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Dorothee Bär
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Frage von Guido F. •

Frage an Dorothee Bär von Guido F. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Bär,

die von Ihnen unterstützte BMVI/DVR-Kampagne „Runter vom Gas“ will nun mit einer Plakatierungsaktion auf Ablenkungen im Straßenverkehr aufmerksam machen. Eines der Plakatmotive zeigt dabei den Slogan: "Wer beim Fahrradfahren Musik hört, sieht weniger". ( http://tinyurl.com/najxcpo )

Da ich als Alltagsradler mehr als 4.000 km jährlich im Kölner Stadtverkehr unterwegs bin, wobei ich grundsätzlich mit halboffenen Kopfhörern in einer Lautstärke Musik höre, die es mir erlaubt, Umgebungsgeräusche und besonders sich von hinten nähernde Kraftfahrzeuge rechtzeitig wahrzunehmen, und ich mich darüber hinaus, der moderaten Einschränkung meines Gehörs bewusst, selbst beim Geradeausfahren immer wieder kurz umschaue, kann ich diese Behauptung nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe stattdessen vielmehr das Gefühl, dass Verkehrsteilnehmer weniger sehen, wenn sie sich zu sehr auf ihr Gehör verlassen. Jedenfalls gerate ich mehrfach täglich in die unangenehme Situation, dass Fußgänger direkt vor mir achtlos die Fahrbahn betreten, nur weil sie kein sich näherndes Fahrzeug gehört haben. Das hat mir in den letzten Jahren schon mehrere Zusammenstöße und Stürze mit zahlreichen Schürfwunden und Blutergüssen beschert.

Anlässlich meiner persönlichen Erfahrungen, würde mich nun interessieren, bei wie vielen Verkehrsunfällen denn jeweils in den vergangenen fünf Jahren Musikhören beim Radfahren die Hauptunfallursache war. Außerdem möchte ich Sie bitten, genauer darzulegen, wodurch Musikhören das Sehvermögen beim Radfahren einschränkt und die wissenschaftlichen Arbeiten zu nennen, die hier einen signifikanten Effekt nachgewiesen haben.

Abschließend bitte ich Sie dann noch, kurz zu erklären, welche Gefahren für den Straßenverkehr Ihres Erachtens von Kraftfahrzeugen mit schallgedämmtem Innenraum ausgehen, in denen nahezu keine Außengeräusche wahrnehmbar sind und wie Sie damit verbundene Risiken minimieren möchten.

Mit freundlichen Grüßen

Guido Friedewald

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Friedewald,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 15.08.2015 und Ihr Interesse an der BMVI/DVR-Kampagne „Runter vom Gas“. Mit der Innerortsplakatierung zum Thema „Ablenkung“, mit Hörfunkkooperationen und Medienarbeit versuchen wir alle Menschen, die per Pkw, Rad oder zu Fuß unterwegs sind, für die Unfallursache „Ablenkung im Straßenverkehr“ zu sensibilisieren. Daher gibt es drei verschiedene Motive: „Wer beim Fahrradfahren Musik hört, sieht weniger“, „Wer beim Autofahren telefoniert, sieht weniger“ und „Wer beim Gehen chattet, sieht weniger“. Das „sieht weniger“ soll sich nicht konkret auf das Sehvermögen, sondern auf die verminderte Wahrnehmung allgemein beziehen und so die Verkehrsteilnehmer auf die Gefährdung im Straßenverkehr durch „Ablenkung“ aufmerksam machen. Auch die Bildsprache in Form der Streifen soll die Ablenkung bzw. eingeschränkte Wahrnehmung verdeutlichen.

Die Botschaft der Plakate lautet: „Aufmerksamkeit im Straßenverkehr verträgt keine Pause. Ein einziger Moment der Ablenkung kann katastrophale Folgen haben.“ Bereits eine Sekunde Ablenkung genügt, um im Pkw bei 50 km/h 14 Meter im Blindflug unterwegs zu sein.
In Deutschland wird Ablenkung als Unfallursache bei der polizeilichen Unfallerfassung nicht als eigenes Merkmal erhoben, da sich Ablenkung als Unfallursache im Nachhinein schwer nachweisen lässt. Zur Unfallursache „Ablenkung“ gibt es daher keine amtlichen Daten, nur grundsätzliche Studien und Befragungen. Untersuchungen in verschiedenen Ländern legen den Schluss nahe, dass Ablenkung im Straßenverkehr ein bisher allgemein unterschätztes Unfallrisiko darstellt. Und nicht nur Autofahrer, auch Fußgänger und Fahrradfahrer verursachen durch Ablenkung Unfälle und bringen sich selbst und andere in Gefahr. Der Anstieg wird vor allem der zunehmenden Verbreitung von Smartphones zugeschrieben.

