Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Michael B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Guttenberg,
ich habe soeben den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes, wie er als Drucksache 838/07 auf den Seiten des Bundesrates abgerufen werden kann, durchgelesen. Darin befindet sich ein neuer §42a, der das Führen von Anscheinswaffen verbietet. Ausgenommen sind Waffen, "die zum Spiel bestimmt sind, wenn aus ihnen nur Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,08 Joule (J) erteilt wird, es sei denn, sie können mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen so geändert werden, dass die Bewegungsenergie der Geschosse über 0,08 Joule (J) steigt."
Ich befürworte ausdrücklich das oben erwähnte Verbot zum Führen von Anscheinswaffen, dass wohl auch unter dem Eindruck diverser Vorfälle mit sog. "Softair-Waffen" entstanden ist. Was mich wundert, ist die Tatsache, dass im Entwurfstext die Energiegrenze für Geschoss-Spielzeug weiterhin nur 0,08J beträgt und damit auch weiterhin die EU-Spielzeugrichtlinie, die 0,5 Joule als Grenze vorsieht, missachtet. Als Nichtjurist stellt sich mir daher folgende Frage: Was passiert mit dem (auf einem BKA-Bescheid basierend) momentan erwerbbaren Geschoss-Spielzeug mit einer Energie bis zu 0,5 J? Laut EU-Richtlinie wäre dies Spielzeug, laut Gesetzentwurf dann illegal. Falls die Energiegrenzen, wie im Gesetzentwurf festgelegt, bestehen bleiben, droht die Kriminalisierung vieler Jugendlicher, deren Plastikspielzeug plötzlich zur illegalen Waffe würde. Eine Anhebung der Energiegrenze auf 0,5 Joule für Geschoss-Spielzeug würde dies verhindern, ist jedoch im Entwurf nicht vorgesehen. Durch das Verbot des Führens in der Öffentlichkeit verlieren diese Repliken doch bereits ihre Gefährdungsproblematik. Ein komplettes Verbot ist hier meines Erachtens nach nicht zielführend.
Mit freundlichen Grüßen,
M. Behr
Sehr geehrter Herr Behr,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Regelungskonfliktes zwischen Waffengesetz und der EU- Spielzeug- Richtlinie bei Spielzeugwaffen.
Es wird bei Schusswaffen nach der Stärke der Geschossenergie hauptsächlich zwischen drei Arten unterschieden:
1.Spielzeugwaffen (Geschossenergie bis max. 0,5 Joule bei elastischen Geschossen wie Styroporkugeln oder Gummisaugnäpfen und 0,08 Joule bei starken Geschossen)
2.Soft- Air- Waffen (Geschossenergie zw. 0,08 Joule und 0,5 Joule bei starken Geschossen)
3.Waffen (Geschossenergie über 0,5 Joule, alle Geschossarten
Der Umgang mit o. g. Waffen unter 3. ist grundsätzlich nur Personen ab dem 18. Lebensjahr gestattet (§ 2 I WaffG). Da Spielzeugwaffen jedoch hauptsächlich von Personen unter 18 Jahren verwendet werden, bestimmt Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1 der Waffenliste in Anlage 2 zu §2 II – IV WaffG ausgenommene Spielzeugwaffen:
„Schusswaffen (Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1), die zum Spiel bestimmt sind, wenn aus ihnen nur Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,08 Joule erteilt wird, es sei denn,
a)sie können mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen so geändert werden, dass die Bewegungsenergie der Geschosse über 0,08 Joule steigt oder
b)sie sind getreue Nachahmungen von Schusswaffen […], deren Erwerb der Erlaubnis bedarf.“
O. g. Waffen, deren Geschosse mit mehr als 0,08 Joule Bewegungsenergie verschossen werden können, fallen demnach immer unter den Geltungsbereich des Waffengesetzes. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich hierbei noch um Spielzeugwaffen („weiche“ Geschosse) oder bereits um Soft- Air- Waffen („harte“ Geschosse) handelt.
Nach der EU- Spielzeug- Richtlinie und der ihr zugeordneten DIN EN 71-1 gelten jedoch sämtliche Spielzeugwaffen als Spielzeug und die Mitgliedstaaten dürfen gem. Art. 4 der Richtlinie 88/378/EWG das Inverkehrbringen eines solchen Spielzeugs in ihrem Staatsgebiet nicht behindern. Die Regelung des § 2 I WaffG, dass der Umgang mit Spielzeugwaffen ab einer Bewegungsenergie von 0,08 Joule nur Personen gestattet ist, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, verhindert jedoch die Abgabe einer solchen Spielzeugwaffe an Minderjährige. Dies stellt ein Handelshemmnis dar, welches europarechtlich grundsätzlich unzulässig ist.
Die Bundesregierung plant, diesen Regelungskonflikt zwischen nationalen und europäischen Recht bei der anstehenden Änderung des Waffengesetzes mit Hilfe des Gesetzgebers mit einer Änderung von Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 der Anlage 2 zu § 2 II – IV WaffG zu beheben. Hierzu besteht nach Auskunft des Bundesinnenministeriums ressortübergreifend mit anderen Ministerien folgender Kompromissvorschlag im Waffengesetz, der im Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden müsste (Wiedergabe nur in relevanten Punkten, Änderungen ggü. aktueller Rechtslage hervorgehoben):
„Vom Gesetz mit Ausnahme des § 42a(neu) ausgenommene Waffen
1. Schusswaffen (Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1, ausgenommen Blasrohre), die zum Spiel bestimmt sind, wenn aus ihnen bauartbedingt auch starre Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,08 Joule erteilt wird oder wenn aus ihnen bauartbedingt ausschließlich elastische Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,5 Joule erteilt wird, es sei denn, sie können mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen so geändert werden, dass die Bewegungsenergie der Geschosse den jeweiligen Grenzwert übersteigt.“
Das geplante Verbot zum Führen von Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit (§ 42a WaffGneu) würde sich auch unter Berücksichtigung dieses Kompromissvorschlages weiterhin auf Spielzeugwaffen erstrecken. Damit wird der Gefährdungsproblematik, wenn in der Öffentlichkeit täuschend echt aussehende „Waffen“ getragen werden, entgegengewirkt.
Ich hoffe sehr, verehrter Herr Behr, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl- Theodor zu Guttenberg