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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von Thomas M. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Thomas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,

In Ihrer Antwort an Herrn Lein zum Thema Beschneidung argumentieren Sie, dass sich die UN Kinderrechtskonvention nicht gegen die männliche Beschneidung richtet. Nun steht in der Konvention aber nicht „Mädchen“, sondern „Kinder“ und damit sind auch Jungen gemeint. Außerdem hat es seit der erstmaligen Formulierung der Kinderrechtskonvention einen weiteren Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Gefahren und Auswirkungen der männlichen Beschneidung gegeben, die ja auch letztendlich zum Kölner Urteil geführt haben.
Könnten Sie mir also bitte erklären, warum Sie davon ausgehen, dass die Konvention in einer moderneren Auslegung nicht auch für die männliche Beschneidung gelten sollte?
Wissenschaftliche Studien, aber auch Berichte von Betroffenen belegen, dass die Bescheidung einen nicht unerheblichen Einfluss auf das sexuelle Empfinden hat:
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/beschneidung-und-sexualitaet/die-sorrells-studie.html
http://www.taz.de/Beschneidung-mit-18/!101655/
Es geht bei der Beschneidung also um das Intimste überhaupt. Könnten Sie mir daher bitte erklären, warum dieses intimste Empfinden bei einem Jungen weniger schützenswert seien sollte, als bei einem Mädchen? Und im Weiteren, Ist hier nicht sogar die Würde des Menschen betroffen, die absolut geschützt ist.

Und zum Schluss möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass sich inzwischen alle pädiatrischen Verbände in Deutschland und Europa gegen eine medizinisch nicht nötige Beschneidung ausgesprochen haben ( http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/beschneidung/article/826118/beschneidung-paediater-geschlossen-dagegen.html ).
Ist würde gerne von Ihnen wissen, was das für ein Gefühl für Sie als medizinischer Laie ist, sich gegen den geballten Rat der Europäischen Kinderärzte zu stellen und wie können Sie das überhaupt mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Was, wenn Sie sich irren?

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für ihr Schreiben zum Thema religiöse Beschneidung.

Die UN-Kinderrechtskonvention fordert in Artikel 24, Absatz 3 zu Recht, dass „überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind“ abgeschafft werden sollen. Ob das Entfernen der männlichen Vorhaut aber aber ein Gesundheitsrisiko für Jungen und Männer darstellt beurteilen verschiedene Studien unterschiedlich. Nicht alle Kinderärzte und –ärztinnen sind gleicher Auffassung. Nach Einschätzung der American Academy of Pediatrics (AAP) von August diesen Jahres überwiegen die gesundheitlichen Vorteile die Risiken einer Beschneidung. Den Bericht und die Stellungnahme finden Sie unter: pediatrics.aappublications.org/content/130/3/585. Desweiteren ergaben Studien der WHO, dass beschnitte Männer bei ungeschützem Geschlechtsverkehr eine geringere Wahrscheinlichkeit aufzeigen sich mit HIV zu infizieren (detaillierte Informationen unter http://whqlibdoc.who.int/hq/2012/WHO_HIV_2012.7_eng.pdf , Stand Juli 2012). Darüber hinaus hat eine australische Studie ergeben, dass Beschneidungen zur Verringerung von Harnwegsinfektionen und Entzündungen der Vorhaut sowie von Phimosen beitragen (siehe dazu: http://www.urologenportal.de/beschneidung.html , Stand Juli 2012).

Häufig werden als Argument gegen die Beschneidung mögliche negative psychische Folgen angegeben. Zweifellos gibt es Fälle, bei denen die Beschneidung zu Traumatisierung geführt hat und jeder einzelne ist tragisch. Auf der anderes Seite stehen die Berichte, wie stolz und froh junge Männer sind, sichtbar zu ihrer Religionsgemeinschaft dazu zu gehören. Es gibt bis heute keine statistisch verwertbares Material zu der Frage, wie häufig Traumatisierungen von Jungen oder Männern als Folge von Beschneidungen auftreten.

Am 26. November 2012 fand die öffentliche Anhörung des Deutschen Bundestages im Rechtsausschuss zum Thema Beschneidung statt. Dabei kamen selbstverständliche auch Sachverständige aus dem Bereich der Medizin zu Wort. Sie können sich also sicher sein, dass sich die Abgeordneten mit allen Facetten der Beschneidung beschäftigen und am Ende eine gut überlegte Entscheidung treffen. Bei dieser Entscheidung muss nicht nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sondern auch das Erziehungsrecht der Eltern und das Recht auf Religionsfreiheit in Betracht gezogen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Büro Katrin Göring-Eckardt

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