Frage an Frithjof Schmidt von Miguel E. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt,
Ich ziehe in Betracht, Ihnen bei der kommenden Wahl meine Stimme anzuvertrauen.
Allerdings muss ich vorher eine Grundsatzfrage stellen:
Verstehe ich es richtig, dass Sie sämtliche Gentechnik grundsätzlich ablehnen? Falls dem so ist, Frage ich mich, weshalb.
Für mich ist die Gentechnik ein probates Mittel, den ökologischen Fußabdruck jedes Menschen zu verringern und die allgemeine Gesundheit zu verbessern. Als Beispiel möchte ich an dieser Stelle gerne "Golden Rice" aufführen, welcher unter anderem von der Bill und Melinda Gates Foundation unterstützt wird. Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Reis
Die allgemeine Skepsis gegenüber "Genpflanzen" rührt ja meist von der durch von Monsanto verwendeten Strategie, sowohl Saatgut als auch Herbizide zu verkaufen. Dieses Konzet ist aufgrund seiner Umweltschädlichkeit abzulehnen, hat aber an sich nichts mit Gentechnik im Allgemeinen zu tun. Da ich mich als Student der (Bio-)Chemie intensiv mit dem Themenkomplex auseinander gesetzt habe, kann ich Ihnen versichern, dass die Wissenschaft längst über diese krude Art der Manipulation (die noch aus Zeiten vor der Genomanalyse stammt) hinaus ist.
Der Mensch manipuliert seit Jahrtausenden Pflanzen durch gezielte Züchtung; alle heutigen Lebensmittel haben zumeist nur wenig mit ihren natürlichen Verwandten gemein. Für mich ist die Gentechnik nur eine gezieltere und beschleunigte Art der Züchtung. Aber ich würde an dieser Stelle gerne Ihre ehrliche Meinung zu diesem Thema wissen.
Sehr geehrter Herr M. E.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Gedanken zum Thema Gentechnik. Wie 80 Prozent der deutschen Bevölkerung, habe ich auch starke Bedenken gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen. Die vergangenen 20 Jahre haben gezeigt, dass Gentechnik nicht zum Wohle z.B. von Gesundheit oder Ernährung der Weltbevölkerung beigetragen haben. Die Einzigen die von Gentechnik profitieren, sind transnationale Konzerne. Zudem ist auf Grund der Paarung gentechnisch veränderter Pflanzen und Herbizide, wie Sie zu Recht schreiben, die Umweltbilanz von Gentechnik fatal. Die enormen Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen für komplexe Ökosysteme und Langzeitfolgen bleiben bestehen und müssen letztlich von der Allgemeinheit getragen werden. Dies gilt für alte und neue Verfahren der Gentechnik, die genauso das Erbgut von Organismen verändern und sich somit von herkömmlicher Züchtung deutlich unterscheiden. Für mich fällt die Risiko-Nutzen Abwägung von Gentechnik daher negativ aus.
Die unerfüllten Verheißungen der Gentechnik-Konzerne seit 20 Jahren zeigen, dass diese keine Antwort auf Fragen der Welternährung liefert. Es wurden höhere Salz- oder Trockenheits-Resistenzen, Ertragssteigerungen und weniger Pestizideinsatz versprochen. Kaum etwas davon wurde mit nachhaltigem Erfolg umgesetzt. Stattdessen haben Konzerne gentechnisch veränderte Pflanzen und Saatgut genutzt, um ihre eigenen Gewinne zu steigern und Landwirte an ihre Produkte zu binden. 80% der GMOs sind herbizidtolerant und führen somit zur Anwendung von mehr Pestiziden. Sie schaffen Monokulturen und sind damit das Gegenteil einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Landwirtschaft. Gentech-Pflanzen sind auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten und der Großteil landet, wie im Fall des Sojaanbaus der in Südamerika Urwälder vernichtet, in Futtertrögen. Die überragende Mehrheit der Weltbevölkerung wird hingegen durch Kleinbäuer*innen ernährt, die sich teures Saatgut und Pestizide nicht leisten können. Wirksame Konzepte zur Bekämpfung des Hungers müssen vor allem auf die Probleme und Bedürfnisse dieser Schlüsselgruppe ausgerichtet werden. Viele Studien zeigen: mit modernen ökologischen Anbaumethoden können Kleinbäuer*innen ihre Erträge massiv steigern, wie zum Beispiel beim UN-Berichterstatter Olivier de Schutter oder im Weltagrarbericht nachzulesen ist. Diese Methoden sind nicht mit Risiken verbunden, im Gegenteil fördern sie Bodenfruchtbarkeit und Resilienz auf eine nachhaltige Weise.
Die Gentechnik-Industrie gibt vermeintlich einfache, technische Lösungen für komplexe, politische Probleme vor. Der Goldene Reis der Gates Stiftung ist dafür ein Paradebeispiel. Bislang konnte nicht wissenschaftlich verlässlich nachgewiesen werden ob dieser überhaupt gegen Vitamin A-Mangel hilft. Auch konnten bereits durch konventionelle Züchtung Nährstoffanreicherungen erreicht werden. Doch auch diese sind oft kein alleiniges Mittel gegen Mangelernährung, denn Menschen die stillen Hunger leiden fehlt in der Regel mehr als nur ein Nährstoff. Das landwirtschaftliche Engagement der Gates-Stiftung ist zudem sehr kritisch zu bewerten. 2010 investierte diese 23. Mio. USD in Monsanto und weitere Gelder in Agrarchemie- und Biotech-Unternehmen. Somit hat die Gates Stiftung ein wirtschaftliches Interesse daran, Gentechnik in der Landwirtschaft zu fördern.
Um Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen, setze ich mich in meinem entwicklungspolitischen Engagement für humanitäre Soforthilfe, langfristige, nachhaltige und inklusive Entwicklung und einen fairen Welthandel ein. Über Ihre Unterstützung für diese Arbeit bei der Bundestagswahl würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Frithjof Schmidt