Frage an Katrin Göring-Eckardt von Linda A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
ich habe Sie neulich bei Anne Will gesehen und bin empört. Wie kommen Sie dazu, Menschen, die Sie gewählt haben, als Rassisten zu verunglimpfen, weil sie Bedenken wegen integrationsunwilliger Zuwanderer haben? Ich neige dazu, das als Volksverhetzung zu betrachten.
Eine weitere Frage:
Wie stehen Sie (Ihre Partei) zu dem reaktionären Frauenbild, das der politische Islam (den Sie ja für friedlich halten) befürwortet und massiv durchsetzt? Sollte man damit nicht gerade in Ihrer Partei Probleme haben?
Mit freundlichen Grüßen,
Linda Amon
Sehr geehrte Frau Amon,
vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst einmal liegt es Frau Göring-Eckardt sehr am Herzen, dass Sie wissen, dass sie mit ihrem Satz zum Rassismus in der Mitte der Gesellschaft niemanden persönlich als Rassisten diffamieren wollte. Dennoch hält sie an ihrer grundsätzlichen Meinung fest, dass es Rassismus bei weitem nicht nur an den extremen Rändern der Gesellschaft gibt. Tatsache ist, dass eine Studie von Oliver Decker und Elmar Brähler aus dem Jahr 2006 aufgezeigt hat, dass 34,9 Prozent der Befragten der Ansicht waren, man solle Ausländer in ihre Heimat zurückschicken, sofern die Arbeitsplätze knapp werden. Darüber hinaus führte diese Studie auf, dass 39,1 Prozent der Meinung sind, „dass Deutschland durch die vielen Ausländer in gefährlichem Maße überfremdet ist.“
Frau Göring-Eckardts Anliegen war es in erster Linie, auf Probleme aufmerksam zu machen. Das Thema Integration sorgt für Spannungen in der Gesellschaft, mit deren Gründen wir uns grundsätzlich auseinandersetzen müssen. Damit Integration gelingen kann, ist es aber notwendig, dass wir Integration als einen wechselseitigen Prozess betrachten.
Dafür müssen wir lernen, nicht nebeneinanderher, sondern miteinander zu leben. Dies ist Aufgabe der gesamten Bevölkerung. Misstrauen und Angst der Nichtmuslime und auch die Isolation und Vorsicht der Muslime müssen abgebaut werden.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Katrin Göring-Eckardt
Sehr geehrte Frau Amon,
Deutschland ist ein Einwanderungsland und damit wir die Integration besser voranbringen, setzen sich Bündnis 90/ Die Grünen und Frau Göring-Eckardt für eine effektive Sprachförderung und die Herstellung echter Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt ein.
Integration ist mit Anstrengungen für Deutsche und Nichtdeutsche verbunden. Auf beiden Seiten ist die Bereitschaft zur Verständigung und zur Veränderung notwendig. Migrantinnen und Migranten betrifft dies allerdings in noch höherem Maße, da sie sich durch die Ankunft in einer neuen Gesellschaft größeren Veränderungen stellen müssen.
In den letzten Jahrzehnten fehlte es an umfassenden integrationspolitischen Konzepten in Deutschland. Vielen Migrantinnen und Migranten wurde die Integration dadurch erschwert, dass die Politik bis heute kaum institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen hat, die soziale Benachteiligung verhindern (z.B. im Bildungssystem) und gleichzeitig als Basis für Anforderungen an Migrantinnen und Migranten zur Integration dienen können.
Fakt ist, dass in einigen Bereichen des Zusammenlebens die Lage unbefriedigend. Unter uns leben Migrantinnen und Migranten, die selbst nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland kein Deutsch sprechen. Es gibt Eltern, die ihren Kindern Bildung bzw. eine berufliche Ausbildung vorenthalten. Und vor allem ihre Söhne werden oft zu überkommenem, patriarchalischen Verhalten erzogen – zu Lasten ihrer Schwestern und Partnerinnen.
Von Menschen, die dauerhaft hier leben wollen, erwarten wir, dass sie bereit sind, sich für unsere Gesellschaftsordnung zu öffnen und ihren Teil zur Entwicklung dieses Landes beizutragen. Hierzu gehört nicht nur der Erwerb der deutschen Sprache, sondern auch das Engagement, das individuell Mögliche zu tun, um die Voraussetzungen für eine Einbürgerung selbstständig zu erfüllen. Wer selbstbestimmt hier leben will, muss auch anderen Menschen das Grundrecht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit zugestehen und darf andere Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, nicht daran hindern, sich sozial, politisch, religiös oder kulturell weiter zu entwickeln und sich ggf. auch aus dem Zusammenhang der eigenen sozialen bzw. kulturellen Gruppe zu lösen. Zu diesen Grundrechten gehören Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Frau und Mann – aber auch das Recht auf Bildung.
Überdies sind die Gleichberechtigung und die Gleichstellung der Geschlechter Grundwerte unseres Grundgesetzes. Mädchen und Frauen müssen ihr Selbstbestimmungsrecht voll und ganz leben, ihre Persönlichkeit frei entfalten und in vollem Umfang an dieser Gesellschaft teilhaben können. In bestimmten – sehr traditionell und patriarchal orientierten – Migrantengruppen ist dies oftmals nicht gegeben. Wir müssen verhindern, dass in der Frage der Partnerwahl auf junge Migrantinnen und Migranten Druck ausgeübt wird, sei es mit psychischer oder physischer Gewalt. Auch andere Formen der Gewalt gegen Migrantinnen dürfen nicht toleriert werden: Studien weisen darauf hin, dass Migrantinnen überdurchschnittlich oft von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Katrin Göring-Eckardt