Frage an Fabio De Masi von Ralf B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr di Masi,
auf Grund eines Artikels von Spiegel Online habe ich Ihre Rede zum "Dispozins" im Bundestag gelesen ( https://www.linksfraktion.de/nc/parlament/reden/detail/fabio-de-masi-dispo-abzocke-deckel-drauf/ ).
Leider kann ich Ihre Zahlen nicht nachvollziehen, so dass ich Sie frage,
- mit welcher Quelle Sie den Durchschnittszins von 10% belegen (hochgerechnet aus 0% EZB-Zins),
- mit welcher Quelle Sie das Volumen von 34 Mrd. € belegen (hochgerechnet aus 1% Zins und 340 Millionen Gewinn),
- mit welcher Quelle Sie die Ist-PD von 1% belegen.
Meine Quelle belegt einen (durchschnittlichen) Zinssatz von 8,26% im Jahr 2018 und ein (durchschnittliches) Volumen von 31,5 Mrd. € ( https://www.bundesbank.de/resource/blob/650658/0b7c27ac4f2581897ec52d5d42511694/mL/s510atsuhde-data.pdf ; S. 3).
Zudem wundere ich mich über Sie als Volkswirt, dass Sie Zinsertrag = Gewinn ansehen, ohne Kosten zu berücksichtigen. In der Kreditkalkulation werden diverse Kostenpositionen gegengerechnet (Risikoprämie (EL), operative Kosten, Eigenkapitalkosten (UL), Liquiditätsprämie).
Für Ihre Antwort danke ich Ihnen im Voraus
und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
R. B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Ich freue mich, bei dieser Gelegenheit noch einmal auf meine Rede (https://m.youtube.com/watch?v=miwoj7dNrUM) sowie unseren Antrag zur gesetzlichen Deckelung von Dispozinsen (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/065/1906525.pdf) verweisen zu können.
Sie fragten mich,
a) mit welcher Quelle ich den Durchschnittszins von 10% bei Dispokrediten belege?
Einen Durchschnittswert von ca. 10% können Sie dieser Auswertung entnehmen: Testberichte aus 2018, https://www.test.de/Girokonten-Dispozinsen-4586765-5055437/. Referenzzinswert ist hier der EZB-Leitzins.
Dispozinsen orientieren sich am Zinsumfeld der Bank, darunter dem EZB-Leitzins und dem 3-Monats-Euribor. Unser Antrag möchte den Dispozins anhand des EZB-Leitzins begrenzen. Würde man den 3-Monats-Euribor nehmen, würde eine noch größere Diskrepanz zu Tage treten, da dieser derzeit negativ ist. Zur Zeit liegt dieser bei -0,308%, zum Zeitpunkt der Antragsstellung bei -0,316%.
b) mit welcher Quelle ich das Volumen von Dispo- und Überziehungskrediten von 34 Mrd. € belege?
Im drittletzten Absatz des oben genannten Finanztest-Artikels ist die Rede von "mehr als 31 Mrd Euro“. Durch das Weihnachtsgeschäft kann nach Schätzung der Verbraucherzentralen das Volumen jedoch auf gut 34 Mrd. Euro steigen.
Laut Statistischem Bundesamt überzog die Gesamtheit der deutschen Bürger bereits im Jahre 2017 ihr Konto mit 34 Milliarden Euro, dabei sorgt jeder Prozentpunkt mehr an Dispozinsen für weitere 340 Millionen Euro für die Banken. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Bundesbank Monatsbericht 7/2018, S.47 ( vgl. https://www.bundesbank.de/resource/blob/752110/de6038938f16475897d46d508fbf3505/mL/2018-07-monatsbericht-data.pdf).
c) mit welcher Quelle ich die Ausfallwahrscheinlichkeit Ist-PD (propability of default) von 1% belege?
Zunächst habe ich mich auf die Ausfallquote und nicht auf die Ausfallwahrscheinlichkeit bezogen.
Im Jahr 2016 wurde die Ausfallquote von Finanztest mit 1% taxiert (vgl. https://www.kredit-beamten.de/wie-hoch-sind-die-dispozinsen/) und auch die Stiftung Warentest ging 2015 von rund 1% aus. Die Verbraucherzentrale Bundesverband geht nach wie vor von einer Größenordnung um die 1% aus (2014 lag dieser Wert noch bei ca. 0,3%).
Vergleich: Im Jahr 2017 wurden 97,8 Prozent aller Ratenkredite ordnungsgemäß bedient (Ausfallquote von 2,2%). Die SCHUFA attestiert ein stabil hohes Niveau beim Rückzahlungsverhalten der Kreditnehmer*innen; (vgl. SCHUFA-Kredit-Kompass 2018, https://www.schufa.de/media/editorial/ueber_uns/bilder/studien_und_publikationen/kredit_kompass/skk_2018/SCHUFA_Kredit-Kompass-2018.pdf).
Banken halten sich bedeckt, was die Ausfallquoten betrifft, sie haben aber auch bisher keine Belege für höhere Quoten geliefert.
Unsere Quellen (Finanztest und Bundesbank) haben wir übrigens in unserem Antrag ebenfalls genannt (vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/065/1906525.pdf).
Zur ihrer Anmerkung bezüglich der Zinserträge:
Erst letzte Woche hat die Bürgerbewegung Finanzwende zusammen mit dem Institut für Finanzdienstleistungen eine Studie veröffentlicht, die massive Probleme bei der Ratenkreditvergabe offenlegt. So lagen die Effektivzinsen (Bearbeitungsgebühren und andere Kosten mit eingerechnet) bei fast einem Drittel der Vertragsangebote bei über 100 Prozent über dem Marktwert. Teilweise lagen die Effektivzinsen bei mehr als 20 Prozent. Die Studie finden Sie unter folgendem Link: https://www.finanzwende.de/kampagnen/achtung-kreditfalle/. Für Privatleute ist das ist der direkte Weg in die Überschuldungsfalle.
Um die Zinserträge bzw. Gewinne der Banken muss man sich dabei offensichtlich keine Sorgen machen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Über meine politische Arbeit informiere ich regelmäßig in meinem Newsletter: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html.
Beste Grüße
Fabio De Masi, MdB