Frage an Dorothee Bär von Bernd W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Bär
Vor kurzem wurde im Bundestag über das zweite Rettungspaket für Griechenland abgestimmt.
Inzwischen sind die Aufwendungen für Deutschland existenzbedrohend, bzw. die Rettung von Griechenland ist ein Fass ohne Boden.
Mir würde interessieren wie sie darüber abgestimmt haben, bzw. wie ihre Meinung dazu ist.
Wenn ich das Abstimmungsverhalten der im Parlament vertretenen demokratischen Parteien ansehe, verstehe ich nicht die grosse Zustimmung zu den Rettungspaket (80 - 90%).
Wie sieht es bei diesen Prozentzahlen eigentlich mit der demokratischen Grundforderung aus, dass der Abgeornete nur seinem Gewissen verantwortlich ist.
Ich wende mich an sie, da sie die, für meinen Wahlkreis, zuständige Abgeordnete sind. Bei zukünftigen Wahlen werde ich meine Stimmabgabe von der Einstellung der Parteien zu solchen grundlegenden Entscheidungen abhängig machen.
Oder sollte der gewählte Abgeordnete nicht auch Schaden vom deutschen Volk abhalten?
Mit freundlichen Grüssen
Bernd Weisenseel
Sehr geehrter Herr Weisenseel,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 11. März 2012. Die dauerhafte Stabilisierung der Eurozone kann nur gelingen, wenn die Eurostaaten zu solider Haushaltspolitik zurückkehren und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gezielt stärken. Dies ist die wichtigste Erkenntnis aus den Ereignissen rund um die griechische Finanzkrise seit dem Mai 2010. Klar ist jedoch, dass Versäumnisse, die sich über viele Jahre hinweg aufgetürmt haben, nicht über Nacht beseitigt werden können. Aus diesem Grund ist es notwendig, einen Euro-Rettungsschirm aufzuspannen, der bedrohten Eurostaaten vorübergehend und unter strengen Auflagen finanziell unter die Arme greift. Denn von der Insolvenz eines Eurostaates wären alle übrigen Eurostaaten einschließlich der dort ansässigen Finanzinstitute und Unternehmen in erheblichem Ausmaß betroffen. Die Folgen einer solchen Entwicklung sind kaum abschätzbar und würden jeden einzelnen Bürger auch ganz unmittelbar treffen.
Der Deutsche Bundestag hat am 27. Februar dieses Jahres mit breiter Mehrheit einem zweiten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. Dieses enthält mit der substantiellen Beteiligung privater Gläubiger und verschärften Aufsichts- und Kontrollrechten gegenüber Griechenland – etwa durch die Einrichtung eines Sonderkontos – zentrale Forderungen der CSU-Landesgruppe. Voraussetzung für weitere Hilfen ist, dass Griechenland die vereinbarten Einsparungen und Strukturreformen tatsächlich umsetzt und die privaten Gläubiger in den nächsten Wochen bereit sind, ihren Beitrag zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands zu leisten. Die Einhaltung dieser Bedingungen werden die Eurostaaten einer genauen Überprüfung unterziehen. Mit einem zweiten Hilfspaket wäre die Zahlungsfähigkeit Griechenlands bis 2014 sichergestellt, ein ungeordneter Staatsbankrott abgewendet und die Gefahr eines Übergreifens der Krise in Griechenland auf andere Staaten verringert. Im Falle einer ungeordneten Zahlungsunfähigkeit Griechenlands wäre hingegen nicht nur die positive deutsche Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre, sondern darüber hinaus der Zusammenhalt der Eurozone und der Europäischen Union insgesamt erheblichen Gefahren ausgesetzt.
