Frage an Fabio De Masi von Simon S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr de Masi,
zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das dritte Fragenpaket zum Themenbereich C. Maßnahmen zu umweltschonendem Wirtschaften.
C.1) Mit welchen Empfehlungen zu steuerlichen Anreizen und Konjunkturprogrammen kann der Finanzausschuss Investitionen in umweltschonende Technologien und nachhaltige Konsummuster beschleunigen?
C.2) Mit welchen handelspolitischen Maßnahmen kann ein fairer Wettbewerb ermöglicht und das Unterlaufen ökologischer und sozialer Standards verhindert werden?
C.3) Soll der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl beschleunigt werden? Und wenn ja, wie?
C. 4) Welche Konzepte gibt es für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus?
Sehr geehrter Herr Sonnenberg,
vielen Dank für Ihre Fragen.
C.1) Mit welchen Empfehlungen zu steuerlichen Anreizen und Konjunkturprogrammen kann der Finanzausschuss Investitionen in umweltschonende Technologien und nachhaltige Konsummuster beschleunigen?
Steuerliche Anreize und Appelle an das individuelle Konsumverhalten der Bürgerinnen und Bürger werden nicht ausreichen, um die Klimakrise erfolgreich zu bekämpfen. Es gibt etwa die Forderung über CO2 -Bepreisung umweltschädliches Verhalten zu verteuern und die Einnahmen ggf. an sozial schwächere Haushalte rückzuverteilen. Das Problem ist jedoch, dass die Lenkungswirkung insbesondere bei sehr einkommensstarken Haushalten und Berufspendlern begrenzt sein dürfte. Wer sich die Miete in der Innenstadt nicht leisten kann und wegen schlechter Anbindung mit öffentlichen Nahverkehr auf das Auto angewiesen ist, wird weiter das Auto nutzen. Und Menschen mit einem einem sehr hohen Einkommen können die CO2 Bestreuerung ignorieren.
Daher macht eine CO2 Bepreisung nur dann Sinn, wenn sie mit massiven öffentlichen Investitionen in die Verkehrswende einhergeht. Dies gilt insbesondere auch für ländliche Regionen. Darüber hinaus brauchen wir auch industriepolitische Vorgaben für Verschmutzungsrechte von Unternehmen und können dies nicht nur über den Markt und Preise regeln.
Akzeptanz in der Bevölkerung erlangt allerdings nur ein sozial-gerechter Klimaschutz. Der Staat muss mit sozialökologischen Investitionen dafür sorgen, dass der Umbau der Wirtschaft nicht auf Kosten der Beschäftigten und der breiten Bevölkerung geht. Dafür ist die Schaffung sicherer und guter Arbeit eine Voraussetzung. Außerdem müssen Menschen in die Lage versetzt werden, Klimaschutz in ihrem Alltag umzusetzen. Ein ökologischer Lebensstil darf nicht von der Größe des Geldbeutels abhängen und nur wer Zugang zu einem guten öffentlichen Nahverkehr hat, lässt auch das Auto stehen.
Was es braucht, ist ein handlungsfähiger Staat und großangelegte öffentliche Investitionen auf kommunaler, Länder- und Bundesebene. Der Staat ist Treiber von ökologischen Technologien und Schlüsselinnovationen und so regt ein staatliches Investitionsprogramm zusätzliche private Investitionen an. Hierbei ist ein Mix aus öffentlichen Förderprogrammen, Subventionen, Krediten und öffentlichen Beteiligungen für die Privatwirtschaft sinnvoll.
Die Schuldenbremse und die europäischen Schuldenregeln stehen dabei jedoch im Weg. Es braucht eine Goldene Regel, die Kredite im Umfang der öffentlichen Investitionen ermöglicht. Außerdem sollte auch die Europäische Zentralbank öffentliche Investitionen finanzieren dürfen und Kredite in die Energie- und Verkehrswende lenken.
Mehr dazu finden sie im Klimaaktionsplan der Linksfraktion: https://www.linksfraktion.de/fileadmin/user_upload/PDF_Dokumente/2020/LINKE_BTF_Broschuere_Klimagerechtigkeit_Web.pdf
C.2) Mit welchen handelspolitischen Maßnahmen kann ein fairer Wettbewerb ermöglicht und das Unterlaufen ökologischer und sozialer Standards verhindert werden?
Freihandelsabkommen, die zu Öko- und Sozialdumping führen, lehnen wir ab. Besonders kritisch sehen wir dabei Investor-Staat- Schiedsgerichte, vor denen Konzerne Regierungen verklagen, wenn Gesetze und Regulierungen wie Umweltauflagen oder Rechte von Beschäftigten ihre Profte hemmen. Hier verweise ich auf eine Studie, die ich während meiner Zeit im EU Parlament beauftragt habe: https://www.fabio-de-masi.de/kontext/controllers/document.php/214.7/8/5e3ab0.pdf.
