Frage an Jo Schroers von Hannelore Huber Aktion Durchblick M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schroers,
die Aktion Durchblick Mönchengladbach, deren Sprecherin ich bin, setzt sich für Transparenz und Bürgerbeteiligung - über formelle Beteiligungen hinaus - ein.
Wir erwarten bürgerschaftliche Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung, so dass die Bürger in Planungen und Entscheidungen so früh und umfassend wie möglich eingebunden werden.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind Instrumente nach der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen. Bekanntlich bilden die aktuell erforderlichen Quoren zu hohe und daher nur schwer überwindbare Barrieren.
Dazu folgende Fragen:
1. Wie stehen Sie zur Bürgerbeteiligung in den Kommunen?
2. Durch welche Quorum-Höhe meinen Sie, kann Bürgerbeteiligung durch Bürgerbegehren/Bürgerentscheide in den Kommunen wirklich realisiert werden?
3. Welche Konzepte für Bürgerbeteiligung, über die gesetzlichen Beteiligungsregelungen
hinaus, haben Sie/hat Ihre Partei?
4. Wie stehen Sie zur Bürgerbeteiligung im Land in Form von Volksbegehren und mit welcher Begründung?
Vielen Dank im voraus für Ihre Antworten!
Mit freundlichen Grüßen
Aktion Durchblick MG
Hannelore Huber
Sehr geehrte Frau Huber,
lassen Sie mich Sie zunächst auf meine Antworten auf "Mehr Demokratie e.V." verweisen:
Jo Schroers, Mönchengladbach, Grüne
Stellungnahme: "Stichwahl von (Ober-)BürgermeisterInnen und LandrätInnen wieder einführen. Wahlalter senken. Mehr Mitsprache und Mitentscheidung ermöglichen." Jo Schroers
Fragen und Antworten
Sind Sie dafür, Bürgerbegehren über Bebauungspläne und Planungsverfahren zuzulassen Ja
Sind Sie dafür, den Kostendeckungsvorschlag zu streichen? Ja
Sind Sie dafür, diese Abstimmungshürde beim Bürgerentscheid zu senken? Ja
Sind Sie dafür, die freie Sammlung bei Volksbegehren zu erlauben? Ja
Sind Sie dafür, diese Zahl der nötigen Unterschriften deutlich abzusenken? Ja
Sind Sie dafür, haushaltswirksame Volksbegehren möglich zu machen? Ja
Sind Sie dafür, dass die Bürger mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Stadt- und Gemeinderäte bekommen? Ja
Da Sie explizit nach den Vorstellungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fragen, erlaube ich mir, aus unserem Wahlprogramm zu zitieren:
2. Mehr Demokratie wagen - Die Macht der Bürgerinnen und Bürger stärken Eine lebendige Demokratie hängt nicht nur davon ab, wer regiert, sondern auch davon, wie sie gestaltet ist. Mit welchem Wahlsystem werden Politikerinnen und Politiker gewählt? Ermöglicht es den Wählerinnen und Wählern eine gezielte Auswahl oder nur das Abnicken einer vorgegebenen starren Liste? Sind Volksvertreterinnen und Volksvertreter hierdurch nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern oder sind sie hauptsächlich in Fraktionszwänge eingebunden? In diesem Bereich wollen wie die Weichen in die Zukunft stellen. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger auch zwischen den Wahlen über wichtige politische Fragen abstimmen lassen. Überflüssige Hürden wollen wir abbauen. Wir Grünen wollen die Macht der Bürgerinnen und Bürger in NRW stärken.
