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Karsten Jasper
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Frage von Andreas M. •

Frage an Karsten Jasper von Andreas M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Jasper,

da Sie Mitglied im Wirtschaftsausschuss sind und Dithmarschen-Nord vertreten, glaube ich, dass ich bei Ihnen mit meiner Anfrage richtig bin:

Die Landesregierung plant eine Verdopplung des Anteils regenerativer Energien von derzeit knapp 20% auf über 40%. Dabei soll vorrangig Windkraft gefördert werden, wozu ebenfalls eine Verdopplung der Windeignungsflächen geplant ist. Zur Ableitung sollen die Leitungskapazitäten erhöht - eine neue Hochspannungsleitung soll auch durch Dithmarschen gebaut werden - über die dann der regenerativ erzeugte Strom nach Süddeutschland geliefert werden soll.

Die Karten zur Windhöffigkeit zeigen, dass in Süddeutschland ca. 15% weniger Wind weht als in Schl.-H. Gleiches gilt - umgekehrt - für die Photovoltaik. Bekannt ist weiter, dass die Leitungsverluste mehr als 1% pro 100 km betragen.

Daraus ergibt sich die Frage, ob der beabsichtigte Leitungsausbau wirtschaftlich ist. Wäre es nicht sinnvoller, im Norden mehr Photovoltaikflächen und im Süden mehr Windkraftanlagen zu installieren? In räumlicher Nähe ergänzt sich doch beides, denn bekanntlich ist es bei windigem Wetter oft bedeckt, während Schönwetterlagen oft windarm sind.

Ergänzt um Biogas für den Spitzenbedarf könnten regionale Kombikraftwerke entstehen, auf neue Leitungstrassen und fossil betriebene Schattenkraftwerke könnte so ggf. ganz verzichtet, sie könnten zumindest minimiert werden.

Leider findet sich auf den Seiten des WIrtschaftsministeriums nichts Substanzielles zu der Aufgabe, regenerativ erzeugte Energien so intelligent zu vernetzen, dass sie regional die Stromversorgung zu 100% sicherstellen.

Was ist Ihre Position dazu?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Morgenroth,

die oftmals in den Medien und von Politikern dargestellte Begründung für einen Netzausbau bei uns im Norden sei einzig die notwendige Ableitung des Stroms nach Süddeutschland stellt eine sehr verkürzte Version der Wirklichkeit dar. Ich werde versuchen, Ihnen an einem Beispiel zu erklären, warum wir gerade im Norden neue Stromleitungen brauchen.

Sie können sich das deutsche Stromnetz als einen mit Wasser gefüllten See vorstellen, an dessen Nordseite die Erzeuger und an dessen Südseite die Verbraucher liegen.
Damit das deutsche Stromnetz betrieben werden kann, müssen die Stromversorgungsunternehmen dafür Sorge tragen, dass der See immer den gleichen Wasserstand hat und zwar unabhängig davon, ob an der Südseite Strom abgenommen oder an der Nordseite Strom eingespeist werden kann.
Das heißt, wenn weniger Strom verbraucht wird, muss auch weniger eingespeist werden. Umgekehrt gilt aber auch, falls im Süden mehr Strom verbraucht wird, dass mehr Strom an der Nordseite eingespeist werden muss.
Diese Schwankungen waren im bisherigen deutschen Strommix, der vornehmlich auf Kohle- und Kernkraftwerken basierte, recht einfach von den Stromversorgungsunternehmen zu regulieren, da durch diese Kraftwerke ein deutlich höherer Anteil an Grundlastbedarf Deutschlands abgedeckt werden konnte. Die Spitzenlast wurde im Wesentlichen durch eine Zuschaltung von Wasser-, Öl-, und Gaskraftwerken abgedeckt.
Durch die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende mit einem Verzicht auf Kernenergie und einem deutlich höheren Anteil an Windenergie, muss das Stromnetz als die entscheidende konstante Größe an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.
Der Wind richtet sich nicht nach Lastgangkurven deutscher Endverbraucher, sodass Windenergie deutlich weniger grundlastfähig ist, als es die Kernenergie war und ist.
Wegen dieser neuen Schwankungsbreite des erzeugten, erneuerbaren Stroms, muss das deutsche Stromnetz dezentral umgebaut werden. Wir ersetzen in Deutschland ein Kernkraftwerk mit einer Hochspannungsleitung durch viele Windparks an unterschiedlichen Orten mit jeweils Mittel- und Hochspannungsanschlüssen an den Stromübergabepunkten.
Stromleitungen müssen am Potenzial des erzeugbaren Stroms ausgerichtet werden und nicht am Potenzial des abzunehmenden Stroms. Deshalb muss man wegen dieser dezentraleren Erzeugerstruktur im Zulauf zum See neue Leitungen bauen, also im Norden und nicht im Süden, da die Abnehmer von Strom sich in Ihrer Anzahl nicht signifikant verändern werden.
Die Stromverlustleistung durch die Übertragung spielt wirtschaftlich besonders im Hinblick auf die Erzeugungspotentiale von Windenergie im Norden in unserem nationalen Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle, weil es sich durch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Vergütungsstruktur – eine Vergütung pro erzeugter Kilowattstunde – immer dort Windkraftanlagen zu bauen, wo der meiste Wind weht.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass meine Erläuterungen angesichts der Komplexität unseres Stromversorgungssystems keinen Anspruch auf Vollständigkeit (Ausklammern anderer erneuerbarer Energieträger) erheben. Ich hoffe dennoch, dass ich Ihre Fragen angemessen beantwortet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Karsten Jasper