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Helga Kühn-Mengel
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Frage von Hartmut K. •

Frage an Helga Kühn-Mengel von Hartmut K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel,

ich hätte im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Patientenbeauftragte der Bundesregierung einige Fragen an Sie, die Sie vielleicht beantworten können.

1. Ich wollte bei meinem Hausarzt ein Attest augestellt bekommen. Der Arzt unternahm an mir keine einzige Untersuchung, sondern schaute mich nur an und fragte, ob es mir gut ginge. Als ich die Frage mit „ja“ beantwortete, erhielt das Attest.

Finden Sie dies ausreichend und in Ordnung?

2. Warum gehen bei vielen Ärzten die Termine aus aber nie die Quittungsblöcke für die 10,00 € „Praxisgebühr“?

3. Welche Rechter, Pflichten, Aufgaben und Befugnisse haben Sie als Patientenbeauftragte?
Wo finde darüber Informationen?

3. Welche Erfahrungen machen Sie persönlich in Bezug auf das Gesundheitssystem in Deutschland?

4. Was müsste sich grundlegend ändern Ihrer Meinung nach?

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Kiele

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kiele,

Ihre Anfrage ist im Abgeordnetenbüro von Frau Kühn-Mengel eingegangen.
Zuständigkeitshalber wurde sie in die Geschäftsstelle der Patientenbeauftragten der Bundesregierung weitergeleitet. Sobald eine Antwort vorliegt, wird sie auch hier eingestellt. Bei Rückfragen können Sie sich auch direkt dorthin wenden:
Telefon: 030/184413421
Fax: 030/184413422
Mail: info@patientenbeauftragte.de

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Gerald Müller, Mitarbeiter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kiele,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom 4. Juli 2008.

Sie schreiben, dass Sie bei Ihrem Hausarzt waren und dieser Ihnen ein Attest ausstellte, ohne Sie untersucht zu haben. Sie möchten nun wissen, wie ich das Verhalten des Arztes beurteile.

Gerne möchte ich Ihnen zunächst die folgenden Informationen geben:

Die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer enthält grundsätzliche Verhaltensregeln für den Umgang mit Patientinnen und Patienten, die ich hier gerne einmal im Wortlaut zitieren möchte:

"C. Verhaltensregeln
(Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung)
Nr. 1 Umgang mit Patientinnen und Patienten
Eine korrekte ärztliche Berufsausübung verlangt, dass Ärztinnen und Ärzte beim Umgang mit Patientinnen und Patienten
- ihre Würde und ihr Selbstbestimmungsrecht respektieren,
- ihre Privatsphäre achten,
- über die beabsichtigte Diagnostik und Therapie, ggf. über ihre Alternativen und über ihre Beurteilung des Gesundheitszustandes in für die Patientinnen und Patienten verständlicher und angemessener Weise informieren und insbesondere auch das Recht, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, respektieren,
- Rücksicht auf die Situation der Patientinnen und Patienten nehmen,
- auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich und korrekt bleiben,
- den Mitteilungen der Patientinnen und Patienten gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringen und einer Patientenkritik sachlich begegnen."

Die Musterberufsordnung formuliert in dieser Norm Grundregeln für einen menschlichen Umgang miteinander, die nicht nur im Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten selbstverständlich sein sollten. Auf eines der Kriterien möchte ich besonders hinweisen: Ärzte müssen beim Umgang mit Patientinnen und Patienten Rücksicht auf deren Situation nehmen.

Patientinnen und Patienten suchen bei Ärztinnen und Ärzten Hilfe. Ihnen fehlen dabei in aller Regel die medizinischen Fachkenntnisse. Das macht sie gegenüber Ärztinnen und Ärzten besonders schutzbedürftig. Es ist daher wichtig, ihrer schwächeren Position Rechnung zu tragen, um das für eine erfolgreiche Behandlung notwendige Vertrauensverhältnis herzustellen. Ärzte sind demnach nicht die Autorität im weißen Kittel, dessen Anordnungen Patienten blindlings folgen müssen. Bedauerlicherweise arbeiten jedoch noch nicht alle Ärzte nach dem Prinzip der gleichen Augenhöhe.