Mehr Demokratie beim Wählen
Um den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte zu ermöglichen, wollen wir die massiven Eingriffe der CDUFDP- Koalition in das Kommunalwahlrecht und die Gemeindeordnung wieder zurücknehmen und zusätzlich weitere Beteiligungsrechte verankern. Eine lebendige Demokratie lebt davon, dass sich Wählerinnen und Wähler gut informieren können, sich selbstbewusst an der politischen Meinungsbildung beteiligen und aktive Mitwirkungsmöglichkeiten haben. Dies gilt auch für Menschen mit nicht deutschem Pass. Was bundesweit in fast allen Bundesländern möglich ist, soll endlich auch für die Wählerinnen und Wähler in NRW möglich werden. Wir wollen, dass sie bei Kommunal- wie Landtagswahlen die Möglichkeit erhalten, mehrere Stimmen auf Kandidatinnen und Kandidaten zu konzentrieren, zu verteilen sowie von den Listen zu streichen (Kumulieren und Panaschieren). Die Bürgerinnen und Bürger können damit die Listenreihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber noch einmal ändern. Das sorgt für mehr Wettbewerb unter den Politikerinnen und Politikern und für eine bürgernähere Politik. Dieses Wahlrecht hat sich bei Kommunal- und teilweise auch bei Landtagswahlen in 13 Bundesländern bewährt. NRW darf hier nicht länger Demokratie-Schlusslicht bleiben.
Wir wollen auch die sogenannten Mittelebenen wie die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe und den Regionalverband Ruhr durch eine Direktwahl demokratisch besser legitimieren.
Zu einer lebendigen Demokratie gehört insbesondere eine starke kommunale
Selbstverwaltung mit lebendigen und handlungsfähigen Kommunen. Die Landesregierung blutet die Städte und Gemeinden des Landes jedoch finanziell aus, sie stehen vor dem Abgrund. Aus diesem Grund wollen wir eine faire finanzielle, zukunftsgerichtete Grundlage für die Kommunen des Landes schaffen.
Wahlalter senken
Wir wollen früher Demokratie wagen: Kinder und Jugendliche brauchen mehr Mitsprache und müssen an Entscheidungen endlich stärker beteiligt werden. Eine Kultur der frühen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und eine verstärkte politische Bildung können dazu beitragen, die Demokratie insgesamt zu beleben. Auf kommunaler Ebene können Jugendliche bereits ab 16 Jahren mitentscheiden. Wer reif genug für Wahlen in Städten und Gemeinden ist, ist es auch für Landtagswahlen. Wer junge Menschen für Politik interessieren will, muss die Beteiligung daran durch entsprechende Rechte attraktiv gestalten. Dazu gehört natürlich auch eine informative und realitätsnah gestaltete politische Bildung an Schulen.
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wieder demokratisch wählen
CDU und FDP haben die Stichwahl bei den Bürgermeisterinnen- und Bürgermeisterwahlen abgeschafft. Amtsbewerberinnen und -bewerber brauchen für einen Wahlsieg nicht mehr die absolute Mehrheit. Um Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu werden, reichen jetzt schon 25 oder 30 Prozent der Wählerinnen- und Wählerstimmen. Dies verdreht das demokratische Grundprinzip "Mehrheit entscheidet" in sein Gegenteil. Wir wollen mehr Demokratie mit weniger Aufwand in nur einem Wahlgang.
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte sollen in Zukunft per Zustimmungswahl bestimmt werden. Dabei haben die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, für beliebig viele Kandidatinnen und Kandidaten zu stimmen. Es kann nicht nur die oder der in der Gunst der einzelnen Wählerinnen und Wähler vorne liegende Bewerberin oder Bewerber gewählt werden, sondern wählbar sind alle Kandidatinnen und Kandidaten, die akzeptabel erscheinen. Gewählt ist die Bewerberin oder der Bewerber mit den meisten Stimmen. Dadurch wird die strukturelle Benachteiligung von weniger favorisierten Kandidatinnen und Kandidaten (z. B. kleinerer Parteien) beseitigt. Verzerrungen des Wählerinnenwillens und Wählerwillens wird vorgebeugt, eine Stichwahl in einem zweiten Wahlgang ist überflüssig.
Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte nicht nur direkt gewählt, sondern auch auf Initiative der Wählerinnen und Wähler wieder abgewählt werden können. Ein Abwahl-Bürgerentscheid kann bisher aber nur auf Antrag von zwei Dritteln eines Rates oder Kreistages herbeigeführt werden. In Zukunft sollen die Wählerinnen und Wähler per Bürgerbegehren auch selbst einen Abwahlantrag stellen können. Vorbilder sind die Länder Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein.
Da es immer schwieriger wird, das inhaltlich anspruchsvolle kommunale
Ehrenamt mit den Anforderungen des Berufes und des Privatlebens in Einklang zu bringen, setzen wir uns dafür ein, die Freistellungsregelungen auf flexible Arbeitszeitregelungen auszudehnen und auch die Fortbildungsmöglichkeiten zu erweitern.
Direkte Demokratie vor Ort: faire Bürgerentscheide
Seit 1994 können sich die Wählerinnen und Wähler per Bürgerbegehren und Bürgerentscheid direkt in die Politik vor Ort einmischen. Zahlreiche überflüssige Hürden machen die direkte Demokratie in NRW aber zu einem zahnlosen Tiger. Zwei von fünf Bürgerbegehren sind deshalb unzulässig, jeder zweite Bürgerentscheid ist ungültig. CDU und FDP haben nach der Wahl 2005 ihre Versprechen zur Vereinfachung der Verfahren weitgehend nicht eingehalten. Wir wollen endlich faire Bürgerentscheide!
Dazu müssen Themenausschlüsse gestrichen werden. Bürgerentscheide sollen auch zur Ausweisung neuer Gewerbegebiete, dem Bau neuer Einkaufszentren oder Hochhäuser möglich sein. Auch die Frage nach den Kosten einer Maßnahme gehört in die öffentliche Debatte und darf kein Kriterium für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens sein. Bürgerinnen und Bürger sollen Ratsbeschlüsse genauso lange wieder aufheben können wie die Räte selbst, weshalb die Einreichungsfrist zu streichen ist. Ebenso sollen Abstimmungshürden gesenkt werden. Wir wollen, dass für die Gültigkeit eines Bürgerentscheids in Zukunft je nach Gemeindegröße eine Abstimmungsbeteiligung von zehn bzw. 15 Prozent ausreicht. Über wesentliche Veräußerungen gemeindlichen Eigentums im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge muss es obligatorische Referenden geben.
Direkte Demokratie im Land: faire Volksentscheide
Seit 1950 stehen Volksentscheide gleichberechtigt neben den Wahlen in der Landesverfassung. In 60 Jahren Landesgeschichte hat aber noch nicht eine einzige Volksabstimmung stattgefunden. Grund sind Hürden, die die direkte Demokratie zwischen Rhein und Weser praxisuntauglich machen. Wir wollen faire Volksentscheide!
Volksabstimmungen sollen auch dann möglich sein, wenn ihre Umsetzung Geld kostet: beispielsweise wenn es um die Finanzierung zusätzlicher Lehrerstellen geht.
Die Unterschriftenhürde von acht Prozent der Stimmberechtigten ist kaum zu nehmen. Wir wollen das Quorum auf zwei Prozent senken. Auch erschwert die rein amtliche Unterschriftensammlung die Eintragung für Volksbegehren massiv. Wir wollen neben der Eintragung in den Rathäusern die freie Unterschriftensammlung, z. B. auf Straßen und Plätzen, ermöglichen. Acht Wochen Eintragungsfrist sind zu kurz für eine angemessene Diskussion über den Inhalt eines Volksbegehrens. Wir wollen die Eintragungsfrist auf ein halbes Jahr verlängern.
Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen ist an vielen Stellen überkommen und entspricht nicht der Gestaltungskraft einer visionären Demokratie, die durch föderale, europäische und globale Interaktionsprozesse gefordert ist. Eine grundsätzliche Reform der Verfassung ist notwendig, um die Grundwerte einer modernen Demokratie gemeinsam zu formulieren. Dazu soll eine Verfassungskommission eingesetzt werden, die einen Vorschlag einer Verfassungsreform erarbeitet. Damit die Verfassung von den Bürgerinnen und Bürgern breit getragen und im gesellschaftlichen Kontext verankert wird, soll sie mit einem Volksentscheid verabschiedet werden. Vom Landtag beschlossene Verfassungsänderungen sollen darüber hinaus den Bürgerinnen und Bürgern in einem obligatorischen Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden.
