Frage an Günter Krings von Christian H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Dr. Krings,
in den letzten Jahren sind die Probleme von Jungen im Schul- und Bildungswesen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Zahlreiche Berichte in den Medien und eine ganze Reihe von Büchern (wie z.B. „Rettet unsere Söhne“) greifen das Thema auf.
Seit Ende 2007 eine vom Bundesbildungsministerium veröffentlichte Studie eindeutig die schulische Benachteiligung von Jungen belegte (im Schnitt schlechtere Noten für gleiche Leistungen, seltenere Empfehlung zum Besuch von Gymnasien als bei Mädchen), sollte das Problem auch in der Politik allgemein bekannt sein.
Von konkreten Schritten zur Behebung der Bildungsmisere von Jungen seitens der Politik konnte bislang jedoch noch nicht die Rede sein, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. So wird der Girls’ Day, obwohl nachweisbar erfolglos und sogar kontraproduktiv, weiterhin üppig mit Steuermillionen gefördert. Projekte, die die Zukunftsaussichten von Jungen verbessern helfen, sucht man hingegen vergeblich; oft laufen sie nicht auf die Förderung von Jungen heraus, sondern auf deren Umerziehung („Neue Wege für Jungs“).
Angesichts dieser Misere interessiert es mich, wie Sie das Problem beurteilen und welche Maßnahmen Sie befürworten, um die Jungenmisere zu beheben. Konkret gefragt:
1. Sind Sie der Ansicht, dass die Politik mehr für die schulische Förderung von Jungen tun muss, oder sehen Sie hier keinen Handlungsbedarf?
2. Falls Sie für verstärkte Jungenförderung eintreten: Welche konkreten Schritte würden Sie und Ihre Partei in die Wege leiten, damit Jungen im Bildungssystem bessere Erfolgschancen bekommen – natürlich ohne dabei wiederum die Mädchen zu benachteiligen?
Für die Beantwortung meiner Frage danke ich Ihnen im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Heier
Sehr geehrter Herr Heier,
herzlichen Dank für die Zusendung Ihrer Fragen.
Mit der schulischen Bildung sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Sicherlich muss es zunächst Ziel sein, jedes Kind individuell und schulisch in seiner Entwicklung bestmöglich zu fördern, unabhängig vom Geschlecht oder der finanziellen Lage. Die CDU will daher bis 2015 gesamtstaatlich zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung investieren. Deutschland soll Bildungsrepublik werden.
Ich stimme mit Ihnen aber auch darin überein, dass Handlungsbedarf in der Neuausrichtung der Gleichstellungspolitik besteht. Jungen und Mädchen muss gerade in Zeiten aufbrechender Rollenbilder sowohl die Identitätsbildung als auch ein erfolgreicher beruflicher Werdegang mit ermöglicht werden.
Dieser Handlungsbedarf ist auch von der Bundesregierung und dem BMFSFJ unter Ursula von der Leyen erkannt worden und die Perspektiven von Jungen sind in das Blickfeld gerückt. Dies ist sicherlich noch in der Entwicklung begriffen. Ich denke aber, dass das von Ihnen genannte Pilotprojekt „Neue Wege für Jungs“ dabei ein guter Anfang ist, dem inhaltlich weitere Schwerpunkte folgen müssen.
Zu befürworten sind daher Forschungsaufträge, die der Frage nachgehen, welche konkreten Maßnahmen zur Jungenförderung sinnvoll sind. So muss beispielsweise geklärt werden, inwieweit sich ein inhaltlicher Zusammenhang im Bildungswettstreit zwischen Jungen und Mädchen auch auf fehlende männliche Identifikationspersonen zurückführen lässt. Gerade in Grundschulen gibt es weniger männliche Lehrer. Männer als Fachkräfte für die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern müssen auch und verstärkt angeworben werden.
Die Ausgestaltung der Bildungspläne liegt dennoch im Kompetenzbereich der Länder. Als ein Beispiel möchte ich hier Nordrhein-Westfalen nennen: Von den Koalitionsfraktionen der CDU und FDP wurde bereits 2007 ein Antrag eingereicht, welcher unter dem Titel „Jungen fördern –ohne Mädchen zu benachteiligen. Durch individuelle Förderung die Geschlechtergerechtigkeit in den Schulen weiter verbessern“ ein ganzes Maßnahmenbündel zur gezielten Jungenförderung vorsieht.
So könnte es eine sinnvolle Maßnahme sein, zeitweise bestimmte Fächer getrennt zu unterrichten, um auf spezielle Lernbedürfnisse von Jungen und Mädchen einzugehen, etwa in Informatik, Sport oder Sexualkunde. Unterschiedliches Lernverhalten ließe sich so eventuell besser berücksichtigen.
Diese Option wird auch von der CDU/CSU- Fraktion vertreten und ist von der Bundesbildungsministerin Annette Schavan beim Bildungsgipfel im Oktober 2008 als nützlich benannt worden, um den Schulerfolg von Jungen gezielter zu fördern.
Konkrete Maßnahmen müssen natürlich durch die entsprechenden Landesgesetzgeber in den Schulgesetzen verankert werden. Ich halte als Mitglied des Bundestages und der CDU/CSU die gezielte Förderung auch von Jungen für wünschenswert und will mich in der bundespolitischen Debatte gern dafür einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günter Krings