Portrait von Katharina Dröge
Katharina Dröge
Bündnis 90/Die Grünen
97 %
138 / 142 Fragen beantwortet
Frage von Thomas M. •

Frage an Katharina Dröge von Thomas M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dröge, in 18 europäischen Ländern gibt es bei der Organspende das Gesetz der Widerspruchslösung : Jeder ist Spender & wer nicht spenden will, kann widersprechen. In Deutschland gilt die Entscheidung & hier sterben bei der momentanen Gesetzeslage jedes Jahr über 1000 Menschen die auf der Warteliste stehen. Man wartetet in Deutschland z.B. auf eine Niere 7- 10 Jahre & in Spanien oder Österreich dagegen nur 1 Jahr, weil es dort die Widerspruchslösung gibt !
Ich fühle mich als Betroffener in Deutschland benachteiligt - gegenüber den Ländern mit Widerspruchslösung !
Was sagen sie zur Widerspruchslösung ?

Portrait von Katharina Dröge
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage und Positionierung zur Widerspruchslösung auf Abgeordnetenwatch.

Die Regulierung von Organspenden ist ein sehr komplexes und gesellschaftlich sehr wichtiges Thema. Abgesehen von der Problematik der niedrigen Spendenzahlen, geht es auch um die Frage nach der Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger. Ich persönlich sehe positive Aspekte in der Einführung einer Widerspruchslösung, allerdings abhängig von der konkreten Ausgestaltung.

Vor über 20 Jahren haben wir in Deutschland das Transplantationsgesetz eingeführt, welches streng regelt, wie und wann Organspenden möglich sind. Zurzeit müssen Menschen zu Lebzeiten ausdrücklich einer Organspende in Form eines Spendenausweises oder einer Patientenverfügung zugestimmt haben. Jedoch zeigen die Jahre seit der Einführung der Zustimmungslösung, dass Organspenden in Deutschland immer seltener werden. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hat dieses Jahr Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass von 2007 bis 2017 die Zahl der Organspendenden Menschen in Deutschland von 1313 auf 797 im Jahr fiel. Bei der Widerspruchslösung können Organe und Gewebe nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person einer Organtransplantation zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat.

Der Mangel an Organspenden spiegelt eben nicht eine negative Einstellung zu Organspenden in Deutschland wider. Eine Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung diesen Jahres hat gezeigt, dass die Einstellung zu Organspenden zwar in Deutschland mit 84% so hoch wie noch nie ist, jedoch besitzen nur 36% der Bevölkerung einen Organspende Ausweis. Eine Widerspruchslösung würde wahrscheinlich dazu führen, dass es weniger Menschen gibt, die Transplantationsmedizin zwar positiv gegenüberstehen und bereit sind zur postmortalen Organspende, aber letztlich ohne Organentnahme bestattet werden. Genauso würden weiterhin Menschen, die Organspenden ablehnen, dieser widersprechen. Der Grundsatz der Freiwilligkeit bleibt mit der Widerspruchslösung bestehen. Außerdem sehe ich auch einen Vorteil der Widerspruchslösung darin, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige entlastet werden, wenn sich jeder Mensch vor seinem Tod für oder gegen Organspenden entscheidet.

Ich stimme Ihnen zu, dass die Zahlen und Fakten aus den mittlerweile 18 Ländern für die dort eingeführte Widerspruchslösung sprechen. Studien des British Medical Journal zeigen, dass sich die Anzahl der Spendenden durchschnittlich um 20 - 30 Prozent erhöht.

Jedoch ist einzig und allein die Einführung der Widerspruchslösung nicht die Lösung für das Gesamtproblem, welches wir in Deutschland mit Organspenden haben. Eine Ursache für den Spendenrückgang liegt auch in den Kliniken. Hier könnte ein zentrales Register für Organspende-Erklärungen helfen, welches für alle mehr Rechtssicherheit und einen verbesserten Informationsfluss mit den Kliniken bedeuten würde. Die Transparenz muss gestärkt und die Meldewege für alle Beteiligten bekannter werden.

Die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken brauchen mehr Zeit für ihre wichtige Aufgabe und benötigen daher einen gesetzlichen Anspruch darauf, in geeignetem Maße von anderen dienstlichen Verpflichtungen freigestellt zu werden. Neben einer stärkeren staatlichen Kontrolle der Transplantationszentren, ist auch ein umfassenderes Vermitteln von Wissen um Erkennen und Melden potentieller Organspender in der medizinischen Ausbildung nötig.

Zusätzlich zur Einführung der Widerspruchslösung müssen folglich strukturelle und finanzielle Hindernisse überwunden werden und unter anderem die Bevölkerung ausreichend informiert werden.
Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen
Katharina Dröge

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Katharina Dröge
Katharina Dröge
Bündnis 90/Die Grünen