E-Demokratie ausbauen
Für immer mehr Menschen spielt sich ein Großteil des Lebens in der digitalen Welt ab. Wir wollen daher Online-Beteiligungsmöglichkeiten stärken und ausbauen und dabei in NRW neue Wege gehen. Die elektronische Wahl und den Einsatz von Wahlmaschinen lehnen wir weiterhin ab.
Wir wollen eine E-Demokratie, die mehr ist als der digitale Behördengang oder online verfügbare Landtagsprotokolle. Wir wollen Verwaltungsprozesse über das Internet grundlegend entbürokratisieren und anschaulicher machen. Wir wollen neue Formen der direkten Beteiligung über das Internet erproben, solange Sicherheit und Anonymität im Verfahren gewährleistet sind. Wir wollen mehr Transparenz durch neue Medien sicherstellen und offene Schnittstellen in die Verwaltungen und Parlamente auf allen Ebenen fördern. Dies setzt eine klare Umsetzung des Rechts auf Informationsfreiheit ebenso wie eine konsequente Förderung der Medienkompetenz von Anfang an voraus.
Lebendige Zivilgesellschaft und Bürgerengagement
Eine lebendige Zivilgesellschaft stärkt unsere Demokratie sowie die Offenheit,
den Zusammenhalt und die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft. Sie konkretisiert sich in dem vielfältigen Engagement von Bürgerinnen und Bürgern: von der Nachbarschaftshilfe über Selbst- und Fremdhilfe, dem Engagement in gemeinnützigen Organisationen bis hin zur Bürgerinitiative und politischen Partizipation. Ein solches Engagement eröffnet den Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe, sozialen Netzwerken, sinnvoller Tätigkeit, Lebenserfahrung, Bildung und anderem mehr. Zivilgesellschaft und Bürgerengagement lassen sich weder verordnen noch gezielt steuern. Jedoch können sie ermutigende Impulse erfahren: durch Wertschätzung, förderliche Rahmenbedingungen, Infrastrukturen, Gelegenheiten, den Abbau von Barrieren und die Öffnung von Institutionen für Bürgerengagement.
Nordrhein-Westfalen befindet sich im bundesweiten Vergleich schon auf einem guten Weg. Aber wir können und wollen mehr:
Die Landesgesetze müssen engagementfreundlich gestaltet bzw. entsprechend überprüft werden.
Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements muss in allen Ressorts der Landesregierung nachhaltig verstanden und verankert werden und zugleich einer gemeinsamen Strategie folgen.
Förderrichtlinien, Zielvorgaben und Rahmensetzungen müssen dazu beitragen, dass sich dem Gemeinwohl dienende Organisationen (weiterhin) für bürgerschaftliches Engagement öffnen.
Die Förderung von Infrastrukturen für Bürgerengagement ist in erster Linie eine kommunale Aufgabe, mit der die Kommunen aber nicht alleingelassen werden dürfen. Das Land sollte hier - etwa der Weiterbildungsförderung vergleichbare - Fördermittel bereitstellen.
Wir wollen
- mehr Demokratie wagen. Das Kumulieren und Panaschieren muss eingeführt werden, ebenso die Zustimmungswahl bei der Bürgermeisterinnen- und Bürgermeisterwahl;
- das Wahlalter auch bei Landtagswahlen auf 16 Jahre senken;
- dass Bürger- und Volksentscheide fairer werden, Themenausschlüsse wollen wir deutlich reduzieren;
- Beteiligungsmöglichkeiten durch E-Demokratie für alle Menschen stärken.
Sollten Sie weitere Fragen haben, bin ich gerne bereit, auch diese zu beantworten.
Mit grünen Grüßen
jo schroers