Als wichtigen Schritt zur Schaffung einer Stabilitätsunion in der Eurozone haben die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten bei ihrem Gipfeltreffen am 30. Januar dieses Jahres den sogenannten Fiskalpakt vereinbart, der neue haushaltspolitische Regeln für den gesamten Euroraum sowie weitere acht beteiligte EU-Mitgliedstaaten enthält und spätestens im Januar 2013 in Kraft treten soll. Darin verpflichten sich die Staaten zu einer dauerhaft soliden Haushaltspolitik, die die Verankerung nationaler Schuldenbremsen einschließt. Haushaltssünder werden künftig schneller und härter bestraft. Steigt die Verschuldung übermäßig an, wird ein automatischer Mechanismus zur Durchführung von Korrekturmaßnahmen in Gang gesetzt. Diejenigen Staaten, deren öffentlicher Schuldenstand über dem Referenzwert von 60 % des Bruttoinlandsprodukts liegt, müssen ihre Schulden jährlich um durchschnittlich ein Zwanzigstel verringern. Mit dem Fiskalpakt wird die von der unionsgeführten Bundesregierung beschlossene deutsche Schuldenbremse zum Modell für die gesamte Eurozone. Dies ist ein ganz entscheidender Verhandlungserfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Neben der Einführung einer Schuldenbremse haben sich die Eurostaaten darauf verständigt, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bereits ab 1. Juli dieses Jahres in Kraft zu setzen. Dieser löst den bisherigen provisorischen Rettungsschirm EFSF ab. Der ESM-Vertrag sieht vor, dass der Fonds insgesamt maximal 500 Milliarden Euro an bedürftige Euro-Staaten ausleihen kann. Entscheidend ist dabei, dass sämtliche Mittel daraus zeitlich befristet und nur gegen strenge Auflagen - in der Regel in Form von Krediten - vergeben werden. Durch den Rettungsschirm sollen keine dauerhaften Abhängigkeiten geschaffen oder ein Art Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene etabliert werden. Ziel des ESM ist vielmehr, anderen Eurostaaten bei einer vorübergehenden Haushaltsnotlage unter die Arme zu greifen und dadurch Schaden vom Euro abzuwenden.
Deutschland hat ein elementares Interesse daran, zur Stabilisierung des Euro im Rahmen seiner Möglichkeiten beizutragen. Als exportorientierte Nation profitieren wir in besonderem Maße von einem stabilen Euro. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen kommt die Tatsache zugute, dass mit der Einführung des Euro das Währungsrisiko in der Eurozone entfallen ist. Mehr als 40 Prozent der deutschen Exporte gehen heute in andere Eurostaaten. Zudem hat der Euro seit seiner Einführung für Preisstabilität gesorgt und damit die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger in den Eurostaaten gesichert. Dies zeigt: Wirtschaft und Wachstum in Deutschland sind untrennbar mit der Stabilität des Euro verbunden. Es liegt daher in unserem ureigenen Interesse, ein Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern und die notwendigen Maßnahmen für den Erhalt des Euro zu ergreifen.
Der Deutsche Bundestag wird bei allen Maßnahmen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms, die seine Haushaltsverantwortung berühren, das letzte Wort haben. So darf die Bundesregierung allen wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der EFSF, wie etwa der Aktivierung des Rettungsschirms für einen Eurostaat sowie nachträglichen Änderungen an einem Sanierungsprogramm oder am EFSF-Vertrag selbst, nur dann zustimmen, wenn das Plenum des Deutschen Bundestages hierzu vorab ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat. Damit bleibt das Budgetrecht des Deutschen Bundestages in vollem Umfang gewahrt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages auch für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in vollem Umfang erhalten bleiben.
Die christlich-liberale Koalition sieht sich gegenwärtig mit einer Finanzkrise konfrontiert, die auf politische Verfehlungen in anderen Eurostaaten zurückzuführen sind. Darüber hinaus hat die rot-grüne Bundesregierung durch die Aufweichung der Stabilitätskriterien im Jahr 2005 maßgebliche Voraussetzungen für die derzeitige Schuldenpolitik einzelner Eurostaaten geschaffen. Nun steht jedoch unter anderem die CSU-Landesgruppe in der Verantwortung, einen annehmbaren und tragfähigen Umgang mit der Schuldenkrise zu finden, der den Interessen Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger am meisten gerecht wird.
Ich bin zuversichtlich, dass der von der christlich-liberalen Koalition eingeschlagene Weg die Grundlage für die dauerhafte Stabilisierung des Euro schaffen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dorothee Bär