Frage an Gregor Gysi von Volker H. S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
die offiziellen Stellen geben hier
http://www.bfr.bund.de/cm/343/ausgewaehlte-fragen-und-antworten-zu-vitamin-d.pdf
Empfehlungen, die in eklatantem Widerspruch zur aktuellen Forschungslage stehen.
Bei pubmed ca 64.000 Forschungstudien - http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=vitamin+d
Im Juli in Deutschland bildet ein junger Mensch mit Ganzkörperexposition ohne Verwendung einer Sonnenschutzcreme zwischen 10.000 I.E und 20.000 I. E. in der ersten halben Stunde. Ein Mensch älter als 60 Lebensjahre ca. 2.500 bis 5000 I.E. Ab einem Lichtschutzfaktor 8 in einer Creme wird praktisch über die Haut kein Vitamin D mehr gebildet. Die Annahme, Vitamin D würde wegen seiner Fettlöslichkeit im Fettgewebe gespeichert und würde dann im Winter zur Verfügung stehen, hat sich als falsch herausgestellt.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24067385
Vitamin D steht nur im Rahmen seiner Halbwertzeiten bei Cholecalciferol, Calcidiol und Calcitriol zur Verfügung. Von Oktober bis März (Ausnahme Hochgebirgslagen) bildet niemand in Deutschland Vitamin D über die Haut, da dafür ein UV Index < 3 nötig ist. Die ausreichende Versorgung in diesem Halbjahr ist deshalb nur durch Tabletten, Sonnenbank mit UV-B Technologie oder die Einnahme von Lebertran oder die Ernährung möglich. Am besten eignet sich dafür Hering. Um 6.000 I.E. zu erreichen, sind ca. 600 g Hering pro Tag erforderlich.
Nach den vorliegenden Forschungsdaten sterben allein in Deutschland jährlich deutlich mehr als 16.000 Menschen wegen unzureichender Versorgung mit Vitamin D
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=21572875 -
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22343489 -
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=sch%C3%B6ttker+B+vitamin+d+overall+mortality -
Nehmen die Verantwortlichen trotz Kenntnis der pubmed – Forschungslage die Toten bzw. schwer Erkrankten billigend in Kauf ?
Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen
Volker H. Schendel
Isernhagen-Altwarmbüchen
Ministerialrat a.D.
Sehr geehrter Herr Schendel,
vielen Dank für Ihre Frage vom 8. Juli. Ich habe mir erlaubt, Ihr Schreiben an unsere gesundheitspolitischen Sprecher mit der Bitte um Beantwortung weiterzuleiten.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi
Sehr geehrter Herr Schendel,
als Bundestagsfraktion verfolgen wir auch wissenschaftliche Debatten. Allerdings sind wir weder fachlich noch personell in der Lage, systematische Recherchen für eine eigene wissenschaftliche Expertise durchzuführen. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Mehrheit der Bevölkerung keinen Vitamin D-Mangel. Allerdings würden 60% der Bevölkerung das präventive Potenzial von Vitamin D für die Knochengesundheit nicht ausnutzen.
Die erwähnte Untersuchung ist eine prospektive Kohortenstudie und auch bei der verlinkten Metaanalyse wurden ausschließlich Kohortenstudien eingeschlossen. Auch bei gut gemachten Kohortenstudien fehlt die für die Erkennung eines Ursachenzusammenhangs notwendige Randomisierung. Zu viele andere Faktoren könnten eine Korrelation zwischen Vitamin D-Status und Sterblichkeit hervorrufen. Einfaches Beispiel: Vitamin D wird maßgeblich mittels Sonnenlicht selbst gebildet. Wer viel an der Sonne ist, wird sich in der Regel auch mehr bewegen, er atmet mehr frische Luft, hat öfter keine sitzende Tätigkeit, ist seltener krankheits- oder behinderungsbedingt immobil u.s.w. Aus den zitierten Studien kann nicht zwischen Effekten des Vitamin D und den anderen Einflüssen unterschieden werden. Es ist daher nicht möglich, aus den angeführten Untersuchungen darauf zu schließen, dass ein Vitamin D-Mangel für die zitierten Todesfälle verantwortlich ist.
Trotzdem sollte der Zusammenhang weiter erforscht werden und wir nehmen auch zur Kenntnis, dass kontrollierte randomisierte Studien ebenfalls eine mögliche Korrelation zeigten. Sollte sich der Zusammenhang als ursächlich herausstellen, kann aber die Antwort nicht in der flächendeckenden Vitamin D-Substitution bestehen – schon wegen der ebenfalls vorhandenen Gefahr der Überdosierung. Vielmehr müssten die Lebensbedingungen, die uns dazu bringen, uns überwiegend in geschlossenen Räumen aufzuhalten und wenig an der frischen Luft zu sein, auf den Prüfstand. Eine Medikalisierung von präventiv beherrschbaren gesundheitlichen Problemen lehnen ich und DIE LINKE ab. Negative gesundheitliche Auswirkungen von Lebensbedingungen und –weisen, etwa aufgrund von Zwängen in der Arbeitswelt, sollte durch gesundheitsförderliche Gestaltung der Lebenswelten begegnet werden. Weder Appelle an die „Eigenverantwortung“ der Menschen noch eine pharmazeutische Kompensierung führen uns hier zum Ziel.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi