Frage an Karl-Heinz Gerstenberg von Daniela M. bezüglich Energie
Welche drei dringlichsten Aufgaben sehen Sie für Sachsen im Bereich Energiepolitik und Klimaschutz in den nächsten 5-10 Jahren und wie ist Ihre jeweilige Position dazu?
Sehr geehrte Frau Müller,
ich danke ihnen sehr für diese Frage, denn ich befürchte zur Zeit, dass angesichts der täglichen Diskussionen über die Finanz- und Wirtschaftskrise der Klimawandel als drängendstes Problem aus dem Blick gerät.
Ich bin davon überzeugt, dass Sachsen sich zur Einhaltung des 2-Grad-Zieles bekennen muss (Begrenzung des Anstiegs der globalen mittleren Jahrestemperatur auf maximal zwei Grad), um katastrophale Folgen für Mensch und Natur zu vermeiden. Dafür sind nach den Empfehlungen des UN-Klimarates IPCC die CO2-Emissionen bereits mittelfristig deutlich herabzusetzen und langfristig um 80% zu reduzieren. Jeder Euro für den Klimaschutz ist dabei auch aus ökonomischer Sicht gut investiertes Geld, denn spätestens seit dem Stern-Report wissen wir: Die Kosten wären katastrophal höher, wenn wir nichts tun.
Auch Sachsen ist mitten im Klimawandel und dieser Trend wird sich nach neuesten Modellrechnungen beschleunigen. Die Durchschnittstemperaturen steigen, die Niederschläge verringern sich, vor allem im Osten und Norden unseres Landes, und extreme Wetterereignisse nehmen zu. Klimaschutz liegt also in unserem eigenen Interesse, ist aber zugleich eine Frage der globalen Gerechtigkeit und unserer moralischen Verantwortung.
"Das Unvermeidbare beherrschen und das Unbeherrschbare vermeiden" - nach diesem Prinzip müssen wir handeln. Der Klimawandel ist im Gange, deshalb ist es richtig, Anpassungstrategien für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft zu entwickeln (was die Staatsregierung versucht). Zugleich gilt es aber, ohne jeden Zeitverlust den CO2-Ausstoß wie oben beschrieben herabzusetzen (wobei die Staatsregierung versagt).
Der zentrale Schlüssel zum Klimaschutz ist die Energiepolitik, die Sie in Ihrer Fragestellung bereits folgerichtig damit verbinden. Dafür stehen aus meiner Sicht für die nächsten Jahre drei zentrale Aufgaben:
- Aus der Braunkohle aussteigen
- Erneuerbare Energien ausbauen
- Energie einsparen und Energieeffizienz verbessern
Wenn wir mit der Stromerzeugung aus Braunkohle fortfahren, dann werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Die vorhandenen Tagebaue in der Lausitz können noch mindestens 20 Jahre die Kraftwerke mit Kohle versorgen. Deshalb muss umgehend der mittelfristige Ausstieg aus der Braunkohle mit dem Zieljahr 2030 geplant werden. Neue Tagebaue dürfen nicht mehr genehmigt werden. Das ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern es geht auch darum, Lebensschicksale und alte sorbische Siedlungsgebiete nicht den kurzfristigen Gewinninteressen eines Energieriesen zu opfern. Ich habe mich seit Anfang der neunziger Jahre für den Erhalt der Gemeinde Heuersdorf im Südraum von Leipzig engagiert und weiß, was es bedeutet, wenn Menschen ihre Heimat aufgeben müssen.
Der Braunkohleausstieg muss Hand in Hand gehen mit ambitionierten Zielen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Eine im Auftrag unserer Landtagsfraktion durch die VEE Sachsen erarbeitete Studie weist nach, dass wir Strom vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugen können. Bereits bis 2020 können 80% des Stromes aus Sonne, Wind und Biomasse gewonnen werden. Einzelheiten dazu können Sie in der Studie nachlesen ( http://www.wir-sind-klima.de/fileadmin/user_upload/Broschuere/gruene_ausbaustudie_2020.pdf ). Auch das Arbeitsplatzargument ist längst auf Seite der erneuerbaren Energien. Heute arbeiten hier bereits drei mal so viele Menschen wie in der Braunkohle - Tendenz wachsend.
Die beste Energie ist die eingesparte. Wärmedämmung, Stromsparmaßnahmen, effiziente Energieverwendung durch Kraft-Wärme-Kopplung, Vermeidung von Verkehr - viele Bereiche können dazu ihre Beiträge leisten. Gerade bei den Energiekonzepten für Neubauten und energetische Sanierung müssen der Freistaat und seine Kommunen künftig mit gutem Beispiel vorangehen. Unsere Fraktion hat ein Förderprogramm entwickelt, um bei der energetischen Gebäudesanierung im privaten Bereich in großen Schritten voranzukommen. Das wäre gut fürs Klima, gut für das sächsische Handwerk und gut für die Energiekosten der Mieterinnen und Mieter. Im neuen Landtag würde ich mich gern einer besonderen Aufgabe widmen - dem Verhältnis von erneuerbaren Energien, energetischer Sanierung und Denkmalschutz.
Entschuldigen Sie bitte, dass seit Ihrer Fragestellung so viel Zeit vergangen ist. Ich habe lange gezögert, mich an Abgeordnetenwatch zu beteiligen. Nachdem ich fünf Jahre lang die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag mit ihren freiheits- und demokratiefeindlichen Äußerungen und Aktionen aus nächster Nähe erleben musste, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass sich deren Kandidaten auf dieser web-Plattform als Gleiche unter Gleichen präsentieren können. Da ich diese Haltung aber den Fragestellerinnen und -stellern nicht verständlich machen kann, habe ich mich jetzt für die Beantwortung entschieden.
Mit vielen freundlichen Grüßen
Karl-H. Gerstenberg