Frage an Karin Burkart von Gerhard G. bezüglich Bildung und Erziehung
Bildungsmisere der Jungen
Sehr geehrte Frau Burkart,
seit den 80er Jahren fallen die Jungen in der Schule immer mehr hinter den Mädchen zurück. Mehr als ein Drittel eines Mädchenjahrgangs macht mittlerweile Abitur, aber nur ein knappes Viertel eines Jungenjahrgangs. Dies dann im Schnitt um eine Note schlechter. Die Leseleistungen hinken deutlich hinterher. Auf der anderen Seite sind zwei Drittel der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss Jungen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Bei den unter 25-Jährigen sind absolut und prozentual deutlich mehr junge Männer als junge Frauen arbeitslos. Allgemein ist Bildung ein wesentlicher Schlüssel für Aufstieg und den Spielraum für die eigene Lebensplanung.
Es liegt nahe, die Erfolge der Mädchen mit der seit den 70er Jahren praktizierten nachhaltigen Mädchenförderung in Verbindung zu bringen, die auch heute eine weit größere Dimension besitzt als die nur ganz vereinzelt zu findende Jungenförderung.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Bildungssituation der Jungen, welche Maßnahmen betrachten Sie als notwendig, für welche Maßnahmen werden Sie konkret eintreten und auf welche Weise beabsichtigen Sie das zu tun?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Groß,
nach meinem Kenntnisstand werden alle Kinder gleichermaßen gefördert und es findet keine bewusste Bevorzugung statt. Leider liegt mir keine Statistik des Bildungsministeriums vor hinsichtlich der Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen.
Wer Bildungsarmut verhindern will, muss Kinder früh fördern und dabei das einzelne Kind mit seinen Fähigkeiten und seinen Interessen in den Mittelpunkt stellen. Gerade in den ersten Jahren werden wichtige Weichen gestellt; deshalb fordern wir Grüne eine qualitativ hochwertige Betreuung und Bildung für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr, will heißen ein flächendeckendes, hochwertiges Angebot an Krippen, Kitas und echten Ganztagsschulen.
Mit einer besseren Personalausstattung, kleineren Gruppen und einem hohen Ausbildungsniveau des Personals steigt die Qualität der individuellen kindbezogenen Förderung. Wichtig finden wir auch, dass Anreize für Männer geschaffen werden, sich in diesem Berufsfeld zu betätigen, da deren prozentualer Anteil hier noch deutlich zu gering ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Jungen den Mädchen in ihrer Entwicklung oftmals hinterher hinken. Das frühe Sortieren von Kindern auf unterschiedliche Schultypen verbaut somit Entwicklungchancen, demotiviert und nimmt vielen Kindern schon frühzeitig die Lust am Lernen und verbaut ihnen so ihre Zukunftschancen.
Teams aus ErzieherInnen, LehrerInnen und SozialpädagogInnen, die gemeinsam für die SchülerInnen zuständig sind und außerschulischer Unterricht im Rahmen einer Nachmittagsbetreuung gehören zu einer guten Schule dazu. Wo Workshops für Mädchen angeboten werden - zum Beispiel im naturwissenschaftlichen Bereich - können nach unserer Auffassung ebenso Workshops speziell für Jungen - nicht nur im sportlichen sondern auch z. B im kulturellen Bereich - angeboten werden. Leseförderung sollte für alle SchülerInnen angeboten werden, da durch unsere medienbetonte Gesellschaft der Zugang zum Bücherlesen verloren geht. Hier wird allerdings durch das Schulamt und die Kinder- und Jugendbuchmesse schon seit geraumer Zeit gegengesteuert. Jungen, die Leistungsschwächen zeigen, sollten beizeiten eine Förderung erfahren.
Ich will mich dafür einsetzen, dass in der Lehrerausbildung verstärkt auf eine geschlechtsspezifische Förderung hingewirkt wird.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Burkart