Katrin Schaar
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christa H. •

Frage an Katrin Schaar von Christa H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Halten Sie eine Verbesserung der Unterrichtssituation an Schulen - besonders an Gesamt- und Gemeinschaftsschulen - für notwendig, und welche Priorität hätte für Sie eine solche Verbesserung z.B. im Vergleich zu einer Verbesserung des Einkommens von Familien mit Kindern?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hartwig!

Ihre Frage: Halten Sie eine Verbesserung der Unterrichtssituation an Schulen - besonders an Gesamt- und Gemeinschaftsschulen - für notwendig, und welche Priorität hätte für Sie eine solche Verbesserung z.B. im Vergleich zu einer Verbesserung des Einkommens von Familien mit Kindern?

Natürlich muss die Unterrichtssituation an den Schulen noch stark verbessert werden. Heute verlässt fast jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne einen. Das muss sich ändern. Zu einer besseren Unterrichtssituation gehört zunächst auch - das ist fast selbstverständlich - , dass ausreichend Gelder zur Verfügung gestellt werden, damit die Schulgebäude und Unterrichtsgebäude saniert und veraltetes Mobiliar ausgetauscht werden können. Auch das äußere Erscheinungsbild einer Schule zeigt den Kindern, dass sie und ihr Lernen uns als Gesellschaft etwas wert sind. Wir Grünen werden an der Bildung nicht sparen und Gelder, die durch den Schülerrückgang der nächsten Jahre frei werden, weiter in die Bildung investieren. Wenn nötig müssen, so meine ich, aber auch zusätzliche Mittel bereitgestellt werden.

Sie sprachen vor allem die Situation der neuen Sekundar- und Gemeinschaftsschulen an. Dazu muss ich etwas weiter ausholen.

Im letzten Jahr sind die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zu Sekundarschulen zusammengelegt worden, in denen die Kinder alle Abschlüsse machen können. Daneben gibt es als zweiten Pfeiler weiterhin die Gymnasien. Diese Schulreform finde ich an sich gut, ich denke jedoch, dass sie sehr schnell umgesetzt wurde ohne dass schon alle Voraussetzungen hinreichend erfüllt waren. Es gab unfertige Mensen genauso wie unfertige Konzepte, wie denn die Kinder richtig gefördert werden können. Und auch die Lehrerenden und Eltern hätten stärker in den Veränderungsprozess einbezogen werden müssen.

Von den Klassenfrequenzen her sind die Sekundarschulen bereits besser ausgestattet als die Gymnasien. In den Sekundarschulen lernen 25 Schüler und Schülerinnen in einer Klasse, in den Gymnasien sind es von der Zielgröße her 29. In etlichen Gymnasien wird dieser Wert allerdings weit überschritten. So sind beispielsweise in diesem Wahlkreis in einem Lankwitzer Gymnasium im letzten Schuljahr siebente Klassen mit Frequenzen zwischen 33 und 38 (!) Kindern eingerichtet worden. Insofern sind manche Rahmenbedingungen an den Sekundarschulen schon besser als in den Gymnasien und auch besser im Vergleich zu den ehemaligen Gesamtschulen und Realschulen, für die Klassenfrequenzen von 29 Kindern vorgesehen waren. Sie sind allerdings schlechter im Vergleich zu den aufgelösten Hauptschulen ausgestattet, in denen Kinder in Klassen mit 20 und weniger Mitschülerinen und Mitschülern lernten. Ob also die Unterrichtssituation an den Sekundarschulen hinsichtlich der Menge der Schüler, die gemeinsam in einer Klasse lernen, verbessert werden muss, ist abhängig von der Schülerzusammensetzung. Handelt es sich um ehemalige Hauptschulen, denen es nicht gelungen ist, auch leistungsstärkere Schüler zu werben, müssten die Frequenzen sicherlich noch niedriger ausfallen. Denn dann brauchen die Kinder mehr Unterstützung. Handelt es sich um Sekundarschulen, die, auch das ist möglich, überwiegend von Schülern mit Gymnasialempfehlung besucht werden, halte ich es nicht für notwendig, noch kleinere Klassen zu fordern. Ich würde mich allerdings auch an Gymnasien für kleinere Klassen einsetzen, denn auch hier sind die Voraussetzungen der Schüler zunehmend unterschiedlich. Klassenfrequenzen, in denen weit über 30 Kinder in einer Klasse sitzen, sind für die Schüler und Lehrer eine Zumutung.

Überhaupt: Wenn Kinder auf unterschiedlichem Niveau gemeinsam lernen sollen, ist eines ganz wichtig: Sie müssen individuell gefördert werden. Doch gerade hier liegt der Haken. Die Berliner Schulinspektionsberichte zeigen, dass an den Berliner Schulen besonders große Defizite hinsichtlich eines nach Leistungen differenzierten Unterrichts bestehen.

Insofern müsste es in diesem Bereich viel mehr Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer geben, damit sie den von Ihnen geforderten individuellen Unterricht auch praktizieren können. Auch in der Lehrerausbildung müsste hier ein Schwerpunkt gelegt werden. Und die Rahmenbedingungen für einen individuell angepassten anspruchsvollen Unterricht müssen stimmen: Das sind sowohl die Klassengrößen, die Lehrerausstattung, aber auch die Hilfe und Unterstützung durch SozialarbeiteterInnen.

Nun zum letzten Teil Ihrer Frage: Sollte eher in einen verbesserten Unterricht in den Schulen investiert werden oder sollten einkommensschwache Familien mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen.

Eindeutig spreche ich mich, was die Schulpolitik betrifft, dafür aus, dass es besser ist, die Qualität von Schule zu verbessern und nicht einzelne individuelle Leistungen auszuzahlen, bei denen ungewiss ist, ob sie tatsächlich den Kindern zu Gute kommen. Doch sind auch diese Leistungen wichtig. Familien müssen finanziell so unterstützt werden, dass es keinen Nachteil darstellt, Kinder zu haben. Sofern es finanzielle Spielräume gibt, sollten außerdem auch die Lehr- und Lernmittel wieder kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Denn die Bildung unserer Kinder ist Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und kommt ganz Berlin zu Gute.

Herzliche Grüße

Ihre

Katrin Schaar