Portrait von Franz Untersteller
Franz Untersteller
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Franz Untersteller zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Günter H. •

Frage an Franz Untersteller von Günter H. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Untersteller,

Besten Dank für Ihre Antwort. Es ging speziell um Solarstrom und nicht um die gesamte EE-Palette. Die Ziele sind unstrittig. Gestatten Sie mir nachzufragen.

Kann von einer Dekarbonisierung die Rede sein, wenn in Mannheim oder mit Stadtwerkebeteiligung in Brunsbüttel neue Importkohlekraftwerke mit Mill. t C02- und anderen Schadstoffemissionen gebaut werden?

Es geht um Solar! Kann da noch von einem deutschen Muster die Rede sein, wenn z.B. die Tschechen den Anschluss gestoppt, die Spanier die Förderung gedeckelt und die Schweizer ihre Förderung bei 0,45 Rappen/kWh rückwirkend gesenkt haben? Welches Land betreibt einen ähnlich extremen Ausbau in nördlichen Breiten? Rechtfertigt der rund einprozentige Anteil an der Erzeugung diesen Milliardenaufwand, wenn dieser Strom nur bei Sonne erzeugt wird? Welches AKW oder KKW kann da ersetzt werden?

Abgesehen davon, dass die genannte Belastung bereits mehr als 7 EURO beträgt (3.500 kWh*2,44 cent Brutto-EE-Zuschlag/12), ergeben sich in der Summe Milliarden, die die Verbraucher beelasten und Kaufkraft entziehen. Warum haben wir in Europa mit die höchsten Strompreise? Sehen Sie keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze, die man gegenrechnen müsste und fördern wir nicht überwiegend die chinesische Solarindustrie?

Mit freundlichem Gruß

Günter Heitel

Quellen:
Eurostat Strompreise
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/8-28052010-AP/DE/8-28052010-AP-DE.PDF
"Schweizer Senkung um 18%"
http://www.bfe.admin.ch/energie/00588/00589/00644/index.html?lang=de&msg-id=31503&print_style=yes

"Schweizer Zuschlag von 0,45 Rappen .max 0,6"
http://www.bfe.admin.ch/energie/00588/00589/00644/index.html?lang=de&msg-id=28572&print_style=yes

Tschechien:
http://www.tschechien-online.org/news/16658-solar-boom-tschechien-gestoppt/

u.a. Deckelung in Spanien:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2186320_0_2266_-solarwirtschaft-die-sonne-geht-in-china-auf.html

Portrait von Franz Untersteller
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heitel,

was den Bau neuer Kohlekraftwerke betrifft teilen die Grünen die Position des Sachverständigenrats für Umweltfragen, dass der Bau noch weiterer Kohlekraftwerke unter klima- wie unter energiepolitischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist.

Ihre Sichtweise mit der sie die Solartechnologie für unsere Breitengrade in die Tonne treten, teile ich keinster Weise. Das EEG hat dazu geführt, dass diese Technologie in kürzester Zeit überhaupt relevant geworden ist. Die stufenweise Absenkung wie sie im Gesetz ja bereits seit geraumer Zeit verankert ist, hat zudem dazu geführt, dass in relativ kurzer Zeit erhebliche Technologiefortschritte und einhergehend damit auch Rationalisierungsfortschritte und Kostensenkungspotentiale realisiert werden konnten und weiter realisiert werden.

