Frage an Andrea Lindholz von Wilfried B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lindholz,
sowohl ich selbst als auch immer mehr Menschen in meiner Umgebung erfüllt es mit wachsender Sorge, wie die Mehrzahl unserer politischen Repräsentanten angesichts der antidemokratischen Ungeheuerlichkeiten, die da unter den technokratischen Kürzeln CETA, TTIP oder TISA vorbereitet werden, immer noch ungerührt bleiben und NICHT ihr ganzes Gewicht einsetzen, um diesen weiteren großen Schritt zur endgültigen Machtübergabe an die multinationalen Konzerne noch zu stoppen.
Frau Lindholz, ich erspare mir die Anführung der Argumente, welche hier so klar auf der Hand liegen, und frage Sie rundheraus: wie gedenken Sie persönlich in dieser Frage Ihrer Verantwortung als Abgeordnete zu entsprechen?
Freundliche Grüße
W. Bauer, Aschaffenburg
Sehr geehrter Herr Bauer,
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie auf Ihre Bedenken hinsichtlich des geplanten transatlantischen Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten eingehen. Gerne nehme ich zur Problematik kurz Stellung.
Mit der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) wurden und werden einerseits große Hoffnungen und Erwartungen für die Vertiefung der Transatlantischen Partnerschaft verbunden. Mit TTIP soll nicht nur der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt geschaffen werden. Vielmehr können damit die westlichen Demokratien auch entscheidende strategische Weichen für das 21. Jahrhundert stellen, etwa mit Blick auf globale Abkommen im Handels- oder Klimaschutzbereich. Zugleich gibt es eine Menge Bedenken, ob Arbeitnehmerrechte, soziale Sicherheitsstandards, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards und die öffentliche Daseinsvorsorge durch ein solches Abkommen gefährdet sein könnten.
Auch eine unzureichende Parlamentsbeteiligung wird regelmäßig kritisiert. Internationale Abkommen der EU verhandelt die EU-Kommission jedoch regelmäßig. Das ist Erwägungen der Praktikabilität geschuldet. Auch in Deutschland verhandelt aus eben diesen pragmatischen Gründen nicht das Parlament, sondern die Exekutive über internationale Verträge. Das Europäische Parlament (EP) wird regelmäßig über den Verhandlungsstand unterrichtet und kann sich dazu äußern. Nach dem Vertrag von Lissabon hat es dann das Recht, dem ausgehandelten Vertrag entweder zuzustimmen oder ihn in Gänze abzulehnen.
Neben dem Europäischen Parlament diskutiert auch der Bundestag das Thema kontrovers und begleitet es kritisch. Ihre Bedenken kann ich daher nachvollziehen. Sicherlich hätte die Transparenzoffensive der EU-Kommission früher einsetzen müssen. Obwohl inzwischen umfassend informiert wird, bleiben auch für mich als Abgeordnete des Deutschen Bundestages viele Fragen offen. Allerdings sind die Verhandlungen auch im letzten Jahr nicht sonderlich weit fortgeschritten. Das heißt: die konkrete Ausgestaltung des Abkommens ist noch recht vage, Details liegen kaum vor. Die Verhandlungspartner haben sich auf Eckpunkte geeinigt. Im Verlauf diesen Jahres sollen diese Eckpunkte konkretisiert werden, sodass bis Ende des Jahres ein konkreter Vertragstext vorliegt.
Für mich ist jedoch klar: Wir müssen in Europa unsere relativ hohen Standards erhalten. Dies wurde auch ausdrücklich im mittlerweile im Internet veröffentlichten Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission festgeschrieben. Insbesondere die Ausgestaltung des Bereiches der Schiedsgerichtsbarkeit, die Sie in Ihrer E-Mail erwähnen und der zur Zeit noch von den Verhandlungen ausgenommen ist, verdient eine genaue Prüfung. Auch hier stellen sich mir aktuell viele Fragen, die vor einer Unterzeichnung des Abkommens zu klären sind.
Auf den Internetseiten des Bundeswirtschaftsministeriums sowie der Europäischen Kommission kann sich jeder ausführlich über die laufenden Verhandlungen informieren. So stellt die EU-Kommission nun regelmäßig Rechtstexte und Positionspapiere zum Thema zur Verfügung. Weitere ausführliche Informationen zu TTIP finden Sie auch auf der Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Sehr geehrter Herr Bauer, ich kann Ihnen versichern, dass weder meine Fraktion noch ich selbst die Bedenken hinsichtlich des TTIP auf die leichte Schulter nehmen. Fraktionsintern wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, in der sich Fachpolitiker aller potentiell betroffenen Bereiche intensiv mit den Problemen rund um TTIP auseinandersetzen. So wird sichergestellt, dass auch im Bundestag der Verhandlungsprozess intensiv und aufmerksam verfolgt und begleitet wird. Wie bereits erwähnt dauern die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und der entsprechenden Stelle auf US-Seite an. Ein abschließender konkreter Vertragstext, der dann ggf. auch der Zustimmung der nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten (in Deutschland des Bundestages) bedarf, liegt noch nicht vor. Von der konkreten Ausgestaltung des Vertrages wird auch abhängen ob das Europäische Parlament (einfaches Abkommen) und/oder die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten (gemischtes Abkommen) dem Abkommen zustimmen müssen. Unabhängig von der Notwendigkeit einer Abstimmung des Bundestages zum TTIP-Abkommen werde ich die Verhandlungen weiterhin verfolgen und stehe Ihnen hierzu gerne jederzeit erneut als Ansprechpartnerin unter andrea.lindholz@bundestag.de zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB