Frage an Jutta Paulus von Sarah M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Liebe Frau Paulus,
ich möchte Sie bitten, zu den folgenden Fragen zum Thema Hochschulpolitik Stellung zu nehmen.
1. Welche Kritikpunkte haben Sie an der Bologna-Reform allgemein und auch an ihrer Umsetzung hier in Deutschland (bzw. europaweit) konkret? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie bei beiden Teilen?
2. Wie positionieren Sie sich zum Akkreditierungswesen (im Hochschulbereich)?
3. Wie stehen Sie zur Einführung eines Bundeshochschulgesetzes im Zuge der Einführung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums, aber im Widerspruch zum Bildungsföderalismus?
4. Sollte eine bundesweite Zivilklausel eingeführt werden und wenn ja, mit welchem Verpflichtungscharakter (selbstverpflichend, gesetzlich ...)?
5. An welchen Stellen sehen Sie beim Hochschulpakt Überarbeitungsbedarf?
Vielen Dank für Ihre Mühe.
"Liebe Frau Paulus,
ich möchte Sie bitten, zu den folgenden Fragen zum Thema Hochschulpolitik Stellung zu nehmen.
1. Welche Kritikpunkte haben Sie an der Bologna-Reform allgemein und auch an ihrer Umsetzung hier in Deutschland (bzw. europaweit) konkret? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie bei beiden Teilen?"
Meine Tochter studiert, daher kenne ich das System zwar nicht aus unmittelbarer Anschauung, aber ich bekomme doch so Einiges mit. Man hat, zumindest hier in Deutschland, das Studium zu einem Schweinsgalopp durch alle Teilgebiete des jeweiligen Fachs degradiert. Selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Lernen und Forschen ist so nicht möglich. Die Curricula müssen dringend überarbeitet, die Prüfungsdichte reduziert, die Anerkennung von Leistungen, die an anderen Hochschulen oder im Ausland erworben wurden, verbessert werden. Studium ist auch Persönlichkeitsbildung, oder sollte es sein! das ist im derzeitigen System so nicht möglich.
"2. Wie positionieren Sie sich zum Akkreditierungswesen (im Hochschulbereich)?"
Ich bin ja selbst in der Qualitätssicherung tätig und daher ein Fan von nachprüfbaren Qualitätskriterien. Hochschulen sollen aber nicht einseitig verwertungsorientiert sein, sondern müssen auch Raum für Kreativität und Experimente bieten. Teilweise sind bedenkliche Entwicklungen zu beobachten, wenn bspw. Mittel, die zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden sollen, vorrangig in die Evaluierung fließen, ohne die tatsächliche Lehre besser auszustatten. Persönlich tue ich mich schwer, für "weiche" Parameter fixe Checklisten zu entwickeln, die eine Vergleichbarkeit oder Beurteilung von individuell verschieden wahrgenommenen Lehr- und Forschungsprogrammen vortäuschen.
"3. Wie stehen Sie zur Einführung eines Bundeshochschulgesetzes im Zuge der Einführung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums, aber im Widerspruch zum Bildungsföderalismus?"
Die Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildungspolitik ist ein zentraler Punkt grüner Bildungspolitik. Ich kann ein Bundeshochschulgesetz daher nur befürworten.
"4. Sollte eine bundesweite Zivilklausel eingeführt werden und wenn ja, mit welchem Verpflichtungscharakter (selbstverpflichend, gesetzlich ...)?"
Wenn rechtlich möglich, verpflichtende Zivilklausel für alle Hochschulen und Fachhochschulen.
"5. An welchen Stellen sehen Sie beim Hochschulpakt Überarbeitungsbedarf?"
Zum Einen muss der Hochschulpakt finanziell viel besser ausgestattet werden. Die derzeitigen Mittel reichen bei Weitem nicht aus, um mehr Studienplätze und bessere Studienbedingungen zu schaffen. Zweitens kann nur eine dauerhafte Unterstützung über das Jahr 2020 hinaus nachhaltig für gute Hochschulbildung sorgen. Außer dem Hochschulpakt, der die Universitäten und Fachhochschulen bei der Studienfinanzierung unterstützt, sehe ich auch Bedarf in der Förderung der Studierenden. Ein Studierendenzuschuss für alle und ein Bedarfszuschuss für finanziell schlechter Gestellte, beides nicht als Darlehen, ist eine Investition in die Zukunft.
Liebe Frau Müller,
vielen Dank für Ihr Interesse!
Herzlichen Gruß
Jutta Paulus