Frage an Jan-Ole Werner von Dieter K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Werner,
Sie haben das Thema Gesundheit auf der Liste Ihrer Schwerpunkte. Wie stehen Sie zu dem Punkt "Seltene Erkrankungen" (Grundlagenforschung, Diagnostik, Therapie)?
Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Krogh
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage. Aus meiner bisherigen politischen Erfahrung weiß ich, dass Fragen mit einem so speziellem Hintergrund häufig von „Fachleuten“ - auch aufgrund eigener Betroffenheit - gestellt werden. Ich hingegen bin kein Spezialist für dieses Themenfeld, möchte Ihnen aber dennoch zeitnah antworten, was die Gefahr einer gewissen Oberflächlichkeit mit sich bringt.
Die „Seltenen Erkrankungen“ sind mit der Patientenrichtlinie u.a. ein europäisches Thema, denn die Europäische Kommission strebt den Aufbau länderübergreifender europäischer Referenznetzwerke an. In Hamburg verfügen wir am UKE mit dem Martin-Zeitz-Centrum über ein großes Zentrum für „Seltenen Erkrankungen“, womit wir uns als Standort sehr glücklich schätzen können.
Problem der „Seltenen Erkrankungen“ war lange Zeit, dass diese den forschenden Arzneimittelherstellern einen scheinbar nur kleinen Markt boten, weshalb nur geringe privatwirtschaftliche Mittel in die Forschung zu „Seltenen Erkrankungen“ investiert wurden. Auch wenn im Zuge der Individualisierten Medizin zunehmend Krankheitsbilder mit geringer Prävalenz in den Fokus der Unternehmen geraten und die Politik die Erforschung von orphan drugs besonders fördert, so werden zahlreiche „Seltenen Erkrankungen“ weiterhin nur einen geringen ökonomischen Anreiz für privatwirtschaftliches Engagement bieten. Deshalb ist die (Grundlagen-)forschung an den Universitäten zwingend durch die öffentliche Hand in ausreichendem Maße zu finanzieren.
Die europaweite Vernetzung und Schwerpunktsetzung ermöglicht es, ein breites Spektrum an seltenen Erkrankungen zu vertretbaren Kosten abzudecken. Dies bedeutet aber auch, dass im Zweifel weite Wege für die Patient*innen entstehen können. Eine Lösung wären bspw. länderübergreifende, multidisziplinäre Fallkonferenzen durch Telekonsile. Sowohl bei der ausreichenden Finanzierung oder Förderung der Forschung als auch beim europaweiten Zugang zu Therapieangeboten für „Seltene Erkrankungen“ kann die „Politik“ direkt regelnd eingreifen und hat dies in den letzten Jahren auch getan.
So werden über den Innovationsfonds Versorgungsforschungsaufträge mit Bezug zu „Seltenen Erkrankungen“ finanziert, wie z.B. TRANSLATE-NAMSE oder ZSE-DUO. Durch die Formulierung von Förderkriterien an Versorgungsforschungsprojekte kann die Politik beispielsweise dafür sorgen, einen stärkeren Fokus auf patientenorientierte Versorgung zu legen und die Bedarfe der Betroffene hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Forschung besser zu berücksichtigen.
Aus eigener familiärer Betroffenheit heraus weiß ich, dass bei „Seltenen Erkrankungen“ ein wesentliches Problem eine zügige Diagnosestellung und dann der Zugang in die spezialisierte Versorgung ist. Ursächlich hierfür ist, dass in der „normalen“ ambulanten ärztlichen Versorgung „Seltene Erkrankungen“ zu spät bzw. gar nicht erkannt werden oder als psychosomatische Erkrankungen klassifiziert werden. Die anschließende Odyssee aus Arzthopping mit Untersuchungen und vergeblichen Therapieversuchen führt bei den Betroffenen und deren Angehörigen häufig zu hoher psychischer Belastung und Vertrauensverlust. Die eigentliche Herausforderung besteht also vielmehr darin, die bestehenden hochspeziellen Versorgungsangebote der Zentren mit der fachärztlichen Primärversorgung zu verzahnen und Schnittstellen zu optimieren. Hier kann die (Landes-)Politik nur mittelbaren Einfluss nehmen.
Für einen ersten Eindruck meiner Positionierung sollte dies hoffentlich reichen und ich bin gern bereit, mich für detailliertere Nachfragen tiefer in die Materie einzuarbeiten oder Ihnen geeignetere Ansprechpartner*innen zu nennen. Da ich kein Mediziner bin, habe ich aber keine Aussagen zur Diagnostik oder zur Therapie im engen Sinne gemacht und bitte dafür um Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Ole Werner