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Bärbel Bas
SPD
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Frage von Nadine Z. •

Welche Ursachen sehen Sie für den Rechtsruck und wie möchte die SPD einen Wahlsieg der AfD bei der nächsten Bundestagswahl verhindern ?

Sehr geehrte Frau Bas,
welche Ursachen sehen Sie für den Rechtsruck und wie möchte die SPD verhindern, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl eine Mehrheit im Bundestag erlangt?
Was möchten Sie in diesem Zusammenhang den resignierten Nicht-WählerInnen sagen ?
Wie möchten Sie die politisch Desinteressierten erreichen und für die Verteidigung der Demokratie gewinnen ?
Was möchten Sie den AfD-WählerInnen mitteilen ?
Was möchten Sie den ausländischen Fachkräften sagen, die große Unsicherheit verspüren und darüber nachdenken, ob sie Deutschland aus Sicherheitsgründen verlassen ?
Was möchten Sie den Menschen mit Migrationsgeschichte erwidern, die in Deutschland die Erfahrung gemacht haben, unerwünscht zu sein und sich gesellschaftlich ungeliebt fühlen ?
Und wie möchten Sie die demokratische Zivilgesellschaft stärken, die bereits auf den Straßen gegen Rechtsextremismus demonstriert ? Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Z.,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Unsere Demokratie und unser gesellschaftlicher Zusammenhalt sind in dieser Zeit auf eine Art herausgefordert, die wir uns vor wenigen Jahren noch nicht vorstellen konnten. Das zeigen nicht zuletzt die Veröffentlichungen des Recherchezentrums Correctiv.

Die schrecklichen Enthüllungen der Correctiv-Recherche sind menschenverachtend und mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Für mich als Sozialdemokratin gilt: Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit haben in unserer Gesellschaft keinen Platz – egal, ob sie sich gegen jüdische Menschen, muslimische Frauen und Männer, Sinti und Roma, People of Color, Menschen mit Behinderungen, queere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder andere Gruppen richten. Als SPD kämpfen wir seit 160 Jahren gegen rechts. Dabei lassen wir nicht nach und behalten die aktuellen Entwicklungen genau im Blick. Denn für uns ist klar: Eine demokratische und solidarische Gesellschaft lebt vom Respekt vor vielfältigen Herkunftsgeschichten, Glaubensrichtungen, Biografien, Lebensentwürfen sowie vor sexuellen Identitäten. Diesen Respekt bringen wir allen Menschen entgegen.

Darum sage ich allen 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland leben, arbeiten und sich engagieren: Ihr gehört zu uns! Ihr gehört zu Deutschland! Lasst uns daher gemeinsam unsere Demokratie, Freiheit und unsere vielfältige, offene Gesellschaft verteidigen. Deutschland ist ein Einwanderungsland und unsere vielfältige Gesellschaft ist eine Bereicherung.

Ich kann gut nachvollziehen, dass der erstarkende Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland Menschen im Ausland verunsichert und sie sich fragen, ob sie und ihre Familie hier eine sichere Zukunft haben. Aber ich bin überzeugt davon: Die große Mehrheit in unserem Land steht für unsere Demokratie und Menschlichkeit ein. Das zeigen die vielen Kundgebungen der letzten Tage überall in unserem Land. Das dürfen wir nicht kleinreden. Und den Menschen in Deutschland muss auch klar sein, dass wir auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sind, denn für viele mittelständische Unternehmen, Handwerksmeister, Gastronomen und andere Betriebe vor Ort ist die Suche nach Fachkräften schon heute eine existenzielle Frage. Darum braucht es eine wirkliche Willkommens- und Anerkennungskultur. Die Ampel-Regierung hat mit ihrem modernen Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine gute Grundlage dafür geschaffen.

Für mich steht fest: Wenn hochrangige und gewählte Politikerinnen und Politiker sowie Unternehmer, sich mit bekannten Rechtsextremisten treffen, um darüber zu beraten, die Grundrechte von Millionen von Deutschen zu beschneiden oder diese aus Deutschland zu deportieren, dann handelt es sich nicht um ein privates Treffen. Wie jetzt von manchen behauptet. Es ist daher wichtig, dass seit dieser Veröffentlichung die Menschen überall in Deutschland für Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft und gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf die Straße gehen – ein klares Bekenntnis in Richtung des Auslandes, aber auch nach innen.

Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, zeigte sich kurz vor dem Jahreswechsel besorgt über den zunehmenden, offen geäußerten Antisemitismus in Deutschland und das Erstarken rechtsextremer und rechtspopulistischer Kräfte. Er warnte davor, dass sich unsere Demokratie nur als Phase in der Geschichte erweisen könnte. Ich teile seine Sorge. Wir Demokratinnen und Demokraten dürfen daher in diesen Tagen und Monaten nicht nachlassen, lautstark für unsere Demokratie einzustehen.

Die Pandemie, der Klimawandel und die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine haben Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen. Ich kann gut verstehen, dass Viele müde und erschöpft sind. Denn diese Ereignisse sind nicht abstrakt. Sie haben spürbare Folgen im Alltag. Ob in der Familie, in der Schule oder im Betrieb. Ob an der Kasse im Supermarkt oder an der Tankstelle. Aber wir dürfen nicht die Zuversicht und das Vertrauen darin verlieren, dass wir gemeinsam und demokratisch in der Lage sind, unsere Zukunft zu gestalten. Denn alle Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir bewältigen. Unser Land hat dazu die finanziellen und technischen Möglichkeiten. Aber dies kann uns nur gemeinsam gelingen. Für uns Politikerinnen und Politiker bedeutet das ganz konkret, dass wir gefordert sind, sachlich an der Lösung bestehender Probleme zu arbeiten. Dann überzeugen wir auch die Bürgerinnen und Bürger.

Und ja, ich gebe zu, Demokratie ist anstrengend. Die vorhandenen vielfältigen Meinungen und Interessen innerhalb unseres Landes spiegeln sich auch in unserer Regierung wider. Dass es in einer Regierung mit drei so unterschiedlichen Partnern verschiedene Meinungen gibt, wie die Probleme in unserem Land am besten zu lösen sind, liegt auf der Hand. Es erfordert daher die Bereitschaft für Diskussionen und Kompromisse, nicht nur in der Regierung oder im Parlament, sondern auch im Alltag, im Beruf oder in der Familie. Das ist das Wesen der Demokratie und die Basis für ein menschenwürdiges und friedliches Miteinander. Was ich mir allerdings wünschen würde, ist, dass es in der Regierung nicht so oft ruckelt. Allerdings ist die Arbeit der Regierung besser als ihr Ruf.

Es gibt in unserer Demokratie verschiedene Möglichkeiten, seinen Unmut gegenüber der Politik kundzutun, u.a. durch Demonstrationen, Streiks oder bei Wahlen. Hierbei stehen verschiedene demokratische Parteien mit unterschiedlichen Programmatiken zur Auswahl. Oder man kann seinen lokalen Abgeordneten anschreiben und in den inhaltlichen Austausch gehen. Es gibt aber keine Rechtfertigung dafür, rechte oder rechtsextremistische Parteien zu wählen, die unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt beschädigen wollen. Das muss jeder Bürgerin und jedem Bürger klar sein, wir alle tragen Verantwortung für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft.

Damit unsere Demokratie eine Zukunft hat, braucht es daher eine starke Zivilgesellschaft und Engagierte, die sich in und für sie und unsere Gesellschaft einsetzen. Menschen, die bereit sind, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen, in demokratischen Parteien, in der Freiwilligen Feuerwehr, in Sportvereinen, in der Flüchtlingshilfe, in der Kommunalpolitik oder in anderen Bereichen. Diesen gegenüber müssen wir noch stärker unseren Respekt und unseren Dank zum Ausdruck bringen. Und sie selbst vor Anfeindungen und Gewalt schützen.

Es braucht eine Zivilgesellschaft, die sich Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus entschieden entgegenstellt. Und denjenigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zerstören wollen. Denjenigen, die die Würde des Menschen in Frage stellen und die gezielt Menschen aus unserer Gesellschaft ausschließen wollen. Angesichts dieser Gefahren sind mir viele Bürgerinnen und Bürger noch zu leise. Wir müssen lauter werden und deutlich machen: Wir sind mehr. Auf den Straßen, aber auch im Internet.

Und denjenigen, die unsere Demokratie und Freiheit noch immer für selbstverständlich halten oder diese nicht zu schätzen wissen, müssen wir deutlich machen: Wir müssen sie Tag für Tag gegen Angriffe verteidigen. Denn dass Demokratie, Frieden und Sicherheit in unserem Land keine Selbstverständlichkeit sind, zeigt uns der Blick in andere Länder sehr deutlich – etwa in den Iran, in die Ukraine und nach Israel.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de. Ein passender erster Ansprechpartner für Ihre Fragen und Ihre Anliegen ist stets Ihre lokale Abgeordnete bzw. Ihr lokaler Abgeordneter vor Ort.   

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

 

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