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Bärbel Bas
SPD
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Frage von Mike B. •

Wie erklärt sich die Präsenzpflicht in Sitzungswochen des Bundestages ?

Sehr geehrte Bundestagspräsidentin Frau Bas,
am Donnerstag, 30. März hielt der König des Vereinigten Königreichs Großbritannien eine Ansprache
vor dem Deutschen Bundestag, und es waren fast alle Bundestagsabgeordneten anwesend.
Meine Frage wäre, können Sie erklären warum in den normalen Sitzungen (z.B. 95. Sitzung 31.3.2023 9 Uhr ) selten mehr als ein Drittel
der Abgeordneten anwesend sind und das obwohl es eine Präsenzpflicht gibt ?
Dabei fällt dann auch auf das die Mehrzahl der Sitze während der Sitzung frei bleibt, bei der anschließenden namentlichen Abstimmung
jedoch eine weitaus höhere Anzahl der Abgeordneten abstimmt als an der Sitzung teilgenommen
haben.
Ein Beispiel: 95. Sitzung vom 31.03.2023. Top 14 Strompreisbremsegesetz …….
In der Sitzung, gut zu sehen im Parlamentsfernsehen, sind weniger als ein Drittel der Abgeordneten anwesend es stimmen aber namentlich 635 Abgeordnete ab.
Wie ist das zu erklären ?
Vielen Dank M.B.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung:

Wie Sie zu Recht feststellen, ist meist nur ein Teil der Bundestagsabgeordneten bei einer Debatte im Plenum anwesend. Der eher seltene Anblick eines vollbesetzten Parlaments hat jedoch gute Gründe, die mit der Organisation der parlamentarischen Arbeit und mit den vielfältigen Aufgaben von Abgeordneten zusammenhängen. Lassen Sie mich dies genauer erklären:

Die Berichterstattung über den Deutschen Bundestag konzentriert sich sehr auf das Geschehen im Plenum. Die dort geführten Debatten sind auch wichtig, um die unterschiedlichen Standpunkte und Argumente öffentlich deutlich und die am Ende getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Die Fernsehkameras können indes nur einen sehr begrenzten Ausschnitt der parlamentarischen Arbeit zeigen, so dass mitunter ein falsches Bild von der tatsächlichen Arbeitsleistung und dem Arbeitsaufwand der Abgeordneten entsteht.

Der Plenarsaal ist nicht der einzige „Arbeitsplatz“ der Bundestagsabgeordneten. Der größte Teil der Arbeit der Abgeordneten findet z.B. in verschiedenen Gremien statt, insbesondere in den Fachausschüssen des Bundestages. Hier werden die anstehenden Probleme eingehend erörtert, hier werden Gesetzentwürfe diskutiert, Kompromisse ausgehandelt und Entscheidungen des Plenums vorbereitet.

Der Deutsche Bundestag befasst sich mit einer Vielzahl verschiedener, meist sehr komplexer Sachverhalte, die die arbeitsteilige Organisation von Bundestag und Fraktionen und eine fachliche Spezialisierung der einzelnen Abgeordneten unumgänglich machen. Es ist offensichtlich, dass nicht jeder Abgeordnete auf jedem dieser Gebiete ein Fachmann sein kann. Die Abgeordneten spezialisieren sich daher, so dass die ganze Bandbreite politischer Sachgebiete abgedeckt wird und gleichzeitig zu jedem Thema die notwendigen Detailkenntnisse vorhanden sind. Die Expertise des fachlich zuständigen Abgeordneten prägt maßgeblich die Urteilsbildung seiner Fraktionskollegen. Das heißt umgekehrt aber auch, dass ein Abgeordneter bei Entscheidungen zu Themen, in denen er kein Fachmann ist, auf das Votum seiner Fraktionskollegen vertraut. An den jeweiligen Debatten im Plenum nehmen vornehmlich jene Parlamentarier teil, die sich in die entsprechende Materie eingearbeitet haben. Mit den Themen und Tagesordnungspunkten wechseln daher auch die Abgeordneten im Plenarsaal. Das erklärt auch die von Ihnen geschilderte Situation, dass bei den Abstimmungen mehr Abgeordnete teilnehmen als an den Debatten.

Jene Abgeordneten, die nicht im Plenum sind, sind indes nicht untätig. Ganz im Gegenteil: Die parlamentarische Arbeit erfordert über die Ausschussberatungen hinaus, an zahlreichen weiteren Gremiensitzungen teilzunehmen, Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, Sachverständigen, Medien oder Interessengruppen zu führen, Fachveranstaltungen zu besuchen, teilweise sehr umfangreiche Dokumente zu lesen etc. Nicht zuletzt warten täglich zahlreiche Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Unternehmen, Vereinen etc. aus dem Wahlkreis darauf, beantwortet zu werden.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

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