Frage an Angelika Niebler von Marcus K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Niebler,
leider haben Sie Ihre Einstellung zum Freihandelsabkommen TTIP noch nicht auf der Webseite www.ttipcheck.eu kundgetan. Daher erlaube ich mir, Sie bzgl. Ihrer Haltung auf diesem Wege zu befragen. Ich beziehe mich dabei auf die Fragen, welche die Abgeordneten auf der genannten Internetseite eingeladen sind, mit ja oder nein zu beantworten. Ich erweitere die dortigen Fragen um das ebenfalls geplante Freihandelsabkommen CETA und bitte Sie, die Aussagen 1. Bis 4. Nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten.
Ich lehne das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ab, wenn es
1. bestehende nationale und europäische Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutzstandards schwächt.
Ich setze mich dafür ein, dass die Schwächung von Standards und alle Mechanismen innerhalb von TTIP, die das verursachen könnten, in der TTIP-Resolution vom EP klar abgelehnt werden und werde nur dann eine solche Resolution mit meiner Stimme unterstützen. Ja oder Nein?
2. ein Investor-Staat-Klagerecht (ISDS) vorsieht.
Ich setze mich dafür ein, dass ISDS in jeder Form in der TTIP-Resolution vom EP klar abgelehnt wird und werde nur dann eine solche Resolution mit meiner Stimme unterstützen.
Ja oder Nein?
3. ein Verfahren der regulatorischen Kooperation vorsieht.
Ich setze mich dafür ein, dass die regulatorische Kooperation in der TTIP-Resolution vom EP klar abgelehnt wird und werde nur dann eine solche Resolution mit meiner Stimme unterstützen.
Ja oder Nein?
4. kommunale Dienstleistungen und die öffentliche Daseinsvorsorge erfasst.
Ich setze mich dafür ein, dass ein Negativlistenprinzip für Dienstleistungen in der TTIP-Resolution vom EP klar abgelehnt wird und werde nur dann eine solche Resolution mit meiner Stimme unterstützen.
Ja oder Nein?
Herzlichen Dank im Voraus,
M. K.
Sehr geehrter Herr K.,
haben Sie besten Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de, in der Sie sich nach meiner Position zum Thema TTIP erkundigt haben. Darüber hinaus haben Sie kritisiert, dass ich auf der Webseite www.ttipcheck.eu noch nicht meine Einstellung zum Freihandelsabkommen kundgetan habe.
Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, den Fragenkatalog auf der von Ihnen genannten Homepage zu beantworten. Wir sind weit davon entfernt, einen endgültigen Verhandlungstext vorliegen zu haben. Jedoch steckt - wie so oft - der Teufel im Detail. Gerne nehme ich daher nachfolgend ausführlicher auf die verschiedenen Fragen Stellung:
Zu 1) Schwächung der Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutzstandards:
Das Europäische Parlament hat erstmals im Mai 2013 in einer Resolution zum Thema TTIP seine "roten Linien" klar definiert. Bereits zum damaligen Zeitpunkt betonte das Europäische Parlament ausdrücklich, dass ein Abkommen mit den USA keinesfalls zu einer Verminderung der europäischen Standards beispielsweise im kulturellen und audiovisuellen Bereich, im Datenschutz und im Hinblick auf den Schutz des geistigen Eigentums führen darf. Gerade im Hinblick auf sensible Themen, wie etwa genetisch veränderte Organismen (GVO), Klonen und Verbrauchersicherheit müssen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU beachtet und anerkannt werden.
Bei den Verhandlungen mit den USA geht es nicht darum, unsere hohen europäischen Standards zu senken - schließlich wollen auch die USA umgekehrt keine Absenkung ihrer Standards (deutsche Äpfel können beispielsweise de facto nicht in die USA exportiert werden, weil sie die dortigen Standards schlichtweg nicht erfüllen). Die Verhandlungspartner sind sich hier einig, dass es bei den Themen Sicherheit, Verbraucher- oder Umweltschutz keine Kompromisse geben wird.
Zu 2) Investor-Staat-Klagerecht
Beim Thema Schiedsgerichte bin ich überzeugt, dass wir in dem Handelsabkommen mit den USA keine Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit benötigen. Sowohl bei den USA als auch bei den Ländern der Europäischen Union handelt es sich um Staaten, deren Rechtssysteme auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit beruhen. Wir sollten im Rahmen von TTIP darauf hinwirken, dass ein internationaler Handelsgerichtshof aufgebaut wird, bei dem ISDS verhandelt werden können: ein Gerichtshof, der grundsätzlich öffentlich tagt, eine Berufungsinstanz vorsieht und dessen Richter unabhängig sind.
In der vergangenen Woche hat die für den Internationalen Handel zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström Vorschläge für eine Reform des Schiedsgerichtssystems im TTIP vorgestellt. Diese Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Die EU-Kommission hat verstanden, dass sie Gefahr läuft, das Handelsabkommen mit den USA vollständig scheitern zu lassen, sollten die Streitbeilegungsverfahren zwischen Investoren und Staaten so bleiben, wie sie sind. Die nun vorgelegten Vorschläge der EU-Kommission sehen vor, langfristig einen solchen multilateralen Schiedsgerichtshofs für Investor-Staat-Streitigkeiten zu etablieren.