Viele aufstrebende Volkswirtschaften wie China aber auch die USA oder Westeuropa haben historisch ihre Industrien geschützt und unterstützt, bevor sie ihre Märkte für den internationalen Wettbewerb geöffnet haben. Dies ist mittlerweile unter dem Stichwort "strategische Industriepolitik" auch unter renommierten Handelsökonomen Konsens. Hierbei veweise ich auf ein älteres Interview von mir mit dem renommierten Handelsökonomen der Universität Cambridge, Ha-Joon Chang, das Sie hier finden: https://www.youtube.com/watch?v=4MLa6BQorYg.
Eine gerechte Handelspolitik ist die Voraussetzung für ökonomische Entwicklung. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE fordert u.a. ein Lieferkettengesetz, das seinen Namen verdient. Das Lieferkettengesetz der Bundesregierung ist unzureichend. Unternehmen müssen in die Pflicht genommen werden, Menschenrechtsverletzung, Kinderarbeit sowie Umweltzerstörung entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsketten auszuschließen.
Aktuell ist die größte ökonomische und soziale Herausforderung in der Corona-Pandemie die ungleiche Produktion und Verteilung von Impfstoffen, die eine Freigabe von Patenten auf Corona-Impfstoffe und technologische Kooperation erfordert. Die Corona-Impfstoffe wurden auch mit erheblichen öffentlichen Mitteln entwickelt. Der Staat muss dabei auch Anreize setzen, um dauerhafte Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufzubauen, da es nicht im betriebswirtschaftlichen Interesse der Pharmakonzerne ist, mehr Kapazitäten zur Impfstoffproduktion vorzuhalten.
Diese Forderung wird mittlerweile von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Welthandelsorganisation (WTO), den Regierungen Südafrikas, Indiens und den USA sowie fast 100 weiteren Staaten erhoben, aber von der EU-Kommission und der Bundesregierung abgelehnt. Hierzu verweise ich u.a. auf einen Artikel im Spiegel und die zahlreichen parlamentarischen Initiativen der Linksfraktion.
Siehe: https://www.spiegel.de/ausland/globale-pandemiebekaempfung-die-reichen-impfen-die-armen-warten-a-e715a6c5-0d86-4996-a126-0bb875848d96 und https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/impfstoff-patente-freigeben-produktion-erhoehen/
C.3) Soll der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl beschleunigt werden? Und wenn ja, wie?
Die Große Koalition ignoriert die Zeichen der Zeit nicht und verursacht hohe Anpassungskoten in der Zukunft, weil sie den ökologischen Umbau nicht entschieden genug angeht. Mit einer massiven Investitionsoffensive in erneuerbare Energien hielte ich auch einen etwas früheren Kohleausstieg für machbar.
Gaskraftwerke sind emissionsärmer als Kohlekraftwerke und zumindest als Übergangslösung vertretbar. Je besser wir beim Ökostromausbau sind, desto weniger Einsatzzeiten brauchen die Gaskraftwerke. Das extrem klima- und umweltschädliche Fracking-Gas lehnen wir ab und fordern daher als Bundestagsfraktion ein Fracking-Verbot.
C. 4) Welche Konzepte gibt es für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus?
Die Schuldenbremse, die ja auch auf Länderebene gilt und auch die Kommunen belastet, muss wieder durch eine goldene Regel ersetzt werden, wonach öffentliche Investitionen auch über Kredite finanziert werden können. Investitionen schaffen auch Vermögen für zukünftige Generationen und ihre Finanzierung sollten daher zeitlich gesteckt werden. Warum sollten nur die heutigen Steuerzahler für eine Universität bezahlen, die noch unsere Enkelkinder nutzen?
Ebenso müssen die Kommunen, von denen viele durch die Corona-Krise und Einbrüche bei der Gewerbesteuer betroffen sind, finanziell gestärkt werden. Dies war schon vor der Corona-Krise erforderlich. Hierzu möchte ich auf unseren Antrag (https://dserver.bundestag.de/btd/19/186/1918694.pdf ) und meine schon etwas ältere Rede im Bundestagsplenum verweisen (https://www.youtube.com/watch?v=v78HyAWKGAM&t=29s ).
Sozialer und öffentlicher Wohnungsbau ist Kernaufgabe staatlicher Daseinsvorsorge, um das Mietniveau zu dämpfen. Dort wollen wir kräftig investieren, aber mehr Geld für Personal in unterbesetzten Verwaltungen aufbringen, damit z.B. Baugenehmigungen schneller erteilt werden können. Außerdem wollen wir gemeinnützige, genossenschaftliche Wohnprojekte unterstützen, indem Fördermittel und Steuervergünstigungen davon abhängig gemacht werden, dass Mieter demokratisch mitbestimmen dürfen und etwaige Gewinne in den Ausbau oder Bestand der Wohnungen reinvestiert werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Abonnieren Sie gerne meinen Newsletter, um über meine politischen Aktivitäten auf dem Laufenden zu bleiben: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html.
Ihr,
Fabio De Masi, MdB