Frage an Guido Westerwelle von Frank D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Westerwelle,
die Anträge 16/6714 "Biotechnologische Innovationen im Interesse von Verbrauchern und Landwirten weltweit nutzen - Biotechnologie ein Instrument zur Bekämpfung von Armut und Hunger in Entwicklungsländern" und 16/8540 "Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft" der FDP Fraktion im Deutschen Bundestag beinhalten beide die Befürwortung des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in der Landwirtschaft.
Hierzu habe ich einige Fragen:
1. Welche Gefährdung geht von GVO, die in die Nahrungskette eingefügt werden, für den Verbraucher aus? Welche vergleichenden wissenschaftlichen Langzeitfeldstudien sind Ihnen und Ihrer Fraktion zu diesem Thema bekannt? Über welchen Zeitraum wurde die Wirkungen der GVO mit herkömmlichen und/oder ökologischen Nahrungsmitteln in diesen Studien verglichen, wer waren die Auftraggeber der Studien und was sind die Ergebnisse dieser Studien?
2. Inwiefern wurde der Einfluss von GVO auf das Ökosystem untersucht? Welche Folgen sind zu erwarten? Mit welchen Fristen ist zu rechnen bis sogenannte "Schadinsekten" Resistenzen entwickeln, ähnlich wie Krankeheitserreger beim Zusatz von Antibiotika in Tierfutter?
3. Welchen Modus der Schadensregulierung strebt die FDP Fraktion an, falls sich eines Tages herausstellt, dass sich durch zunächst für ungefährlich erachtete GVO Schäden an der Gesundheit des Verbrauchers oder am Ökosystem ergeben haben?
4. Wie gedenkt die FDP Fraktion mittelständische landwirtschaftliche Betriebe, die sich dem ökologischen Landbau verschrieben haben, vor der Verunreinigung ihrer Produkte (beispielsweise durch Pollenflug) von GVO zu schützen? Welche Lösungsansätze gibt es damit die FREIHEIT der einen hier nicht die UNFREIHEIT der anderen bedeutet, und so der Markt FÜR ALLE (!) LIBERAL gestaltet werden kann?
Ich erwarte Ihre Stellungnahme ungeduldig und danke Ihnen für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Dyczka
Sehr geehrter Herr Dyczka,
Hintergrund Ihrer Fragen ist die Debatte über die Chancen und Risiken der gentechnischen Züchtungsmethode. Die FDP beschäftigt sich seit mehreren Jahren sehr grundsätzlich mit dieser Thematik. Wir sind auf Grund zahlreicher wissenschaftlicher Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die konkreten Chancen deutlich die rein theoretischen Risiken überwiegen. Diese Haltung spiegelt sich in unseren von Ihnen genannten Anträgen wider, zu denen ich Ihnen gern weitere Informationen unserer Sprecherin für Ländliche Räume und nachwachsende Rohstoffe, Frau Dr. Christel Happach-Kasan, MdB übermittle.
Ich setze auf Ihre Unterstützung für unseren Kurs.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Guido Westerwelle, MdB
Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
Bundesvorsitzender der FDP
Zu 1.
Seit elf Jahren werden Lebens- und Futtermittel, hergestellt aus gentechnisch veränderten Pflanzen genutzt. Es sind in den vergangenen elf Jahren weltweit keine Fälle bekannt geworden, die eine gesundheitliche Gefährdung von Mensch oder Tier durch den Verzehr solcher Produkte auch nur vermuten lassen. Das bedeutet, dass die Verfahren zur Zulassung von gentechnisch veränderten Sorten ein sehr hohes Maß an Sicherheit gewährleisten. Das ist gut, denn wir wollen, dass die Menschen Vertrauen haben zu dem, was sie essen.
Gentechnisch veränderte Futtermittel werden inzwischen länger verfüttert, als es der Lebensdauer unserer Haustiere entspricht. Es sind dabei keine Probleme aufgetreten. Langzeitfütterungsversuche sind uns nicht bekannt. Welchen Sinn sollten sie haben? Niemand bringt sein funktionstüchtiges Auto, das eine TÜV-Plakette hat, in die Werkstatt.
Bundesweit ist der Fall des Landwirts Gottfried Glöckner aus Hessen bekannt geworden. Er hatte vermutet, dass der Tod seiner Kühe im Zusammenhang mit der Verfütterung von Bt-Mais stünde. Bt-Mais ist eine gentechnisch veränderte Maissorte, die gegen ein Schadinsekt resistent ist. Die Untersuchungen des Robert Koch Instituts haben gezeigt, dass dies nicht zutrifft. Ursache des Todes der Kühe ist eine völlig falsche Fütterung gewesen, nicht jedoch der verfütterte Bt-Mais. Der Fall ist auf der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderten Internetseite www.biosicherheit.de ausführlich dokumentiert.
Die gentechnische Züchtungsmethode findet Anwendung:
1. Bei der Produktion von Arzneimitteln. 98 Wirkstoffe werden mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen produziert, bekanntestes Beispiel ist das Humaninsulin.