Im übrigen empfehle ich Ihnen einmal einen Blick in eine von der LBBW zu Beginn des Jahres unter dem Titel "Solardarwinismus die Besten bleiben" herausgegebene Branchenanalyse. Als Folge der von mir erwähnten Technologiesprünge bei gleichzeitig zu beobachtenden drastischen Kostensenkungen wird laut Studie in Südeuropa ab 2010/2012 bzw. in Mitteleuropa ab 2014/2015 die solare Stromerzeugung volkswirtschaftlich gesehen genauso günstig oder günstiger als die konventionelle Stromproduktion sein. Utility-Parität in dem Sinne, dass auch große Energieversorger massiv in die solare Stromerzeugung einsteigen, wird es laut LBBW-Studie in Südeuropa für die Fotovoltaik ab 2014 geben. Im Südwesten der USA rechnen die Branchenanalysten gar bereits ab 2012 mit einer entsprechenden Marktsituation. Mehr dazu finden Sie in einer von mir verfassten parlamentarischen Initiative: http://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/4000/14_4483_d.pdf

Zur Beantwortung ihrer Frage welches AKW durch Solarstrom ersetzt werden kann empfehle ich einmal einen Blick an das Geschehen der Leipziger Strombörse.

Immer häufiger zeigt sich nämlich dort der heraufziehende Systemkonflikt zwischen den Erneuerbaren Energien und den Technologien des vergangenen Jahrhunderts - sprich Atomkraft und Kohle. Seit dem September 2008, als am dortigen Spotmarkt erstmals negative Strompreise zugelassen wurden, lag der Handelspreis bereits rund 250 Stunden bei Null oder darunter. Tendenz weiter stark steigend. So lag der Strompreis zwischen den Weihnachtstagen 2009 elf Stunden hintereinander unter Null Euro und erreichte teilweise ein Minus von über 500 Euro pro Megawattstunde. Das bedeutet, dass die Stromkonzerne, die ihre unflexiblen Großkraftwerke auch dann weiterlaufen lassen, wenn die Erneuerbaren - darunter auch ein wachsender Anteil Solarstrom - den Großteil des Strombedarfs decken, immer tiefer in die Tasche greifen müssen, damit ihnen irgendjemand innerhalb oder außerhalb Deutschlands den Überschussstrom abnimmt.

Ihr Jammern über zu hohe Strompreise teile ich - wie sie aus persönlichen Gesprächen ja auch längst wissen - überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ein Gutteil der externen Kosten unserer bisherigen Energieversorgung (z.b. die bislang weitgehend kostenlose Ablagerung von CO2 in der Atmosphäre, die Kosten für atomare Altlasten wie Asse, Morsleben und den Rückbau des KfZ Karlsruhe, milliardenschwere Bergwerksschäden in weiten Regionen des Saarlandes und von NRW, milliardenschwere Umweltschäden beim Gewinnen von Uran in den Entwicklungsländern u.v.a.m) sind doch in der Vergangenheit zum allergrößten Teil überhaupt nicht in die Preiskalkulationen der Stromproduzenten eingegangen, sondern wurden - wenn überhaupt - vom Steuerzahler übernommen. Die dritte Stufe des Emissionshandels ab 2013 und die Brennelementsteuer werden hier wenigstens teilweise korrigierend wirken. Gleichzeitig erhoffe ich mir davon einen weiteren Trend in Richtung Anschaffung energiesparender Geräte und Technologien. Das ist in Zeiten des Klimawandels übrigens die adäquate Antwort auf Strompreissteigerungen und nicht der Wechsel zu irgendwelchen Billiganbietern.

Was das Thema Strompreise und Folgen für die Wirtschaft betrifft ist es nun einmal Fakt, dass in den hiesigen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Fahrzeugbau Elektrotechnik etc. die Strompreise auch nach Darstellung der Unternehmen selbst in ihren Kalkulationen einen geradezu vernachlässigbaren Anteil einnehmen. Ich kenn kein einziges Beispiel dafür, dass Unternehmen aus Baden-Württemberg jemals wegen der Strompreisentwicklung abgewandert wären. Im übrigen: Gibt es Ihnen nicht zu denken, dass ausgerechnet ein Unternehmen wie die EnBW mit dem im Vergleich zu anderen großen Erzeugern höchsten Atomstromanteil im Portfolio gleichzeitig aber auch die höchsten Strompreise hat?

Beste Grüße aus dem Wochenende

Franz Untersteller MdL