Frage an Henning Schürig von Levin L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wie sieht nach Ihren Vorstellungen die Schule der Zukunft aus? Was halten Sie vom G8?
Sehr geehrter Herr Linsler,
vielen Dank für die Frage nach der Bildungspolitik. Neben der - bei Grünen natürlich allgegenwärtigen - Umweltpolitik ist das mein absoluter Schwerpunkt im Wahlkampf.
Das achtjährige Gymnasium (G8) ist prinzipiell nicht falsch. Man darf aber nicht - wie es die Landesregierung gemacht hat - den Stoff vor allem in der Unterstufe verdichten, so dass die Schülerinnen und Schüler in der 5. und 6. Klasse total überlastet sind und durch Unterricht und Hausaufgaben dann gar keine Zeit mehr für Freizeit haben. Das - und die Einführung der zweiten Fremdsprache schon in Klasse 5 verschlechtert auch die Durchlässigkeit, d.h. die Möglichkeit für Schüler von Haupt- oder Realschule auf´s Gymnasium zu wechseln.
Ich möchte aber nicht nur meckern, sondern auch möglichst konkret umreißen, was wir Grünen anders machen würden. Wir möchten das dreigliedrige Schulsystem abschaffen und stattdessen eine neunjährige Basisschule für alle einführen. Alle Kinder gehen neun Jahre lang auf die gleiche Schule. Dort werden sie individuell nach ihren Fähigkeiten gefördert. Wo Schwächen sind, wird nachgearbeitet, aber auch die Stärken werden besonders gefördert. Vermutlich wird das Kind sich ja auch den Beruf später im Bereich seiner Stärken suchen.
Die individuelle Förderung funktioniert aber nicht in 45 Minuten Frontalunterricht. Erstens brauchen wir mehr Gruppen- und Projektarbeit, so dass die Schüler sich die Dinge selbst begreifbar machen. Wenn ich selbst rausgefunden habe, wie etwas funktioniert, bleibt es viel eher im Kopf als wenn es mir jemand erzählt. Unser Bildungssystem heute setzt auf das Prinzip "Wissen pauken für die Klausur und danach vergessen". So sieht leider die Realität aus. Das bringt aber nicht viel, weil kaum etwas von dem Wissen hängenbleibt. Viel wichtiger als Wissen sind jedoch immer mehr Fähigkeiten und Methoden. Wichtig ist, dass ich weiß, wie ich mir Dinge beibringen kann, die Kinder müssen Lernen lernen. Teamarbeit ist ein ganz wichtiger Aspekt. Kaum jemand arbeitet im Beruf oder auch im Ehrenamt alleine, aber in der Schule wird vor allem auf Konkurrenz gesetzt. Man will selbst die Frage des Lehrers beantworten, das soll nicht der Nachbar tun. Auch behinderte Kinder sollen in diese Schule integriert werden. Es muss klar sein, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind und dazugehören.
Ich will jetzt hier nicht zu lange schreiben, daher komme ich langsam
zum Schluss. Soll ja auch noch jemand lesen. Weitere Nachfragen
beantworte ich aber sehr gerne.
Nach der neunjährigen gemeinsamen Schulzeit entscheidet man sich dann je nach Neigungen und Fähigkeiten für eine berufliche Ausbildung oder für eine Oberstufe. Diese Oberstufe sollte möglichst viel Freiraum lassen für individuelle Neigungen. Es muss nicht jeder das Gleiche können.
Unsere grüne Bildungspolitik orientiert sich sehr stark an Skandinavien. Die skandinavischen Länder haben bei PISA ja auch besonders gut abgeschnitten. Das sind also nicht nur auf dem Papier entstandene Ideen von grünen Schreibtischtätern, sondern praxiserprobte Konzepte.
Dieses Konzept würde unser Bildungssystem gerechter machen und uns gleichzeitig auch wirtschaftlich helfen. Wir müssen das Potential jedes Kindes bestmöglich fördern. Das ist gut für das Kind und für das Land, denn nur mit hochgebildeten Menschen kommen wir weiter.
Gerne beantworte ich weitere Fragen.
Mit grünen Grüßen
Henning Schürig