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Gregor Gysi
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Frage von Luise Z. •

Frage an Gregor Gysi von Luise Z. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

Ich denke ich muss Ihnen nicht erklären, dass Massentierhaltung nicht moralisch vertretbar ist. Doch dem Großteil der deutschen Bevölkerung scheint das Wohl der Nutztiere egal.
Dabei kann es doch eigentlich nicht sein, dass ausgerechnet der Mensch, als einziges Lebewesen mit der Fähigkeit moralisch zu denken und zu handeln, seine finanziellen Interessen so gnadenlos über die der Tiere stellt.
Seit Einführung der Massentierhaltung in den 50er Jahren in der BRD als auch der DDR, wurde Fleisch immer billiger und somit verankerte sich das Fleisch als fester Bestandteil unseres täglichen Speiseplans.
Glücklicherweise gibt es immer mehr landwirtschaftliche Betriebe, die auf öko oder Neuland umstellen und auch die dazugehörigen Konsumenten, die das teurere, aber auch besserer, ökologisch und ethisch korrektere Fleisch kaufen.
Trotzdem noch viel zu wenige.
Sicher ist nicht jeder Mensch in der Lage, mehr Geld für Fleisch auszugeben. Aber der Großteil der Konsumenten will einfach nicht mehr bezahlen als er es gewöhnt ist.

In dem Programm der Linken habe ich gelesen, dass Ihre Partei einen "Sozialen und ökologischen Umbau" anstrebt. Ich nehme jetzt ganz stark an, dass dies auch die Umstellung von konventioneller Massentierhaltung, auf tierfreundliche und ökologisch wirtschaftende Betriebe mit einschließt. Damit dies funktioniert, ist allerdings auch eine aktive Beteiligung der Konsumenten in Deutschland notwendig, als nur die reine Gesetzgebung. Sie müssten höhere Preise zu zahlen und damit leben weniger Fleisch zu konsumieren.

Wie glauben Sie, kann man diese Gesellschaft dazu bringen endlich aufzuwachen und zu erkennen, dass Deutschland sich selber mit seiner übermäßigen Fleischfresserei, gepaart mit Geiz bei Lebensmitteln selbst zu Grunde richtet?

Es kann auf Dauer niemals gut gehen, wenn in manchen Wochen ein Ferkel nicht mehr als 1,43€ wert ist und unsere Bevölkerung gleichzeitig immer fetter wird!

Mit freundlichen Grüßen,
Luise Zubek

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Sehr geehrte Frau Zubek,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 17. Mai, die ich zuständigkeitshalber an die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter weitergeleitet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrte Frau Zubek,

vielen Dank für Ihre Frage an Herrn Dr. Gysi auf Abgeordnetenwatch zu agrarpolitischen Positionen der LINKEN. Ich antworte Ihnen als agrarpolitische Sprecherin meiner Fraktion. Bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort, aber eine Erkrankung und die vielen Sitzungswochen ließen die zeitnahe Bearbeitung von Bürgeranfragen, um die wir uns sehr bemühen, leider nicht zu. Zudem gab es zunächst ein Missverständnis in der Zuordnung zur fachpolitisch zuständigen Abgeordneten. Ich hoffe auf Ihr Verständnis.

Dafür möchte ich mich nun umso ausführlicher Ihre Anfrage beantworten.

DIE LINKE. im Bundestag orientiert sich bei ihrer Agrarpolitik an dem von Ihnen beschriebenen Ziel des sozial-ökologischen Umbaus der Gesellschaft. Auf die Äcker, Wiesen, Weiden, Wälder und Höfe heruntergebrochen bedeutet das nicht, dass überall Ökolandbau stattfinden soll, sondern dass wir uns konsequent für die Ökologisierung der (ganzen) Landwirtschaft einsetzen. Das bedeutet neben einer selbstverständlich gewünschten Flächenzunahme ökologisch bewirtschafteter Betriebe eine kontinuierliche Anpassung konventioneller Betriebe an Ressourcen schonende Bewirtschaftungsweisen, an das Schließen regionaler Kreisläufe und die Einbindung und Vernetzung der Betriebe in ländliche Wirtschaft und Gewerbe und das Leben in den Dörfern und kleinen Städten. Hierbei kann von Bio-Betrieben viel gelernt werden, aber auch bei konventionellen Betrieben gibt es viele gute Beispiele.

Solche qualitativen Verbesserungen sind übrigens völlig unabhängig von der Größe des Betriebes machbar. Entscheidend ist, welche sozialen und ökologischen Leistungen der Landwirtschaftsbetrieb neben der Produktion von Lebensmitteln und anderen Agrarrohstoffen erbringt. Das wollen wir übrigens auch im Rahmen der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)nach 2013 stärker berücksichtigen. Unser Konzept zur GAP nach 2013 finden Sie hier:

http://dokumente.linksfraktion.net/pdfdownloads/7791362538.pdf

Damit soll die Agrarförderung Betriebe zielgenauer unterstützen, die mit sozialer und ökologischer Verantwortung die regionale Versorgung mit hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln und Energie sichern.

Wir halten den Begriff "Massentierhaltung" für schwammig weil er suggeriert, es ginge bei Tierschutz- und Umweltproblemen in diesem Bereich ausschließlich um die Anzahl der gehaltenen Nutztiere. Wir als LINKE setzen uns aktuell sehr intensiv damit auseinander, welche Formen der Tierhaltung sozial und ökologisch verantwortbar sind und daher von uns unterstützt werden können. Meiner Meinung nach sollte sich die Bewertung der Tierhaltungsformen an den oben genannten allgemeinen Kriterien für eine nachhaltige Landwirtschaft sowie den regionalen Bedingungen orientieren. Dabei spielt neben den konkreten Haltungsbedingungen der Nutztiere z. B. auch die Frage nach der Herkunft des Futters eine große Rolle oder die Frage der Entsorgung der Gülle und des Mists. Einheimische Futtermittel, möglichst im selben Betrieb produziert, sollten meiner Meinung nach das Ziel sein. Damit könnte gleichzeitig der Raubbau von Regenwald im Süden reduziert und die weitere Zunahme von Gentech-Soja (z.B. in Brasilien) zurückgedrängt werden. Die Reduktion der Transportwege für die Ver- und Entsorgung kann den Klimaschutz unterstützen.

Die Frage der Finanzierbarkeit von Lebensmitteln ist für mich als LINKE selbstverständlich von zentraler Bedeutung. Daher streite ich nicht nur für faire Erzeugerpreise, sondern kämpfe auch dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher genug Geld für eine gesunde Ernährung in der Tasche haben. Dazu kann ein gesetzlicher Mindestlohn und die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze auf eine existenzsichernde Höhe beitragen.

Fest steht für mich, dass abgehobene Verzichtsdebatten bei der Frage des Fleischkonsums nicht Ziel führend sind, auch wenn ich die Diskussion über seine Folgen für wichtig halte. Wir müssen Menschen mit Argumenten überzeugen, dass es in unser aller Interesse ist, in Europa und Nordamerika weniger Fleisch zu konsumieren. Verbraucheraufklärung, Ernährungsunterricht - schon für die ganz Kleinen - und die Rückbesinnung der Tierproduktion auf in Europa machbare Quantitäten geben uns die Möglichkeit, die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen unseres Fleischkonsums im Blick zu behalten und deshalb einzuschränken.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Kirsten Tackmann MdB

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