Frage an Bernd Christiansen von Alexander M. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Christiansen,
die Linke fordert auf ihren Wahlplakaten "eine Schule für alle". Bereits jetzt gibt es auf Gymnasien Schülerinnen und Schüler, die durch den Stoff unterfordert sind. Wie stellt es sich ihre Partei vor, dass eine Schule für alle, wirklich allen Beschulten gerecht wird und dass nicht das Mittelmaß regiert, so dass begabtere Schülerinnen und Schüler nicht unnötig gebremst und weniger begabte Schülerinnen und Schüler überfordert werden und resignieren?
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Malzkuhn
Sehr geehrter Herr Malzkuhn,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre an mich gerichtete Frage. Diese möchte ich, wenngleich nicht postwendend und hierfür bitte ich um Nachsicht, aus meiner Sicht wie folgt beantworten. Die Reform der Schulstruktur ist nicht nur in Hamburg, sondern auch in der gesamten Republik Deutschland mehr als überfällig. Dass das so ist , beweisen vergleichende europäische Erhebungen, wie u.a. die jüngst veröffentlichten Ergebnisse der PISA Studie. Diese Vergleichsstudien der letzten Jahre legen nahe, dass Mängel im deutschen Bildungssystem bestehen. Daher unterstützt DIE LINKE die Volksinitiative und fordert ?Eine Schule für Alle?. Das erfolgreiche Skandinavische Schulmodell dient somit als Vorbild.
Dabei steht im besonderen Fokus die Förderung statt Auslese, das gemeinsames Lernen statt Ausgrenzung und eine bessere Ausstattung der Schulen, damit allen Schülerinnen und Schülern alle Schulabschlüsse offen stehen. Kurzum, Ziel ist es, die Hamburger Schulen in Form der Schule für alle zu verbessern. Wir wollen damit Benachteiligungen von Schülerinnen und Schülern auf Grund ihrer Herkunft vermeiden und die Chancen gemeinsamen Lernens besser nutzen. Wir sind eben alle sehr unterschiedlich und verfügen über sehr differierende Talente und Neigungen. Ich meine, dass das auch gut so ist. Hochbegabte, also die sogenannten ?Überflieger?, welche den gesamten angebotenen Lehrstoff in Windeseile erfassen und verinnerlichen, sind, jedenfalls nach meinen Erkenntnissen nur in begrenzter Anzahl verbreitet.
Nun zum Kern Ihrer Frage, also das WIE. Die Schule für alle existiert bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhundert in Form der Grundschule von Klasse 1-4. Sie wird auch von niemanden infrage gestellt. Wir wollen diese Schulform bis zur Klasse 13 weiterführen, einschließlich einer beruflichen Ausbildung, Hierzu vertiefend der Entwurf des Bildungsprogramms für Hamburg. Eine Schule muss unserer Meinung nach der Vielfältigkeit, der Begabungen, der Verschiedenartigkeit, als auch den unterschiedlichen Neigungen und dem jeweiligen Entwicklungsstand der Schüler/innen gerecht werden. Das kann eine Schule dann, wenn sie Interessen der Schüler/innen und eine Schwerpunktsetzung nach Neigung und Begabung berücksichtigt, sowie das individuelle Lerntempo weitgehend von den Schüler/innen selbst bestimmt werden kann, anstatt im Gleichschritt vorwärts zu gehen; also eine breite Innendifferenzierung zulässt. Das heißt, alle Schüler/innen können an unterschiedlichen Themen und Bereichen gleichzeitig in jahrgangsübergreifenden kleinen Lerngruppen oder gar individuell arbeiten, z.B. die Jahrgänge 1-3, 4-7 usw. werden in gemeinsamen Lerngruppen schulisch zusammengefasst. Hier stellt sich die Frage, wie kann das in der Praxis gestaltet werden? Alle Schüler/innen erhalten Arbeitspläne (Wochenpläne, Monatspläne - es gibt verschiedene Modelle, siehe hierzu wiederum das Modell vieler Grundschulen). Die Schüler/innen schätzen sich und ihre Arbeitsergebnisse regelmäßig selbst ein, sie arbeiten ihre individuelle Arbeitspläne nach eigenen Interessen und Schwerpunktsetzung eigenverantwortlich ab, einzeln oder in Gruppenarbeit zusammen mit anderen Schüler/innen. Die Guten helfen den Schwächeren. Begleitender Vorteil ist es auch, dass das Sozialgefüge herbei positiv beeinflusst wird. Alle profitieren von der Zusammenarbeit und bringen bessere Leistungen. Das belegen zweifelsfrei die durchgeführten Untersuchungen aus Schweden. Diese Form des Unterrichts fördert die Schwächeren und stärkt die Lernstarke n. Beide profitieren von ihren jeweiligen Erfolgserlebnissen. Dadurch wird die Soziale Kompetenz, also das Sozialverhalten der Schüler und Schülerinnen zusätzlich gestärkt.
Was geschieht aber mit dem Schüler/in, die selbst bei diesem System nicht so recht mithalten können? Diese müssen individuell oder in Gruppen gesondert gefördert werden. Für alle diese Vorstellungen muss allerdings der Bildungsetats wesentlich erhöht werden, hierzu unser Sofortprogramm der DIE LINKE für Hamburg.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Christiansen