Frage an Katrin Göring-Eckardt von Ines E. bezüglich Kultur
Guten Tag
Sie sind kulturpolitische Sprecherin der Grünen Partei. Künstler haben im Fall von Nutzungen im öffentlichen (nicht kommerziellen) Bereich, gesetzlich verankert, kein Anrecht auf ein Nutzungsentgeld , die Verwertungsgesellschaften zahlten für hunderte Nutzungen, die ein Künstler im Netz selbst recherchieren und nachweisen musste, ein Vergütungsentgeld 259 Euro/Jahr.
Künstler müssen in Hartz4Verhältnissen, nicht nur in Armut (in Bedarfsgemeinschaften 533 Euro für Essen. Miete, Strom…) sondern auch weitgehend ohne Bürgerrechte wie Datenschutz, Ortsabwesenheit... und in beständiger Angst vor Schikanen leben, auch wenn sie als „verdienstvolle deutsche Künstler“ (Zitat Bundespräsidialamt) respektiert arbeiten. Das Recht auf ein schikanefreies, existenzsicherndes Grundeinkommen/Grundgehalt wäre im Kunstbereich kein Almosen, sondern eine PAUSCHALVERGÜTUNG VON UNBEZAHLTEN NUTZUNGEN VON ARBEITSLEISTUNGEN.
Panorama beschrieb Schicksale in Hartz4Verhältnissen: http://daserste.ndr.de
Andere sind im Drehbuch "Bürgergeld statt Bürgerkrieg" " http://www.anwaelte-gegen-hartz4.de/aufstand_der_erwerbslosen.pdf dokumentiert...
Dieter Althaus/Ministerpräsident Thüringen ließ ausrechnen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger durch Bürokratieabbau finanzierbar ist. Das Geld würde als Einnahme beim Finanzamt verrechnet. Gegenargument der SPD: Angestellte im Öffentlichen Dienst dürfen gesetzlich nicht entlassen werden - Wo sollen wir mit ihnen hin? Millionen Bürger müssen in Hartz4Verhältnissen leben, weil andere mit dem vom Steuerzahler finanzierten Privileg leben, nicht entlassen werden zu dürfen.
Was unternehmen Sie, damit Situationen u.a. für Künstler in Deutschland fairer werden?
Freundliche Grüße Ines Eck
Sehr geehrte Frau Eck,
ich stimme Ihnen zu: Künstlerinnen und Künstler werden gelobt und hofiert, mit Stipendien bedacht und mit Preisen geehrt. Dennoch steht das soziale Kapital und Prestige von Künstlern und Kulturschaffenden oft in krassem Gegensatz zu ihren prekären wirtschaftlichen Verhältnissen.
Diese prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse bedrohen die Unabhängigkeit der Kunst. Deshalb setze ich mich für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen dafür ein, die soziale und wirtschaftliche Lage der Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Zum Beispiel durch ein faires Urheberrecht und angemessene Vergütungen, ebenso wie durch eine ausreichende soziale Absicherung und eine funktionierende Künstlersozialkasse (KSK).
Seit ihrer Gründung vor 25 Jahren hat sich die KSK weitgehend bewährt. In Zukunft müssen wir sie jedoch noch besser an die neuen Produktionsbedingungen der Medien- und Kulturbranche anpassen, wo immer mehr Aufgaben von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigt werden.
Mit ihrem ständigen Wechsel zwischen befristeten Projektstellen und kreativer Arbeit in der Selbständigkeit bilden Künstlerinnen und Kulturschaffende die Avantgarde flexibler Arbeitsmodelle. Gleichzeitig hat es die Politik lange Zeit versäumt, die sozialen Sicherungssysteme der veränderten Arbeitsrealität anzupassen. Zwar hat sich - bezogen auf alle Beschäftigten - der Anteil der befristet Beschäftigten von 1995 bis 2005 von 7,8 % auf 14,6 % nahezu verdoppelt. Doch immer noch wird dieser Trend von der Arbeitslosenversicherung nicht angemessen berücksichtigt.
Wer derzeit innerhalb von 2 Jahren weniger als 12 Monate in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Mit unserem Antrag im Bundestag "Neue Sicherheit für flexible Arbeitsverhältnisse" wollen wir das ändern. Auch wer nur für kurze Zeit in die Versicherung einzahlt, soll demnach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben. Im Gegenzug wollen wir die Bezugszeiten für das Arbeitslosengeld flexibilisieren.
Auch die Vermittlung durch die Arbeitsagenturen muss an die Bedürfnisse der Künstlerinnen und Künstler angepasst werden. Wer als Kreativer projektorientiert arbeitet, braucht auch Zeit, um neue Jobs einzuwerben und vorzubereiten. Statt die Kulturschaffenden in das enge Korsett der üblichen Vermittlungspraxis zu zwängen, könnte eine befristete Vermittlungspause den notwendigen zeitlichen Freiraum schaffen.
In anderen Fällen sind Künstlerinnen und Künstler allerdings auf eine Vermittlung dringend angewiesen - die Künstlerdienste bei der Bundesagentur für Arbeit leisten hier einen wichtigen Beitrag: Über 50 % der Engagements der betreuten Kunden werden über die Künstlerdienste vermittelt. Deshalb haben wir von Bündnis 90/Die Grünen mit verschiedenen Initiativen im Parlament gegen die Schließungspläne der Bundesregierung und für den Erhalt aller Künstlerdienste bei der Bundesagentur für Arbeit gekämpft. Denn dort sitzen Fachleute, die den Arbeitsalltag und das Berufsfeld der Kulturschaffenden gut kennen. Unser Antrag "Vermittlung in die Selbständigkeit" hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Koalitionsfraktionen haben diesen Antrag weitgehend aufgegriffen und damit die besonderen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Künstler und Künstlerinnen anerkannt. Konkret bedeutet dies, dass Künstlerdienste arbeitssuchende Kreative auf unser Drängen hin auch auf Betätigungsmöglichkeiten als Selbständige hinweisen dürfen - einen Vermittlungsanspruch gibt es jedoch leider noch nicht.
Auch versicherungsrechtlich sitzen Kulturschaffende manchmal zwischen den Stühlen. So gelten beispielsweise kurzeitig beschäftigte Synchronschauspielerinnen und -schauspieler meist nicht als abhängig Beschäftigte - und werden gleichzeitig von der Künstlersozialkasse oft nicht als Mitglieder akzeptiert. All diese Missstände wollen wir beseitigen - damit Künstlerinnen und Künstler in Zukunft nicht mehr über Geld und soziale Sicherheit reden müssen. Sondern sich mit dem beschäftigen können, was sie eigentlich wollen: Kunst und Kultur.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Göring-Eckardt