2. Bei der Produktion von Enzymen. Beispiel: Chymosin für die Käseproduktion, Vitaminen wie Vitamin B 12, Vitamin B2, Vitamin C, Aminosäuren sowie weiteren Futtermittelzusatzstoffen für die Tierhaltung.
3. Bei der Züchtung von landwirtschaftlich genutzten Pflanzen wie Soja, Mais, Baumwolle. Seit elf Jahren werden gentechnisch veränderte Pflanzen auf inzwischen weltweit 114 Millionen Hektar (die dreifache Fläche von Deutschland) angebaut.
Bereits 1982 wurde Humaninsulin, hergestellt mit gentechnisch veränderten Bakterien, in Deutschland zugelassen. Die Produktion konnte auf Grund von politischen Widerständen erst 1999 aufgenommen werden. Der Streit um die Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen in der Arzneimittelproduktion hat dazu geführt, dass Deutschland seine weltweit führende Position in der Arzneimittelforschung und Produktion verloren hat.
Anfang der neunziger Jahre wurde am Wissenschaftszentrum in Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. van den Daele eine Technikfolgenabschätzung für gentechnisch veränderte Pflanzen durchgeführt, die zum Ergebnis hatte, dass die Eigenschaften von gentechnisch veränderten Pflanzen für ihre Zulassung entscheidend seien, die Züchtungsmethode keinen entscheidenden Einfluss habe.
Zu 2.
Auf der oben genannten Internetseite www.biosicherheit.de werden die in Deutschland von verschiedenen Institutionen durchgeführten Untersuchungen zur biologischen Sicherheit des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen dokumentiert. Zahlreiche Untersuchungen befassen sich mit dem Anbau von Bt-Mais, da in Deutschland nur der Anbau von gentechnisch verändertem Mais von Bedeutung ist.
In einem Langzeitversuch, der über vier Jahre an fünf Standorten in Bayern
durchgeführt wurde, wurde die Wirkung des Anbaus von Bt-Mais auf sogenannte
„Nicht-Ziel-Organismen“ untersucht. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die
Bekämpfung des Maiszünslers durch den Anbau von Bt-Mais naturverträglicher
ist als seine Bekämpfung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Saatgutfirmen haben ebenso wie Landwirte, die Bt-Mais anbauen, ein großes Interesse daran, dass der Maiszünsler keine Resistenzen gegen den Bt-Wirkstoff entwickelt. Es wurden daher Regeln für ein Resistenzmanagement erarbeitet. Diese besagen, dass ab einer Anbaufläche von 5 Hektar eine Refugienfläche für den Maiszünsler angelegt werden soll, auf der nicht-resistente Maissorten angebaut werden. Die Refugienflächen sollten 20% der Anbaufläche des Bt-Maises betragen. In der Regel dient die Mantelsaat als Refugienfläche. In den Refugien vermehren sich Bt-empfindliche Maiszünsler. Sollte es zur Resistenzbildung kommen, dies wird nur in Einzelfällen der Fall sein, kreuzen sich diese Maiszünsler mit den Bt-empfindlichen Maiszünslern der Refugienfläche. Ihre Nachkommen werden daher wieder Bt-empfindlich sein.
Zu 3.
Angesichts der sehr langen Erfahrung mit der gentechnischen Züchtungsmethode sind die von Ihnen beschriebenen Spätschäden nicht zu erwarten. Für den finanziellen Ausgleich von Spätschäden, die durch Anbau und Verzehr von GVO entstanden sind, gelten dieselben Regeln, wie für Spätschäden, die durch Anbau und Verzehr von Sorten entstanden sind, die mit der Methode der Mutationszüchtung gezüchtet wurden. Bei der Mutationszüchtung werden Pflanzenzellen durch mutagene Substanzen dazu angeregt, Mutationen zu bilden. Beide Züchtungsmethoden vergrößern die Menge für die Züchtung nutzbarer Gene. Der finanzielle Ausgleich solcher hypothetischer Spätschäden unterliegt den bestehenden gesetzlichen Regeln.
Zu 4.
Die EU hat die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Koexistenz zu organisieren zwischen dem Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und dem Anbau von herkömmlich gezüchteten Organismen. Es ist bekannt, welche Abstände einzuhalten sind. Weiter hat die EU in einer Verordnung festgelegt, dass ab einem Gehalt von 0,9 % an zufällig und technisch nicht vermeidbaren Beimengungen von GVO ein Produkt gekennzeichnet werden muss. Dies gilt für alle landwirtschaftlichen Produkte, auch für die des Ökolandbaus. Es ist nicht zu erkennen, dass der Ökolandbau durch den Anbau von Bt-Mais in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Der in diesem Jahr von der Bundesregierung vorgelegte „Dritte Bericht über die Erfahrungen mit dem Gentechnik-Gesetz“ führt auf Seite 72 aus, dass der Bundesregierung keine Verfahren bekannt geworden sind, „in denen auf die Vorschriften des Gentechnikgesetzes gestützte Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden wären".
Dr. Christel Happach-Kasan, MdB
Sprecherin für Ländliche Räume und nachwachsende Rohstoffe
der FDP-Bundestagsfraktion