Frage an Claudia Dalbert von Beate G. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Dalbert,
ich bin eine angagierte Ergotherapeutin hier in Halle,
aufgrund der anstehenden Landtagswahlen und dem Vorhaben in Sachsen-Anhalt z.B. Ganztagsschulen einzurichten, sind meine Fragen unter anderem:
1. Was passiert mit uns Ergotherapeuten, da sich die gesellschaftlichen Bedingungen ändern und die Kinder dann vorrangig die Ganztagsschulen besuchen werden? Wie können die Ergotherapeuten die medizinisch notwendigen Therapien dann noch gewährleisten? Wird dann die ergotherapeutische Leistung in die Ganztagsschule mit integriert bzw. bekommen die Therapeuten dann rechtlich die Zustimmung in die Einrichtungen zu fahren um dort die Therapien durchzuführen?
2. Wie genau sieht der Inklusionsansatz in den Sonderschulen aus, da diese ja in Sachsen-Anhalt rationiert werden sollen?
3. Wie genau sehen die Chancen der Ergotherapeuten im Gesundheitswesen aus, im Hinblick auf die Ost-West-Angleichung?
4. Gibt es auch in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit eines grundständigen Studienganges Ergotherapie?
Mit freundlichen Grüssen
Beate Grimm
Sehr geehrte Frau Grimm,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gern beantworten möchte.
Zu 1.) Es muss natürlich unser Ziel sein, dass notwendige ergotherapeutische Behandlungen auch in Ganztagsschulen gewährleistet sein müssen, sofern sie nicht zu anderen Zeitpunkten möglich sind.
Zu 2.) Wir wollen im Fall der inklusiven Beschulung eine konsequente Umsetzung der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Diese sieht vor, allen Kindern und Jugendlichen mit speziellem Förderbedarf den Besuch der allgemeinbildenden Schulen zu ermöglichen. Dies wird, unter Beachtung der Tatsache, dass es auch immer Kinder geben wird, die an allgemeinbildenden nicht optimal gefördert werden können, zur schrittweisen Auflösung der Sonderschulen führen.
Damit dies auch praktikabel wird, muss inklusiver Unterricht und die Betreuung in kleineren Klassen und mit mehr Fachpersonal erfolgen. Dazu müssen zum einen mehr SonderpädagogInnen ausgebildet werden und zum anderen müssen den LehrerInnen und dem pädagogischen Fachpersonal bessere Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung angeboten werden. Natürlich sind auch die baulichen, sächlichen und schulorganisatorischen Rahmenbedingungen für die inklusive Beschulung zu schaffen. Hierfür wollen wir die bisher für Förderschulen aufgewendeten Finanzierungsmittel und Personalstellen entsprechend umverteilen.
Zu 3.) Selbstverständlich müssen ErgotherapeutInnen, wie im Übrigen auch alle anderen Berufsgruppen, in Ost und West fair für ihre Leistungen vergütet werden. Hierauf hat der Gesetzgeber konkret allerdings keinen Einfluss, da die Aushandlung der Vergütung Sache der Selbstverwaltungspartner ist. In diesem Zusammenhang begrüßen auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Vertragsverhandlungen im Heilmittelbereich seit 2009 schiedsstellenfähig sind (§ 125 Abs. 2 SGB V). Dies macht die Verhandlungsposition für die ErgotherapeutInnen günstiger.
Der Bundesverband für ErgotherapeutInnen in Deutschland und der LSV-Spitzenverband haben zur Versorgung der Versicherten der Landwirtschaftlichen Krankenkassen im Jahre 2009 einen Rahmenvertrag geschlossen, der eine bundesweit einheitliche Vergütung der Leistungen vorsieht. Dieses Beispiel zeigt zumindest, dass auf dem Verhandlungswege prinzipiell Lösungen möglich sind, die Vergütungsunterschiede zu beseitigen.
Die Verdienstmöglichkeiten von ErgotherapeutInnen sind auch wesentlich vom Verordnungsverhalten der ÄrztInnen abhängig. Im Jahr 2009 betrugen die Ausgaben der GKV für den Heilmittelbereich 4,5 Milliarden Euro. Die Ausgaben stiegen damit im Vergleich zum Vorjahr um 2,3% (Heil- und Hilfsmittelreport 2010 der Barmer-GEK). Zumindest für die Versicherten der Barmer-GEK sind dabei die Ausgaben für die Ergotherapie in Sachsen-Anhalt von 2008 zu 2009 um 32,65% gestiegen. Laut Heilmittelbericht 2010 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) steigen die Heilmittelausgaben seit 2004 kontinuierlich an.
Die Zahlen zeigen, dass der Bedarf an Heilmitteln, also auch an ergotherapeutischen Leistungen, steigt. Es fließen jährlich mehr Mittel in diesen Bereich.
Zu 4.) Wie in anderen Gesundheitsberufen auch, z.B. der Pflege, sind wir natürlich auch in der Ergotherapie offen für Akademisierungsbestrebungen. Alle Gesundheitsberufe brauchen mehr akademische Expertise, sowohl für die wissenschaftliche Seite (Forschung etc.) als auch für die Berufspraxis (z.B. für Leitungs- und Steuerungsfunktionen). Ob das gesamte Berufsbild, d.h. die gesamte Ausbildung akademisiert werden sollte, muss man sicherlich diskutieren. Wir sind, zumindest in der Pflege, skeptisch, ob dies der richtige Weg wäre. Wir werden hier einen guten Mix aus verschiedenen Qualifizierungsniveaus brauchen, um die Versorgung auch weiterhin sicherzustellen.
In der vergangenen Wahlperiode hat die große Koalition einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem es verschiedenen Gesundheitsberufen, so auch der Ergotherapie, ermöglicht wird in Form von Modellen Ausbildungsinhalte auch an Hochschulen zu vermitteln (BT-Drs. 16/9898). Dies haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN damals im Grundsatz begrüßt, bei der Abstimmung wegen diverser Mängel in den Details aber letztlich enthalten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Claudia Dalbert