Frage an Antonius Becker von Martin W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Becker,
wie Sie sicherlich wissen, gehört fast ein Drittel der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft an. Trotzdem gibt es immer noch einige gesellschaftliche Bereiche, in denen Konfessionslose benachteiligt oder sogar offen diskriminiert werden. Ich würde gerne von Ihnen erfahren, inwieweit Sie sich im Parlament wie auch im Wahlkreis für die Belange dieser Bevölkerungsgruppe einsetzen werden. Konkret möche ich meine Fragen auf den Bereich der sozialen Einrichtungen konzentrieren:
Für Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gilt ein eigenes Arbeitsrecht mit besonderen „Loyalitätspflichten“. So werden in „kirchlichen“ Krankenhäusern oder Altenheimen, obwohl diese in der Regel zu 100% aus den Sozialkassen finanziert werden, den Beschäftigten wichtige Grundrechte vorenthalten. Konfessionslose oder andersgläubige Ärztinnen, Altenpfleger oder Hausmeister finden dort unter Umständen keine Anstellung. In katholischen Einrichtungen kann sogar die Wiederverheiratung nach einer Scheidung zur Entlassung führen.
- Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dahingehend geändert wird (§ 9), dass in Sozialeinrichtungen, die von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden, Konfessionslose und Andersgläubige nicht länger diskriminiert werden können?
- Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Betriebsverfassungsgesetz dahingehend geändert wird (§ 118, 2), dass in Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zukünftig dieselben Regelungen greifen wie in normalen Tendenzbetrieben (Medien, Parteien usw.)?
Sehr geehrter Herr Werner,
ich stehe grundsätzlich für eine säkuläre Gesellschaft. Darin können Kirchen und kirchliche Einrichtungen natürlich genauso gesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen wie andere Organisationen und Gruppen auch. Meist werden diese Aufgaben zu großen Teilen aus Steuermitteln o.ä. finanziert. Dann ist es für mich aber auch eine Selbstverständlichkeit, dass für die Beschäftigten in diesen Aufgabenbereichen kein spezielles kirchliches Arbeitsrecht gelten darf, sondern gleiche Regeln wie in ähnlichen gesellschaftlichen Einrichtungen auch.
Ihre beiden konkreten Fragen kann ich also klar mit JA beantworten.
Zu Ihrer Information hier noch der entsprechende Auszug aus dem Grünen Wahlprogramm, in dem dieses Thema noch detaillierter ausgeführt wird: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen unterliegen den Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts. Damit stehen ihnen wesentliche ArbeitnehmerInnenrechte nicht zu. Diese Praxis stößt auch innerhalb der Kirchen immer mehr auf Kritik. Denn Loyalitätsanforderungen der ArbeitgeberInnen auch außerhalb von Verkündigungsbereichen, die sich auf die private Lebensführung seiner MitarbeiterInnen beziehen, passen nicht in eine demokratische Gesellschaft. Wir werden mit den Kirchen, den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlich Beteiligten in einen Dialog treten, damit sich die Situation der Beschäftigten verbessert. Wir wollen, dass die kirchlichen MitarbeiterInnen außerhalb der Verkündigungsbereiche die gleichen Rechte bekommen wie andere ArbeitnehmerInnen auch. Daher wollen wir für sämtliche Beschäftigungsverhältnisse jenseits des Bereichs der Verkündigung das kirchliche Arbeitsrecht abschaffen. Dazu gehört das Recht zur Bildung von Betriebsräten und das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit einschließlich der Streikfreiheit. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir mit dem Ziel ändern, dass seine Bestimmungen wie in anderen Tendenzbetrieben auch auf Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen Anwendung finden."
Viele Grüße
Antonius Becker