Während es zur Ablenkung von Fußgängern und Radfahrern erst wenige Studien gibt, ist der Einfluss von Ablenkung auf das Autofahren bereits recht umfassend untersucht. Gemäß einer Repräsentativbefragung des Allianz Zentrums für Technik (ATZ) zufolge machen ablenkende Tätigkeiten am Steuer rund ein Fünftel der Fahrzeit aus. Jeder zehnte Verkehrsunfall wird maßgeblich durch abgelenktes Verhalten der Autofahrer verursacht. Bei rund einem Drittel der Unfälle spielt Unaufmerksamkeit eine Rolle.

Experten unterscheiden drei Arten der Ablenkung: die visuelle, motorische und mentale. Wir möchten mit dem Plakat dafür sensibilisieren, das Musikhören, Radiohören oder seinen Gedanken und Emotionen freien Lauf zu lassen, im Straßenverkehr zu Unachtsamkeit führen kann. Die mentale Ablenkung wird besonders häufig unterschätzt. Liegt die Aufmerksamkeit etwa beim angespannten Gespräch mit dem Beifahrer oder lenken starke Emotionen oder Stress ab, können Sachverhalte nicht mehr vollständig erfasst und richtig eingeordnet werden. Dies bedeutet auch, dass das Telefonieren selbst mit Freisprechanlage zu den gefährlichen Nebentätigkeiten beim Autofahren zählt. Im Rahmen von Kampagnen, insbesondere bei Plakatierungen, werden gezielte Beispiele herausgegriffen, um eine bestimmte Botschaft, hier die Verkehrsgefährdung durch Ablenkung, zu verdeutlichen.

Sie nannten andere Beispiele der Verkehrsgefährdungen, insbesondere, wenn die visuelle Wahrnehmung vernachlässigt wird. Auch diese werden immer wieder in Kampagnen adressiert, insbesondere im Rahmen von „Runter vom Gas“.

Fahrradfahrer gehören zu den am stärksten verletzungsgefährdeten Verkehrsteilnehmern, da sie ohne Knautschzone im Straßenverkehr unterwegs sind. Um rechtzeitig auf Hindernisse oder Gefahren reagieren zu können, werden beide Hände am Lenker gebraucht. Dennoch greifen immer mehr Fahrradfahrer während der Fahrt zum Smartphone, und auch Navigationsgeräte am Lenker sind inzwischen verbreitet und werden teilweise leider im Fahren bedient. Auch Ablenkung durch Kopfhörer erhöht bei Fahrradfahrern wie Fußgängern das Unfallrisiko. Bereits bei Musik in der Lautstärke eines normalen Gesprächs oder einem Telefonat per Headset verlängert sich die Reaktionszeit um ein Fünftel, wie eine Studie des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG), Dresden, zeigt. Bei Musik, die so laut ist wie ein mit 50 km/h vorbeifahrendes Auto, steigt die Reaktionszeit sogar um die Hälfte. Musikhören in einer moderaten und verantwortlichen Lautstärke ist sicherlich, da geben wir Ihnen Recht, nicht das Problem. Allerdings ist diese akustische Einschränkung bei einer Lautstärke, die Umgebungsgeräusche oder gar Sondersignale im Straßenverkehr übertönt, durchaus ein Risiko – für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.

Wir hoffen, Sie mit diesen Anmerkungen überzeugen zu können, dass die Aufklärungsarbeit zum Thema „Ablenkung im Straßenverkehr“ wichtig und sinnvoll ist.

Vor kurzem hat das BMVI die Halbzeitbilanz zum Verkehrssicherheitsprogramm veröffentlicht, die Sie auch unter www.bmvi.de abrufen können. Darin wird auch aufgezeigt, welche Maßnahmen insgesamt in den Aktionsfeldern „Mensch“, „Fahrzeugtechnik“ und „Infrastruktur“ die höchsten Potentiale aufzeigen, die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Darin können Sie auch nachlesen, dass das BMVI vielfältige Aktivitäten unternimmt, um die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Dennoch ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn über 90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Insoweit freue ich mich, wenn Sie durch Ihr umsichtiges Verhalten im Straßenverkehr ebenfalls zur Verkehrssicherheit beitragen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dorothee Bär MdB

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