Frage an Katrin Göring-Eckardt von Stefan E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Die Verknüpfung von Menschen- und Völkerrechten mit Wirtschaftsbeziehungen wurde bislang als unerfüllbar abgelehnt.
Halten Sie an diesem Grundsatz fest, oder können sie sich unter bestimmten Umständen - etwa bei besonders gravierenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen - vorstellen, von dem Grundsatz abzuweichen?
Sehr geehrter Herr Eichhorn,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihre Frage bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen einer weitgehend globalisierten Wirtschaft und demgegenüber relativ schwachen Instrumenten zur Durchsetzung von Menschenrechten. Dabei geht es nach meinem Verständnis sowohl um politische Rechte wie auch ökonomische Rahmenbedingungen und soziale Standards.
Zunächst eine Vorbemerkung: Wir Grünen haben in der Regierungskoalition der vergangenen Jahren maßgeblich bewirkt, dass Menschenrechtspolitik aufgewertet wurde und aus ihrer Nische herausgekommen ist. Sowohl im Parlament wie auch im Auswärtigen Amt wurde der Themenbereich deutlich aufgewertet sowie das Deutsche Institut für Menschenrechte errichtet. Menschenrechtsfragen wurden dadurch zur Querschnittsaufgabe, die in ganz unterschiedlichen Politikfeldern "beackert" werden. So haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass z.B. auch in der Außenwirtschaftspolitik verstärkt über Menschenrechte gesprochen wird. Dies geschieht z.B. bei der Vergabe von Exportbürgschaften.
Nun zu Ihrer konkreten Frage: Ich würde gar nicht so pessimistisch sein, zu sagen, dass die Verknüpfung von Menschenrechten mit Wirtschaftsbeziehungen bisher völlig abgelehnt wird. Es ist nur so, dass bislang in erster Linie Staaten an die Einhaltung von völkerrechtlichen Standards gebunden sind. Eine solche Verbindlichkeit gibt es für den privaten Sektor bisher nicht, obwohl gerade Unternehmen im Zuge der Globalisierung besondere Verantwortung tragen. Viele Unternehmen sind bereits mit freiwilligen Verhaltenskodizes vorangegangen. Wir unterstützen diese Ansätze, plädieren aber für mehr unabhängige Wirksamkeitskontrollen, um die Glaubwürdigkeit solcher Selbstverpflichtungen zu stärken. Grundsätzlich wird es aber ohne weltweit verbindliche Regelungen auf längere Sicht nicht gehen, da die globalen Herausforderungen zu groß sind. Wir Grünen unterstützen diesen Entwicklungsprozess, und wir sind davon überzeugt, dass verbindliche Regelungen nicht in Konkurrenz, sondern in notwendiger Ergänzung zu freiwilligen Initiativen stehen.
Es gibt bisher eine ganze Reihe solcher Initiativen:
* VN-Generalsekretär Kofi Annan initiierte 1999 den "Global Compact", einen Bund zwischen den VN und verantwortungsbewussten Unternehmen, der im wesentlichen auf Instrumenten der freiwilligen Selbstverpflichtung basiert. In dieselbe Richtung gehen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sowie die Erklärung der Internationalen Arbeitsorgansiation (ILO).
* Auf nationaler Ebene hat sich die Bundesregierung in einer Gemeinsame Erklärung mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen aus dem Jahr 2002 verpflichtet, die Umsetzung von Verhaltenskodizes für transnational tätige Unternehmen zu fördern. Beim VN-Gipfel in Johannesburg hat sie sich darüber hinaus verpflichtet, die Einhaltung von Grundsätzen verantwortlicher Unternehmenspraktiken durch Umsetzung zwischenstaatlicher Abkommen zu unterstützen.
* In der Entwicklungspolitik wurden neuartige Allianzen zwischen Unternehmen und ganzen Wirtschaftsbranchen aus dem Norden sowie Produzenten und Zivilgesellschaft in den Ländern des Südens auf den Weg gebracht. Ziel ist es die Struktur des gesamten Sektors zu verändern. Hierfür steht die partnerschaftliche Erarbeitung eines globalen Verhaltenskodex für die Kaffeewirtschaft und die schrittweise Durchsetzung sozialer und ökologischer Mindeststandards für Zulieferer der deutschen Textilindustrie aus aller Welt, um die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in Entwicklungsländern umfassend zu verbessern. Wenn sich diese Ansätze bewähren, könnten sie Modellcharakter auch für andere Branchen haben.
Letztlich wird die Aushandlung freiwilliger Vereinbarungen und Kodizes allerdings kein Ersatz für die Durchsetzung verbindlicher Regeln sein, um die soziale Dimension der Globalisierung zu stärken. So sollen neue UN-Normen für transnationale Unternehmen, über die in der UN-Menschenrechtskommission debattiert wird, zu einem wichtigen Baustein für einen Ordnungsrahmen der globalisierten Weltwirtschaft werden. Im Kern stellen die Normen auf eine Stärkung der Verantwortung von Unternehmen ab, ergänzt durch Regelungen über die Rechte von Arbeitnehmern, Verpflichtungen zum Verbraucher- und Umweltschutz sowie Kontroll- und Entschädigungsverfahren.
Angesichts der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft setzen wir Grünen auf verbindliche multilaterale Ansätze. Nationale Lösungen greifen zu kurz. Wir Grünen stehen daher für eine Politik, die die Chancen der Globalisierung nutzt aber gleichzeitig "Leitplanken" einzieht. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Orientierung an den universellen Menschenrechten sowie an unserer ökologischen Verantwortung, um die Erde in ihrer Vielfalt und Schönheit für nachfolgende Generationen zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Katrin Göring-Eckardt