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Fabio De Masi
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Frage von Torsten K. •

Frage an Fabio De Masi von Torsten K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Produktionsprozesse funktionieren gemeinschaftlich, einige Bürger geben Geld/Kapital, andere Arbeitsfähigkeiten. Alle gehen das gleichgroße Risiko ein, im Fall eines Scheiterns im Hart-z4Ghetto zu landen, der Gewinn wird aber nicht an alle Beteiligten gleichmäßig verteilt, nicht alle Beteiligte haben Mitbestimmungsrechte, es herrscht keine Transparenz. Gesellschaftlich notwendige Arbeit wird nicht oder schlecht bezahlt, weil sie so oder so getan wird, weil sie getan werden muss... http://www.gewerkschafterdialog-grundeinkommen.de/beitrage/selbst_der_himmel_weint_buergergeld_statt_buergerkrieg_dokudrama

Warum haben die Linken erneut keine Forderung nach einer bedingungslosen Grundsicherung als Verhandlungsbasis über Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen und Voraussetzung für eine freiheitlich orientierte Gesellschaft ins Programm integriert?

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Kulick,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Für DIE LINKE gilt: Weg mit Hartz IV. Denn Hartz IV ist nicht nur "Armut per Gesetz", sondern auch ein Instrument, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Angst vor dem Abstieg zu erpressen bzw. Löhne zu drücken.

Die Abwicklung von Hartz IV umfasst für DIE LINKE u.a. die Abschaffung der Zumutbarkeitskriterien (Ein-Euro-Jobs), eine Aufstockung der ALG II Regelsätze auf 500 Euro, eine realistische Ermittlung der Wohnkosten und die Finanzierung von Sonderbedarfen sowie die verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I vor dem Übergang zum Arbeitslosengeld II. Die Bezugsdauer muss sich auch an der Dauer der Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung orientieren. DIE LINKE fasst dies unter dem Konzept der sanktionsfreien Mindestsicherung zusammen.

Zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE): Das Grundeinkommen wird nahezu in allen im Bundestag vertretenen Parteien kontrovers diskutiert. DIE LINKE hat sich in ihrem Grundsatzprogramm darauf verständigt diese Debatte weiter zu führen. Eine engagierte Minderheit unterstützt das BGE. Im Bundestagswahlprogramm wurde sich zudem darauf verständigt, eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag zur weiteren Debatte über das Grundeinkommen zu unterstützen. Ich lehne die Idee des BGE aus unterschiedlichen Gründen ab, akzeptiere aber die hierzu getroffenen Kompromisse in unserem Programm.

Zu den Gründen meiner Ablehnung des BGE: Das Grundeinkommen ist meines Erachtens keine fortschrittliche Idee. Ähnliche Konzepte wurden unter anderem von ultra-konservativen Ökonomen wie Milton Friedmann vertreten oder aktuell dem Eigentümer der DM-Drogeriekette. Ihre Vorstellung: Statt über Arbeitszeitverkürzung sowie eine Stärkung von Löhnen und öffentlichen Investitionen für eine hohe Binnennachfrage und somit ein hohes Niveau gut entlohnter Beschäftigung zu sorgen - was auch die Durchsetzung und Finanzierung auskömmlicher Sozialleistungen für Jene ohne Arbeit erleichtern würde - soll das Problem der Massenarbeitslosigkeit schlichtweg akzeptiert werden. Alle sollen dann ein niedriges Grundeinkommen erhalten, dass durch Konsumsteuern finanziert wird. Konsumsteuern treffen aber überdurchschnittlich kleine und mittlere Einkommen und es entstünde ein riesiger Kombilohnsektor, da Unternehmen voraussichtlich die Löhne noch stärker drücken würden, wenn der Staat ohnehin ein Einkommen für Alle gewährt.

Die linken Anhänger des BGE verfolgen natürlich andere Absichten. Ich halte die Einführung eines BGE dennoch für ineffizient und ungeeignet soziale Probleme zu lösen.