Darüber hinaus soll es künftig eine Berufungsinstanz geben, was bislang bei den Schiedsverfahren nicht vorgesehen ist. Auch das Schiedsverfahren an sich soll wesentlich mehr Transparenz erfahren. Die "Schiedsrichter" sollen eine bestimmte Qualifikation wie ein nationales Richteramt oder ähnliches vorweisen können und entweder von einer von den beteiligten Staaten erstellten Liste ausgewählt oder sogar ausgelost werden. Damit soll die Unabhängigkeit der Entscheider sichergestellt werden. Rechtsanwälte, die gleichzeitig in einem anderen Schiedsverfahren tätig sind, könnten demnach keine Schlichtung mehr vornehmen.
Zu 3) Verfahren der regulatorischen Kooperation
Eine regulatorische Kooperation zwischen der EU und den USA existiert bereits seit 2007 in einem "Hochrangigen Forum für regulatorische Zusammenarbeit" im Rahmen der Vereinbarungen des Transatlantischen Wirtschaftsrats (TEC). Der Grundgedanke, der hier dahinter steckt, ist zunächst einmal richtig: In der EU und in den USA gelten derzeit immer noch größtenteils unterschiedliche Normen und Regeln für Produkte und Dienstleistungen. Insbesondere Exporteure von Waren und Dienstleistungen stoßen hier auf Schwierigkeiten, weil sie ihre Produkte zwei Mal testen, zulassen oder zertifizieren müssen. Dies ist mit Aufwand und Kosten verbunden. Mit der "regulatorischen Kooperation" soll mittels einer engeren Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden in der EU und den USA erreicht werden, dass beispielsweise in der Automobil-, Chemie- und Pharmaindustrie unnötige (doppelte) Vorschriften im Handel vermieden, Zertifizierungsverfahren gegenseitig anerkannt oder auch Produktanforderungen harmonisiert werden.
Hier wird es meines Erachtens auf folgende Punkte ankommen:
- Welche Bereiche werden von der regulatorischen Kooperation am Ende erfasst sein und welche bleiben ausgeschlossen?
- Wird es sowohl dem Gesetzgeber in den USA als auch dem Gesetzgeber in der EU weiterhin möglich sein, das von ihm angestrebte Schutzniveau (einschließlich höherer Schutzniveaus) zum Schutz von Gemeinwohlinteressen selbst festzulegen?
- Welche Rolle spielt der angedachte Regulierungsrat (Regulatory Cooperation Body)? Diesen sehe ich persönlich ebenfalls sehr kritisch.
Zu 4) Kommunale Dienstleistungen und die öffentliche Daseinsvorsorge
Seit Beginn der TTIP-Verhandlungen mit den USA setzen wir uns im Europäischen Parlament dafür ein, dass es nicht zum Absenken unserer EU-Standards kommt und die kommunale Daseinsvorsorge durch das Abkommen nicht beeinträchtigt wird. Wir werden nicht zulassen, dass es über TTIP zur Aushöhlung unserer europäischen, nationalen, regionalen oder kommunalen Gsetzgebungskompetenz kommt.
In einem umfangreichen Fragenkatalog, der von den baden-württembergischen kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet wurde, hat auch die EU-Kommission ausführlich zu der Frage Stellung genommen, wie sie sicherstellen möchte, dass die im Lissabon-Vertrag festgelegten Standards hinsichtlich kommunaler Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge ungeschmälert bleiben.
Darin führt sie auf, dass alle bisherigen Handelsabkommen der EU, einschließlich dem Abkommen zwischen der EU und Kanada (CETA), eine allgemeine Ausnahme von Verpflichtungen (ein sogenannter Vorbehalt) für den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge beinhalten (z. B. im öffentlichen Gesundheits- oder Bildungswesen oder in der Wasserversorgung). Dies erlaubt es unter anderem, öffentliche Monopole oder Konzessionen für bestimmte inländische private Anbieter auf kommunaler Ebene zu unterhalten. Eine Verpflichtung zur Privatisierung besteht nicht. Darüber hinaus gestatten es weitere spezifische Vorbehalte ausdrücklich, Anbietern von außerhalb der EU – über die Unterhaltung von öffentlichen Monopolen und Konzessionen hinaus – den Zugang zum EU Markt zu verwehren.
Bei Dienstleistungen, die ausschließlich privat finanziert werden, kann jeder Mitgliedstaat individuell entscheiden, inwieweit er sich verpflichten möchte, den Marktzugang von außereuropäischen Anbietern zuzulassen.
Den vollständigen Fragenkatalog samt Antworten der EU-Kommission finden Sie im Übrigen online auf Deutsch auf folgender Website:
http://ec.europa.eu/carol/index-iframe.cfm?fuseaction=download&documentId=090166e59d8583b3&title=2015-01-29_Fragenkatalog
Abschließend erlaube ich mir die Anmerkung, dass es ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments kein TTIP-Abkommen geben wird. Wir Abgeordneten werden daher das endgültige Verhandlungsergebnis äußerst genau und kritisch prüfen und dann entscheiden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angelika Niebler, MdEP