Frage an Andrea Lindholz von Yannis S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Lindholz,
mir ist aufgefallen, dass sie sowohl gegen die Kennzeichnung von Gen-Honig, als auch gegen das Verbot von Genmaisanbau in der EU gestimmt haben.
Aber sollten Verbraucher nicht selbst entscheiden können ob sie nun Gen-Produkte zu sich nehmen ? Wenn Gen-Produkte nicht gekennzeichnet werden, dann ist doch für den normalen Verbraucher nicht ersichtlich ob es sich nun um genveränderte Produkte handelt oder nicht. Außerdem ist es, meines Wissens jedenfalls ,noch gar nicht klar ob solche Produkte nicht schädlich für den menschlichen Körper sind, und da wäre es doch nur fair , wenn Gen-Produkte gekennzeichnet werden, damit jeder selber entscheiden kann, ob er diesen Produkten nun vertraut oder ob er bei den „natürlichen“ Produkten bleibt.
Das größte Problem was ich sehe ist, dass beim Anbau von Genmais das Nachbarfeld die Ausbreitung des Mais nicht kontrolliert werden kann, und so verteilen der Wind, Vögel, Bienen oder andere Tiere die genveränderten Samen und Pollen in der Umgebung. Wenn ein Bio-Bauer nun ein Feld in der Nähe besitzt, kann es passieren, dass er seinen Bio-Status aberkannt bekommt, weil seine Pflanzen mit den Pollen bestäubt wurden und sich so auch genverändert haben, und so die Lebensgrundlage des Bauers wegfällt. Durch den Anbau von Genmais würde man also zum einen die Existenzgrundlage vieler Bauern zerstören und zum anderen das Bio-Siegel abwerten, da niemand mehr mit Sicherheit sagen kann ob die Produkte wirklich „Bio“ sind.
Ist es deshalb nicht eigentlich sinnvoller Gen-Produkte zu verbieten oder wenigsten zu kennzeichnen? Sind bei dieser Entscheidung nicht die kleinen Betriebe die Verlierer , die auf Bio- bzw. nicht veränderte Produkte gesetzt haben?
Mit freundlichen Grüßen,
Yannis Schöneberg
Sehr geehrter Herr Schöneberg,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Bei dem Gedanken an genmanipulierte Pflanzen auf unseren Feldern ist auch mir nicht wohl, weshalb ich Ihre Bedenken gut nachvollziehen kann. Ich habe mir die Entscheidungen nicht leicht gemacht und möchte gerne noch einmal auf die Hintergründe eingehen.
In ihrem Genmais-Antrag forderte die Grünen-Fraktion die Bundesregierung auf, die Zulassung der Genmais-Sorte 1507 im EU-Ministerrat abzulehnen. Eine große Mehrheit der Menschen in den EU-Mitgliedsstaaten, so die Grünen zur Begründung, sei gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Situation im Rat der europäischen Landwirtschaftsminister stellte sich leider gänzlich anders dar. Eine große Mehrheit der EU-Agrarminister, ausgenommen unser damaliger deutscher Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich MdB, folgte dort den Befürwortern des Anbaus dieser Genmais-Sorte. Die Befürworter berufen sich v.a. darauf, dass es trotz jahrelanger Untersuchungen keinen tragfähigen wissenschaftlichen Beweis gibt, der die Bedenken gegen die Maissorte 1507 untermauern könnte. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse konnte Deutschland daher die Einführung der Maissorte im Rat der EU nicht verhindern. Die Bundesregierung beschloss daraufhin sich bei der Abstimmung im Rat zu enthalten. Der Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen war also bereits zum Zeitpunkt der Abstimmung im Deutschen Bundestag überholt und wurde deshalb zu Recht abgelehnt.
Natürlich bin ich mir bewusst, dass ein fehlender wissenschaftlicher Nachweis nicht automatisch die Unbedenklichkeit dieser Maissorte bedeutet. Es ist äußerst schwierig, die befürchteten langfristigen Folgen vorab wissenschaftlich zu belegen. Die CSU will sich daher dafür einsetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Maissorte 1507 das sogenannte "Opt-Out"-Verfahren einsetzt. Diese Schutzklausel im Rahmen der EU-Freisetzungsrichtlinie erlaubt es den Mitgliedsstaaten, trotz eines anderslautenden Beschlusses auf europäischer Ebene, die Zulassung genveränderter Pflanzen auf nationaler Ebene zu verbieten. Dafür müssen entsprechend schwerwiegende Bedenken vorgebracht werden. Unsere frühere Bundeslandwirtschaftsministerin, Frau Ilse Aigner MdL, hat auf diese Weise im Jahr 2009 die Zulassung genveränderten Maissorte MON810 in Deutschland erfolgreich untersagt. Aus den Reihen der deutschen Landwirte hören wir zudem, dass in Deutschland kaum Interesse an der Einfuhr von Gen-Mais besteht. Insofern bedeutet auch die Enthaltung der Bundesregierung im Rat nicht automatisch die Zulassung der Gen-Maissorte 1507 in Deutschland.
Der Antrag der Grünen zur sog. EU-Honigrichtlinie war ebenfalls ein reiner Schaufensterantrag, der von vornherein völlig überholt war. Die Grünen wollten mit diesem Antrag die Bundesregierung auffordern, sich auf EU-Ebene für eine Kennzeichnungspflicht von Honig einzusetzen, der aus Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen entsteht. Mit diesem Anliegen kamen die Grünen allerdings viel zu spät. Das Europäische Parlament hatte bereits am 15. Januar 2014 beschlossen, dass Pollen nicht als Zutat, sondern als natürlicher Bestandteil einzustufen sind. Denn man kann den Bienen nicht verbieten Pollen zu sammeln bzw. kontrollieren ob und in welchem Umfang Pollen in den Honig gelangen. Der Pollenbestandteil ist daher zufällig und nicht bewusst gesteuert, wie es bei Zutaten von Lebensmitteln der Fall ist. Mit dem Beschluss des Europäischen Parlamentes entfällt eine Kennzeichnungspflicht bei Honig weiterhin. Die Verhandlungen auf EU-Ebene waren also längst abgeschlossen, bevor die Grünen mit ihrem überholten Antrag auf den längst abgefahrenen Zug aufspringen wollten.
Eine Kennzeichnungspflicht würde - im Fall von Honig - auch keinen wirklichen Zusatznutzen für die Verbraucher bringen. Denn der Pollenanteil im Honig ist so gering, dass kein Schwellenwert für zugelassene Anteile gentechnisch veränderter Organismen (GVO) überschritten wird. Im Normalfall beträgt der Anteil der Pollen im Honig ca. 0,003 Prozent und liegt damit deutlich unter der Nachweisgrenze für GVO, die bei Lebensmitteln bei 0,1 Prozent liegt. Unterhalb dieser Grenze sind keine zuverlässigen, reproduzierbaren Ergebnisse zu GVO-Analysen möglich. Grundsätzlich müssen in der Europäischen Union alle veränderten Lebensmittel, die einen GVO-Gehalt von mehr als 0,09 Prozent aufweisen, gekennzeichnet werden.
Sehr geehrter Herr Schöneberg, ich hoffe, ich konnte Ihnen die Beweg- und Hintergründe der beiden Abstimmungen sowie meine kritische Einstellung zur "grünen Gentechnik" nachvollziehbar erläutern. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landesgruppe werde ich diese kritische Haltung gegenüber der Gentechnik im Parlament weiterhin vertreten. Im Gegensatz zu den Grünen setzen wir uns aber für eine realistische Perspektive ohne Gentechnik für die Landwirtschaft in Deutschland ein. Verspätete Schaufensteranträge, die wohl vor allem dem Europawahlkampf geschuldet sind, bringen die Debatte um Gentechnik in der deutschen Landwirtschaft nicht weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB