigt werden, wenn große Teile der Bevölkerung vom Arbeitsprozeß ausgeschlossen werden, wenn gesellschaftlich sinnlose Konkurrenz unsinnige Mehrfacharbeit bewirkt? Ein Beispiel aus meinem früheren Arbeitsgebiet: eine Reihe von Firmen arbeitet unter strikter gegenseitiger Geheimhaltung an der maschinellen Übersetzung natürlicher Sprachen. Meist mit ähnlichen Methoden. Mit viel weniger Aufwand ließen sich viel schneller wesentlich bessere Ergebnisse erzielen, arbeiteten nur vielleicht drei oder vier Gruppen an verschiedenen Verfahren, unter völliger gegenseitiger Offenheit? Oder ein Beispiel aus meinem Wahlkreis: Um die Piazza in Karow findet man drei Discounter, dann kilometerweit keine mehr. Kapitalistische Konkurrenz produziert gesellschaftlich sinnlose Situationen wie diese zu hauf, schädliche Produkte (Rüstung, Werbung etc.) im Übermaß. Das Problem ist letztlich nur in einer Planwirtschaft zu lösen. (Nur nebenbei: in der DDR gab es nur Ansätze dazu, zudem durch mangelnde Demokratie konterkariert. Sogar dumme Konkurrenz zu anderen Ländern des eben nicht sonderlich sozialistischen Systems.)

"Wie entsteht Geld eigentlich?" ist Ihre nächste Frage. Nun, Geld i.e.S. entsteht wie jede Ware, indem es produziert wird. Papier- und Buchgeld werden heute von einer Zentralbank emittiert, die dabei auf Deckung durch reale Werte achten muss, wenn Inflation vermieden werden soll. Über die Details weiß ich hier leider wenig Bescheid - vielen Dank für Ihren Hinweis auf diese meine Wissenslücke.

"Wie soll gesamtwirtschaftliche Entschuldung denn funktionieren?" fragen Sie weiter. Nun, wo ein Schuldner ist, dort auch ein Gläubiger. Wenn die Schulden auf Berechtigung überprüft würden, blieben dann viele übrig? Die kapitalistische Lösung verläuft jedoch entgegengesetzt: die Schulden bleiben bestehen, da sie als Mittel zur Auspressung der einfachen Leute dienen - Entschuldung ist gar nicht erwünscht.

Schließlich fragen Sie, woher der Zins kommen soll. Er kommt aus der wachsenden Arbeitsproduktivität. Nehmen wir an, im Jahre 1600 werde ein Betrag von 10 Talern, d.h. 259,84 g Silber, Äquivalent für sagen wir 300 Stunden gesellschaftlich durchschnittlich notwendiger Arbeitszeit, verliehen. Im Jahre 1610 werden in 300 Stunden Arbeitszeit vielleicht durchschnittlich 5% mehr Silber produziert - als vernünftige Rückzahlungsforderung ergeben sich 10 1/2 Taler. Heute ist das weniger durchsichtig, aber nicht wirklich anders. (Dass reale Zinsen weit höher waren, auch heute vom einfachen Kreditnehmer zu hohe verlangt werden, steht auf einem anderen Blatt.)

Ich hoffe, Ihnen, werter Herr Rehnolt, meine Position hinreichend klar gemacht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Lothar Schwarz