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Frage von Jannis K. •

Frage an Gregor Gysi von Jannis K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

ich möchte Sie um eine sachkundige Hilfe bezüglich einer Wirtschaftstheorie bitten, die ich nicht ganz einschätzen kann.

Seit einiger Zeit diskutiere ich in einem Schüler-Forum mit anderen Nutzern über wirtschaftliche und politische Fragen. Natürlich waren auch die Steuersenkungspläne dort ein Thema. Dabei sind wir auf eine Wirtschaftstheorie mit Namen "Laffer-Theorem" gestoßen.

Dieser Theorie zufolge, sollen Steuersenkungen bis zu einem gewissen Punkt dem Staat mittelfristig Mehreinnahmen bescheren. Dieser Weg soll über den Mehrkonsum der Bevölkerung und dem damit verbundenen Ausbau der Unternehmen führen. Weil so mehr Leute eingestellt werden, soll der Staat von mehr Leuten Einkommenssteuer erhalten und gleichzeitig weniger Bürgern Sozialhilfe zahlen müssen (weil mehr Menschen Arbeit haben).

Meine Frage an Sie lautet: Ist Ihnen dieses Theorem bekannt? In wie weit ist es in der Praxis anwendbar? Wo liegen die Lücken dieser Theorie, sofern es welche gibt?

Ich wäre Ihnen für eine kurze Einschätzung sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Jannis Krampe

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Sehr geehrter Herr Krampe,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 17. Mai, die ich an Dr. Barbara Höll mit der Bitte um Beantwortung weitergeleitet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Krampe,

gern beantworte ich Ihre Fragen.
Das Laffer-Theorem ist mir bekannt. Es behandelt den Zusammenhang zwischen Steuersätzen und Steuereinnahmen und ist besonders im Theoriebereich der Angebotsökonomik (Angebot schafft sich die Nachfrage), relevant. Inhalt dieses Theorems ist, dass durch Steuersenkungen starke Leistungsanreize geschaffen werden sollen, die letztendlich durch vermehrten Arbeitseinsatz zu einem höheren Wirtschaftswachstum (BIP) führen sollen, dadurch soll sich dann ein höheres Steueraufkommen ergeben.

Das Laffer-Theorem ist durch die Empirie widerlegt worden. Es hat sich gezeigt, dass Steuersenkungen letztendlich nicht zu einem höheren BIP führen, sondern eher zu staatlichen Defiziten führten. Durch Steuerrechtsänderungen verzichtete der deutsche Staat in den letzten 10 Jahren auf rund 300 Mrd. Euro. Ein höheres BIP wurde dadurch nicht erreicht, lediglich die Einnahmen der öffentlichen Haushalte litten darunter. Eine Studie zur Steuerschätzung des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK-Report Nr. 49 / Mai 2010) hat die fiskalischen Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen genauer unter die Lupe genommen und kam zu dem Ergebnis, dass sich keine positiven Effekte durch Steuersenkungen erzielen lassen.

Die Lücken dieser Theorie sind zahlreich. Zum einen geht sie von einer einfachen Kurve aus, die empirisch nicht belegbar ist, sondern nur theoretisch unter einfachsten Annahmen erklärbar ist. Die Kurve geht bei einem bestimmten Steuersatz von einem Maximalaufkommen aus, dieser Steuersatz ist praktisch jedoch nie feststellbar. Der von der Laffer-Kurve unterstellte Zusammenhang ist in unserem heutigen Steuersystem nicht nachweisbar, da es erstens zu kompliziert ist und zweitens viele andere Variablen (z. B. Verhalten der Menschen) Einfluss auf die Höhe der Steuereinnahmen haben.

Ich hoffe, dass ich mit meiner kleinen Übersicht Ihre Fragen beantwortet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Höll

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