Wie ich Ihren Ausführungen entnehme, war vermutlich eine unzureichende Kommunikation zwischen Ihnen und dem Arzt ursächlich für die von Ihnen beschriebene unschöne Situation. Zum Thema Stil, Umgang und Kommunikation von Ärzten aber auch Pflegenden, Krankenkassenmitarbeitern und anderen Beteiligten im Gesundheitswesen erhalte ich immer wieder Anfragen.

Einen guten Arzt zeichnet neben einem aktuellen medizinischen Wissensstand und einer guten Praxisorganisation die partnerschaftliche und vertrauensvolle Verständigung mit den Patientinnen und Patienten aus. Dazu gehört es auch, dass Ärzte ihren Patienten die Behandlung erklären und sie in Entscheidungen einbeziehen.

Ärzte sind hingegen nicht die Autorität im weißen Kittel, dessen Anordnungen Patienten blindlings folgen müssen. Bedauerlicherweise arbeiten jedoch noch nicht alle Ärzte nach dem Prinzip der gleichen Augenhöhe. Dies wurde auch durch die 6-Länderstudie des Commonwealth Fund (CWF) bestätigt, die für Deutschland u.a. Folgendes attestiert:

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient sei eindeutig eine der Schwachstellen im deutschen Gesundheitswesen – mit zum Teil nicht unerheblichen Folgen für die Patientensicherheit.

- Die Mehrheit (61 %) der deutschen Patientinnen und Patienten gibt an, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin sie nicht immer über Behandlungsalternativen aufklärt und nach ihrer Meinung fragt.
- Dass ihr Arzt oder ihre Ärztin die Behandlungsziele selten oder nie erklärt, sagen 46 % der Befragten.
- 23 % der Deutschen geben an, widersprüchliche Informationen von verschiedenen Ärzten oder anderen im Gesundheitswesen Beschäftigten erhalten zu haben.
- Kranke Menschen in Deutschland (38 %) berichten häufiger darüber, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin sie selten oder nie über Nebenwirkungen der von ihnen eingenommenen Medikamente aufgeklärt hat.
- Jeder Fünfte (20 %) in Deutschland gibt an, dass bei ihm Ärzte einen überflüssigen diagnostischen Test angeordnet haben, da dieser Test bereits anderswo durchgeführt worden ist.
- Insgesamt berichten 40 % der deutschen Patientinnen und Patienten über Koordinationsprobleme zwischen verschiedenen medizinischen Leistungsebenen.
- Mehr als die Hälfte (60 %) deutscher stationär behandelter Patientinnen und Patienten berichtet über eine schlechte Koordination bei der Entlassung aus dem Krankenhaus.

Diese Erkenntnisse zeigen, dass es im Verhältnis Arzt-Patient noch Optimierungsbedarf gibt. Gerne möchte ich Ihnen einiges zum Thema der Qualitätssicherung erläutern. Die gesetzliche Verpflichtung zur Beteiligung an Maßnahmen der Qualitätssicherung in der medizinischen Versorgung ist seit 1989 im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verankert.

Mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 und dem Gesundheits-Modernisierungsgesetz in 2004 wurden wichtige Voraussetzungen geschaffen, die Qualitätssicherung flächendeckend und effektiv zum Wohle der Patientinnen und Patienten voranzubringen. Dafür habe ich mich immer eingesetzt.

Für alle Leistungserbringer in der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung besteht ein gesetzliches Gebot zur Qualitätssicherung, das ihnen die Verantwortung für die Qualität ihrer Leistungen ausdrücklich überträgt. Die Vertragsärzte, Krankenhäuser sowie ambulante und stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sind gesetzlich zur Einführung eines internen Qualitätsmanagements verpflichtet. Damit wird auch in Deutschland eine Entwicklung gestärkt, die in anderen Ländern seit vielen Jahren mit positiven Ergebnissen zu beobachten ist.

