Frage an Dorothee Bär von André S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Bär,
Die Lebensverhältnisse, in die nichteheliche Kinder geboren werden, sind - ganz zweifellos - in Deutschland auch häufig "suboptimal".
Ein Beispiel:
Eine ledige ALG II - Empfängerin ("Cindy") entbindet im Vollrausch in der Badewanne einer anonymen Plattenbauwohnung ihr viertes Kind, von der vierten männlichen Thekenbekanntschaft, die sie in der Hoffnung, endlich einen adäquaten "Versorgermann" gefunden zu haben, "abgeschleppt" hat. Während sie sich am nächsten morgen um 11 Uhr mit ihrer "Eroberung" langsam aus dem Bett pellt, haben die übrigen minderjährigen Kinder - sich selber überlassen - bereits eine Dose Hundefutter als Frühstück geöffnet, weil sie außer Bier nichts anderes gefunden haben.
Was bringt Sie - angesichts solcher, ebenfalls dokumentierter Lebenswirklichkeiten in Deutschland - zu der Erkenntnis, dass eine ledige Mutter - immer und in jedem Falle - zunächst erziehungsgeeigneter sein sollte? Sich - trotz all dem - jeder der vier Väter also erst in einem "Antragsverfahren" für das Sorgerecht qualifzieren müsste, obwohl sich eine solche ledige Mutter wohl fraglos längst Disqualifiziert hat?
Es ist wirklich eine Zumutung, allen ledigen Vätern einen solch demütigenden Antrag bei Gericht zuzumuten, um zu einem Elternrecht zu kommen, das ohnehin dem Naturrecht entspringt und daher - zunächst - beiden Eltern gleichermaßen - zuzufallen hat.
Es ist unserer "Cindy" durchaus zuzumuten, ihre Bedenken gegen die Verantwortungsfähigkeit der Väter ihrer Kinder substantiell zu begründen.
Wo nimmt (bzw. nahm) der deutsche Gesetzgeber in 1998 (Kindschaftsrechtsreform) das Recht her, es - ohne die Notwendigkeit einer stichhaltigen Begründung - der subjektiven Einschätzung einer ledigen Cindy (und damit ihrer Willkür) zu überlassen, ob ein Vater Träger des grundgesetzlich verbrieften Elternrechtes wird, oder nicht?
§ 1626a BGB war nichtig (!) von Anfang an (jur:: ex tunc)
Mit freundlichen Grüßen
André Sepeur
Sehr geehrter Herr Sepeur,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Das gemeinsame elterliche Sorgerecht nicht verheirateter Eltern wird auf folgender Basis ("erleichtertes Antragsverfahren") neu geregelt:
Der Vater kann wählen, ob er nach Abgabe einer Sorgeerklärung das Sorgerecht direkt beim Familiengericht beantragt oder sich (zunächst) an das Jugendamt wendet. Auch wenn er sich gegenüber dem Jugendamt erklärt, kann er jederzeit das Familiengericht anrufen, insb. wenn sich herausstellt, dass die Mutter sich beim Jugendamt nicht mit einer gemeinsamen Sorge einverstanden erklärt oder sich nicht äußert.
Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter eine Frist zur Stellungnahme von 6 Wochen, innerhalb derer sie zum Antrag des Vaters Stellung nehmen muss. Das Familiengericht entscheidet in einem beschleunigten schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern, wenn die Mutter nicht Stellung nimmt oder keine potenziell kindeswohlrelevanten Gründe geltend macht bzw. derartige Gründe dem Gericht auch sonst nicht bekannt geworden sind. Das Familiengericht spricht auch dem Vater das Sorgerecht zu, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung, "Beweislastumkehr").
Die Koalitionspartner haben sich nach reiflicher Überlegung für dieses Modell entschieden, da es im Einklang mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Belangen der Eltern sowie des Kindes am gerechtesten wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Dorothee Bär