Frage an Gregor Gysi von Stefan M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
zur Neuregelung des Elternunterhaltes habe ich eine Frage.
Es gibt einen Gesetzesentwurf, wonach Kinder pflegebedürftiger Eltern erst ab einem Bruttoeinkommen von 100 T€ zum Unterhalt herangezogen werden.
Hier werden Beamte stark bevorzugt und der überwiegende Teil der Beamten fallen raus, die angestellten Geschwister müssen bezahlen.
Ein Beamter mit A 16 hat ca. 5.300,00 € Netto.
Ein Angestelllter mit 101 T€ Jahresbrutto hat monatlich ca. 4.700,00 €
Der Beamte zahlt nichts ( weil Beamter nun einmal ein geringeres Brutto haben)
Der Angestellt zahlt voll
Wenn dies sogar 2 zerstrittene Geschwister sind, herscht noch mehr sozialer Unfrieden.
Für mich ist es völlig unbegreiflich, wie man die Berufsgruppe der Beamte so enorm bevorteilt.
Wie sehen Sie das? Kann man da noch Einfluss nehmen? Sehen Sie das auch so und ich habe etwas übersehen?
Ich freue mich auf eine Antwort und bedanke mich im voraus.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Initiative, gemeinsam politisch nachzudenken.
DIE LINKE begrüßte die Regelung im Koalitionsvertrag, die Einkommensgrenze für den Elternunterhalt von Kindern pflegebedürftiger Eltern anzuheben. Wir halten diesen Schritt für überfällig und haben mit Anfragen von Abgeordneten an die Bundesregierung versucht, den Gesetzgebungsprozess voranzutreiben.
Inzwischen werden entsprechende Vorschläge der Bundesregierung diskutiert. In ihrem Gesetzentwurf soll die 100.000-Euro-Grenze für alle Unterhaltsleistungen im Rahmen des SGB XII gelten. Das halten wir für einen Fortschritt.
Grundsätzlich bleibt für uns der Elternunterhalt jedoch ungerecht. Er trifft nicht die Kinder aus vermögenden Elternhäusern, denn ihre Eltern werden kaum bedürftig. Im Gegenteil, sie hinterlassen ihren Kindern oft hohe Vermögen. Er trifft nicht die Kinder von Beamten, denn Beamte können kaum bedürftig werden. Er trifft oft nur Kinder in sogenannten Normalverdienerverhältnissen.
Es stimmt, dass sich die geplante Grenzziehung von 100.000 Euro im Gesetzentwurf auf das steuerrechtliche Einkommen nach §16 SGB IV, also letztlich auf das Bruttoeinkommen bezieht. Damit würde sich die von Ihnen angesprochene Besserstellung der Beamten hier auswirken. Im geltenden Unterhaltsrecht ist jedoch die Bezugsgröße das Nettoeinkommen aller Kinder zusammen. Wir werden dieser möglichen Diskrepanz nachgehen, wobei Kinder von Beamten - wie geschrieben - mangels Bedürftigkeit der Eltern ohnehin kaum herangezogen werden.
Im Rahmen des Unterhaltsrechts wird sich die Besserstellung von Beamten allerdings kaum ändern lassen. Für mehr soziale Gerechtigkeit zwischen Beamten und regulär Beschäftigten braucht es grundlegende sozialrechtliche Regelungen. Wir wollen deshalb, dass Beamte - und auch Abgeordnete - in die Soziale Pflegeversicherung einzahlen, und zwar aus allen ihren Einkommen, auch Kapitaleinnahmen. So wird die Finanzierungsbasis der Pflegeversicherung nicht nur gerechter, sondern auch breiter. Dann können mehr und bessere Leistungen durch die Pflegeversicherung finanziert werden. Das senkt die Kostenbelastung für die Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien. Dann wird Sozialhilfe weniger oder gar nicht mehr nötig sein. Wir wollen auch, dass alle in die Rentenversicherung einzahlen und sich das Rentenniveau wieder spürbar erhöht. DIE LINKE will verhindern, dass Menschen überhaupt zum Sozialamt gehen müssen, wenn sie Pflegeleistungen brauchen. Das heißt, die Pflegeversicherung soll alle pflegebedingten Kosten finanzieren und als Vollversicherung ausgestaltet werden.
Deshalb hat unsere Fraktion bereits im März 2018 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um die Eigenanteile in Pflegeheimen zu senken. Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. Außerdem wollen wir die Investitionskostenanteile und die Ausbildungszuschläge reduzieren und dafür Steuermittel verwenden.
Wir nehmen Ihren Brief auch zum Anlass, im Gesetzesverfahren zum Unterhaltsrecht für Regelungen zu streiten, die Beamte nicht besser stellen als Familienangehörige, die nicht verbeamtet sind. Das Unterhaltsrecht ist nach unserer Auffassung außerdem viel zu kompliziert und muss dringend vereinfacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi