Frage an Fabio De Masi von Jan S.
Sehr geehrter Herr De Masi,
wie stehen Sie dazu, dass die EU die ausgesprochen effektive [1] Operation Mare Nostrum eingestellt (oder zumindest nicht unterstützt) hat und infolge dessen auch in diesem Jahr wieder zahllose Menschen gestorben sind, die durch Mare Nostrum wahrscheinlich gerettet worden wären? Sind die Grenzsicherung durch Triton und Frontex und die wirtschaftlichen Bedenken, die damit einhergehen, in Ihren Augen mehr wert als die Leben dieser ertrunkenen Menschen? Plant die EU eine neue Operation zur Seenotrettung oder wird weiter auf eine allem Anschein nach ineffektive [2] und damit schlichtweg verantwortungslose und menschenverachtende Methode gesetzt? Warum?
Ist alternativ vielleicht geplant, sicherere Reisewege für Geflüchtete zu öffnen?
Von allgemeinen Diskussionen abgesehen interessiert mich auch Ihre persönliche Meinung sowie die der Linken.
Vielen Dank.
J. S.
[1] http://www.sos-europe-amnesty.eu/triton-is-no-substitute-for-life-saving-mare-nostrum-news/
[2] https://www.amnesty.org/en/articles/news/2015/04/mediterranean-crisis-50-fold-increase-in-deats-amid-european-inaction/
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ich teile Ihre Empörung über das Massensterben an den Aussengrenzen der EU. Die Politik der EU Institutionen ist eine Schande. Es sei hier etwa auf die völkerrechtswidrigen Push Back Operationen unter Missachtung der Seerechtskonvention hingewiesen, die selbst vor Kindern nicht Halt machten.
DIE LINKE hat die Einstellung der Finanzierung der Seenotrettungsmission Mare Nostrum wiederholt kritisiert und die unverzügliche Wiederaufnahme der Seenotrettung eingefordert. Darüber hinaus benötigen wir sichere Reisewege - etwa durch vorgelagerte Asylverfahren in Botschaften in Nordafrika. Dies erfordert jedoch auch die Bereitschaft der EU Mitgliedsstaaten die Drittstaatenregelung gemäß Dublin aufzuheben, die Asyl grundsätzlich nur in den Küstenstaaten der EU ermöglicht und so diese Länder systematisch überfordert. Wir möchten dass Flüchtlinge dort Asyl beantragen können, wo sie familiäre und sprachliche Bindungen haben, um sich eine Existenz aufzubauen. Dies erfordert einen Verteilungsschlüssel, der Staaten mit überproportionaler Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt, und eine kleinteilige Unterbringung statt anonymer Massenunterkünfte. Dies ist die Voraussetzung, um Flüchtlingen eine Perspektive und gesellschaftliche Akzeptanz und Integration zu verschaffen.
Davon unbenommen bleibt es das Ziel der LINKEN, Fluchtursachen wie die Aussenwirtschafts- und Nachbarschaftspolitik der EU (Freihandelsabkommen), die Energie- und Klimapolitik (Stichwort Klima- und Umweltflüchtlinge sowie Konflikte um Wasservorkommen) sowie Destabilisierung ganzer Regionen durch Krieg und Waffenexporte zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Fabio De Masi