Zu dieser internen Qualitätssicherung kommt eine externe Qualitätssicherung hinzu, um die Qualität auch im Vergleich mit anderen beurteilen und mögliche Qualitätsdefizite erkennen und abstellen zu können. Der Gemeinsame Bundesausschuss, ein Organ der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern, in dem auch Patientenvertreter ein Mitspracherecht haben, entwickelt für den ambulanten und stationären Bereich jeweils die Kriterien, mit denen die Qualität der Versorgung prozess- und ergebnisorientiert gemessen werden kann.

Allein aus berufsrechtlichen Gründen ist jeder Arzt verpflichtet, seine Leistungen in möglichst guter Qualität zu erbringen. Es ist generell Aufgabe der Selbstverwaltungsgremien (Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und Ärztekammern), darüber zu wachen, dass die Bestimmungen des Berufsrechtes und die Regelungen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch beachtet werden.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, die über unterschiedliche Methoden zu mehr Qualität in der medizinischen Versorgung führen sollen. Mit den gesetzlichen Regelungen wird jedoch nur der Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen der Gemeinsame Bundesausschuss Qualitätssicherungsverfahren einzuführen hat. Dabei sind die verpflichtenden Maßnahmen sowie die qualitativen Anforderungen zu bestimmen.

Zur Unterstützung der an der Qualitätssicherung beteiligten Institutionen und zur Initiierung von Maßnahmen der Qualitätssicherung hat das Bundesministerium für Gesundheit seit 1991 das Modellprogramm „Förderung der medizinischen Qualitätssicherung“ aufgelegt. Ziel ist es, Qualitätssicherungsmaßnahmen in unmittelbar patientenbezogenen Leistungsbereichen der ambulanten und stationären Versorgung zu erproben, die anschließend in die Regelversorgung übernommen werden können.

Ein weiterer Förderschwerpunkt „Benchmarking“ (was "Lernen von den Besten" bedeutet) entwickelt und erprobt innovative Maßnahmen zur Verbesserung der Ergebnisqualität der Versorgung. Anhand von Vergleichen der eigenen Versorgungsergebnisse mit den Ergebnissen anderer Einrichtungen auf der Basis festgelegter Maßstäbe soll den Beteiligten eine Beurteilung der eigenen Stärken und Schwächen ermöglicht werden. Es wirken sowohl ambulante wie stationäre Einrichtungen mit. Nähere Informationen sind über die Hompage www.lernen-vom-besten.de abrufbar.

Durch den Förderschwerpunkt „Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wurden die Möglichkeiten der Patientenbeteiligung in einem wesentlichen Bereich ergänzt. Er setzte beim individuellen Arzt-Patienten-Verhältnis an, also bei der Behandlung der Krankheit jedes Einzelnen, wo sich alle Fortschritte in der Patientenorientierung letztendlich niederschlagen. In zehn von 2001 bis 2004 geförderten Projekten wurde konkret erprobt, wie eine partnerschaftliche Entscheidung von Patient und Arzt über Behandlungsmöglichkeiten realisiert werden kann.

Der Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Gesundheit „Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“ hat zum Beispiel ergeben, dass Patientinnen und Patienten aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen werden. Die Mehrheit, zwischen 80 und 90 Prozent von ihnen, wollen ausführlich über ihre Behandlung informiert werden – und zwar auch über Risiken und Nebenwirkungen oder schlechte Prognosen. Über 70 Prozent der Patientinnen und Patienten möchten alleine oder mit dem Arzt gemeinsam entscheiden.

Und eines der Ergebnisse war auch, dass die partnerschaftliche Entscheidung von Arzt und Patient gemeinsam zu einer aktiveren Krankheitsbewältigung und zu nachweislich besseren Behandlungsergebnissen führt.

Sehr geehrter Herr Kiele, bitte haben Sie Verständnis, dass ich von dieser Stelle aus keine Stellungnahme zu medizinischen Fragestellungen abgeben kann und darf. Auch das Verhalten des Arztes kann ich von hier nicht beurteilen.

Nach diesen ausführlichen Erläuterungen möchte ich noch darauf hinweisen, dass Sie sich mit einer Beschwerde über einen Arzt, auch an die jeweilige Ärztekammer des Bundeslandes wenden können, in dem der Arzt seinen Beruf aufübt.

Für Groß Machnow könnten Sie sich an folgende Anschrift wenden:

Landesärztekammer Brandenburg
Gregor-Mendel-Straße 10/11
14469 Potsdam
Telefon: 0331 / 2868 - 0
Telefax: 0331 / 2868 - 175

Sie möchten außerdem mehr über das Amt der Patientenbeauftragten mit seinen Aufgaben und Befugnissen erfahren. Gerne komme ich dieser Bitte nach:

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2004 das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für die Patientinnen und Patienten geschaffen.

Die gesetzliche Grundlage für das Amt der Patientenbeauftragten findet sich in § 140h des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Die Aufgabe der Beauftragten ist es darauf hinzuwirken, dass die Belange von Patientinnen und Patienten besonders hinsichtlich ihrer Rechte auf umfassende und unabhängige Beratung und objektive Information durch Leistungserbringer, Kostenträger und Behörden im Gesundheitswesen und auf die Beteiligung bei Fragen der Sicherstellung der medizinischen Versorgung, berücksichtigt werden. Dabei setzt sie sich dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Frauen und Männern beachtet und in der medizinischen Versorgung sowie in der Forschung geschlechtsspezifische Aspekte, berücksichtigt werden.

Die Beauftragte ist damit Ansprechpartnerin für Patientinnen und Patienten und vertritt ihre Anliegen im politischen Raum, in Gremien, auf Veranstaltungen und in der Öffentlichkeit. Im Rahmen ihres Amtes wurden bisher von Patientinnen und Patienten, Bürgerinnen und Bürger per Telefon, E-Mail und Brief etwa 75.000 Anfragen an sie herangetragen; diese Petitionen wurden in der Geschäftsstelle der Beauftragten ausgewertet und beantwortet.

Bei der Beantwortung der Anfragen informiert die Beauftragte Patientinnen und Patienten über Regelungen des Gesundheitswesens und zeigt, soweit das möglich ist, konkrete Handlungsmöglichkeiten und/oder Ansprechpartner auf. Für Patientinnen und Patienten sind diese Informationen wichtig, weil sie sie in die Lage versetzen, im Gesundheitswesen als selbstbewusste Partnerinnen und Partner aufzutreten.

Die an die Beauftragte gerichteten Anfragen werden darüber hinaus systematisch ausgewertet und evaluiert. Sie dienen so dazu, im Gesundheitssystem bestehenden Handlungsbedarf im Hinblick auf die Stärkung und Weiterentwicklung von Patientenschutz und Patientenrechten zu identifizieren.

Selbstverständlich besteht auch für die Zukunft noch Bedarf beim Ausbau und bei der Stärkung der Patientenrechte. Das wichtigste Projekt der Beauftragten ist derzeit die Erarbeitung eines Patientenrechtegesetzes.

Die an die Beauftragte gerichteten Anfragen zeigen ebenso wie die Expertisen von Sachverständigen, dass Patientinnen und Patienten häufig in der Praxis auf ganz erhebliche Widerstände stoßen, wenn sie versuchen, ihre Interessen gegenüber Ärztinnen und Ärzten, Kliniken oder Krankenkassen durchzusetzen. Dabei stehen Patientinnen und Patienten durchaus eine Reihe von Rechten zu. Häufig sind sie nicht als direkter Anspruch des Patienten gegen seinen behandelnden Arzt formuliert und teilweise werden Patientenrechte auch nur durch die Rechtsprechung definiert.

Die Beauftragte wurde daher gebeten, mit einer parlamentarischen Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Experten und Patientenorganisationen, die Inhalte für ein Patientenrechtegesetz zu erarbeiten. Die Erfahrungen, die der Beauftragten von der Selbsthilfe mitgeteilt wurden, leisten auch hierbei einen wertvollen Beitrag.

Abschließend kann ich Ihnen versichern, dass die an mich gerichteten Einzelfragen, aber auch allgemeine Stellungnahmen, sorgfältig gelesen und ausgewertet werden. Sie tragen dazu bei, Probleme zu erkennen und fließen, soweit sie verwertbare Hinweise für die Entwicklung des Krankenversicherungsrechts enthalten, in die Gesetzgebung ein.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte. Für Ihre persönliche Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen

Helga Kühn-Mengel, MdB