Erstens, muss auch das BGE immer aus Arbeit finanziert werden. Die behauptete Abschaffung des Zwangs zur Erwerbsarbeit ist daher Augenwischerei und gilt nur für Wenige.

Zweitens, bekämpft man soziale Probleme nicht einfach nur durch mehr Geld. Unser Problem ist das unzureichende Angebot an gut entlohnter und sinnstiftender Arbeit sowie die schiefe Verteilung der Arbeit (viele arbeiten bis zum Umfallen und zu viele verkümmern durch Arbeitslosigkeit). Denn Arbeit bedeutet auch soziale Kontakte und Teilhabe am öffentlichen Leben. Das BGE wäre so etwas wie die "Privatisierung sozialer Gerechtigkeit" oder ein "Schweigegeld" für Arbeitslose. Umfragen belegen: Auch die meisten Hartz IV-Empfänger wünschen sich eine gute Arbeit bzw. ein eigenständiges Einkommen. Das Ziel linker Parteien war immer die Humanisierung und Demokratisierung der Arbeitswelt sowie die Verkürzung der Arbeitszeiten durch technischen Fortschritt, nicht die Abschaffung der (Erwerbs-)arbeit per se. Eine Gesellschaft wird immer arbeiten. Selbst wenn die Grundbedürfnisse der Menschen alle durch Maschinen gedeckt wären (und etwa keine neuen Erfindungen oder die Wartung der Maschinen erforderlich wären), gehört Arbeit zum kreativen Prozess der Menschheit, weil neue Bedürfnisse entstehen. Das Ziel linker Politik sollte daher meines Erachtens darin bestehen, den Wandel der Industriegesellschaft in hochwertige, öffentliche und sozial-ökologische Dienstleistungen zu unterstützen. Dies bedeutet etwa , dass sich Arbeit zukünftig auf Bereiche wie Gesundheit, Erziehung, Kultur, Forschung, Nahverkehr oder Erhaltung der Umwelt konzentrieren sollte. Dies erfordert massive öffentliche Investitionen, die uns bei Einführung eines BGE fehlen würden.

Drittens, ist das BGE schlichtweg - auch nach den Modellen die in unserer Partei diskutiert werden - nur mit einer überaus hohen Staatsquote finanzierbar, die eine sehr hohe Besteuerung von Kapital erfordern würde. Dies würde weit über alles hinaus gehen was hierzu auch in der Linken über höhere Steuern für Konzern und Vermögen vertreten wird. Selbst wenn sich dies im internationalen Kontext durchsetzen ließe - was völlig unrealistisch ist, uns gelingt es ja derzeit auch aufgrund der Schwäche der Gewerkschaften kaum noch den Sozialstaat zu verteidigen - würde dies die private Investitionstätigkeit weitgehend zum Erliegen bringen und damit die Voraussetzung für die Finanzierung eines guten Sozialstaates. Das verträgt sich dann auch nicht mit dem Anspruch vieler BGE-Befürworter, die "Bevormundung" des Staates durch Hartz IV etc. überwinden zu wollen.

Darüber hinaus sehe ich nicht ein, warum ich etwa einem Millionär ein Grundeinkommen auszahlen muss. Das ist ein völlig ineffizienter Umgang mit Ressourcen, währen das BGE für bestimmte Personengruppen sogar zu niedrig ausfallen dürfte (chronisch Kranke etc.). Daher käme man auch beim BGE nicht um die Ermittlung von Sonderbedarfen und Vermögensprüfung herum, womit sich auch das Argument erübrigt, es wäre unbürokratischer.

DIE LINKE bereitet zum BGE derzeit eine ausführlichere Debatte vor. In diesem Zusammenhang ist ein Text von Ralf Krämer auf der Homepage des gewerkschaftlich orientierten Zusammenschlusses Sozialistische Linke in der Partei DIE LINKE erschienen auf den ich gerne verweise, weil er viele der von mir benannten Aspekte ausführlich thematisiert.

http://www.sozialistische-linke.de/politik/debatte/990-bge-rk-2014

Beste Grüße,
Fabio De Masi

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