Frage an Andrea Lindholz von Ulrich M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Lindholz,
die "Rettung" von Griechenland steht nun zum wiederholten Male zur Abstimmung. Mich und meine Familie würde interessien, wie sie bei einer weiterenAbstimmung über ein weiteres Rettungspaket für GR abstimmen würden? Zur Diskussion stehen fast 90.000 Millionen €. Wie schätzen Sie die Reformen von Griechenland in den letzten 5 Jahren ein? Was halten Sie von dem Vorschlag GR, ab 62 Jahren mit 40 Berufsjahren in Rente gehen zu können? In Deutschland dürfen wir immerhin mit 63 Jahren und 45 Berufsjahren in Rente gehen. Finden Sie das korrekt? Darf das Paket ohne Sicherheiten, wie bisher, genehmigt werden?
Auf Ihre Antwort hoffend, verbleibe ich mit freundlichen Gruessen.
Ulrich Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie einige Fragen im Hinblick auf ein mögliches Drittes Anpassungsprogramm für Griechenland aufwerfen. Ihre Bedenken kann ich gut nachvollziehen und ich teile sie auch in gewisser Hinsicht. Gerne gehe ich im Folgenden auf Ihre Fragen ein.
Am vergangenen Freitag hat der Deutsche Bundestag der Bundesregierung mit großer Mehrheit das Mandat erteilt, ernsthafte Verhandlungen über ein 3. Anpassungsprogramm für Griechenland aufzunehmen. Auch ich habe am Freitag diesem Mandat zugestimmt. Dies bedeutet nicht, dass ich einem dritten Hilfsprogramm zugestimmt habe. Zunächst gilt es die Verhandlungen und die konkreten Ergebnisse des Verhandlungsprozesses abzuwarten. Erst dann kann ich entscheiden, ob ich ein solches Programm für vertretbar halte.
Dass die Strategie der Bundesregierung "Hilfe gegen Reformen" funktioniert, zeigen andere (ehemalige) Krisenländer. Portugal, Irland und Spanien haben dank des Eurorettungsschirms die nötige Zeit gewonnen, um umfangreiche und teilweise sehr schmerzhafte Reformen durchzusetzen. Sie haben ihre Chance erfolgreich genutzt und stehen heute wieder auf eigenen Füßen. Die Märkte bewerten sie trotz der Turbulenzen der Griechenland-Krise als solide. Griechenland hingegen wurde stets als Sonderfall bezeichnet, da die Probleme dort viel tiefgreifender sind.
Im Hinblick auf die Reformleistungen Griechenlands in den vergangenen fünf Jahren ist festzuhalten, dass sich auch in Griechenland im Jahr 2014 im Ansatz einige erste Reformerfolge in Form des ersten Wirtschaftswachstums seit 6 Jahren, erfolgreicher Haushaltskonsolidierung (vor Schulden/Primärsaldo) und eines leichten Absinkens der Arbeitslosigkeit (-2%) , zeigten. Diese hart erarbeiteten Erfolge hat die Regierung Tsipras binnen weniger Monate ebenso verspielt, wie ein Großteil des Vertrauens in der Euro-Zone. Vor allem aber hat die griechische Regierung Tsipras das eigene Land in eine äußerst prekäre Lage manövriert. Europa ist ein Staatenbund, kein Bundesstaat. Daher liegt es allein an der griechischen Regierung zu entscheiden, was mit dem eigenen Land passieren wird.
Die Verhandlungen sind völlig offen, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhältnisse in Griechenland. Nach wie vor bin ich aber sehr skeptisch, ob mit dieser griechischen Regierung ein vernünftiges Ergebnis erzielt werden kann. Festhalten muss man, dass sowohl der Bundesfinanzminister, als auch die Bundeskanzlerin mit hohem persönlichem Einsatz und aller gebotenen Härte verhandelt haben und dies auch weiterhin tun werden. Ich vertraue beiden, dass sie ihre ganze Kraft für das Wohle Deutschlands und Europas einsetzen. Dadurch habe sie ein gutes Ergebnis erzielt, was sich vor allem auch in den umfassenden Reformen niedergeschlagen hat, die das griechische Parlament in der vergangenen Woche erstaunlich großer Mehrheit beschlossen hat. Dieser Reformwille rechtfertigt in meinen Augen noch keine Weiterführung der Hilfen, allerdings schafft neues Vertrauen, das als Grundlage für Verhandlungen unverzichtbar ist.
Unter den verabschiedeten Reformen vom vergangenen Mittwoch finden sich auch Maßnahmen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit des Rentensystems als Teil einer umfassenden Rentenreform. Die Reform des Rentensystems ist ein Bereich, auf den die internationalen Gläubiger besonderes Augenmerk gelegt haben. Denn ein großes Problem des griechischen Rentensystems ist die mangelhafte finanzwirtschaftliche Nachhaltigkeit. Als problematisch erweisen sich auch die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die die von Ihnen angesprochenen Frühverrentungen erlauben. Dennoch darf man, wenn man über das griechische Rentensystem spricht nicht außer Acht lassen, dass insbesondere die soziale Absicherung in Griechenland nicht mit dem deutschen System vergleichbar ist. Dieser Missstand wird daher nicht selten über das Rentensystem abgefedert. Das Beispiel zeigt, dass Griechenland große (Reform-)Herausforderungen zu meistern hat.
Letztendlich liegt es an Griechenland, diese Chance zu nutzen. Deutschland steht zu seinem Wort: Solidarität gibt es nur im Gegenzug für Reformen. Da sich die amtierende griechische Regierung diesen Reformen lange verweigert hatte, wurde die letzte Tranche aus dem 2. Hilfsprogramm konsequenterweise zurückgehalten. Die Auszahlung der vergangenen beiden Programme in Form von Tranchen, die an Reformen gekoppelt sind, hat dies möglich gemacht. Die aktuellen Verhandlungen sollten darauf ausgerichtet sein, dass die Kotrollen der Reformen noch engmaschiger und strikter durchgeführt werden können. Ein erster Schritt hierzu ist die Tatsache, dass Vertreter des IWF, der EZB und der EU-Kommission den Reformprozess nun wieder vor Ort in Athen überprüfen werden. Sollten die Verhandlungen scheitern muss sicherlich der Schäuble-Plan diskutiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB