Frage an Achim Kessler von Olivia M. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Kessler,
1) Würden Sie sich dafür einsetzen, dass Kerosin deutlich höher besteuert wird, so dass die Flugtickets mit einem gerechten (wesentlich höheren) Preis versehen werden? Wie wollen Sie den Bewussseinswandel fördern, dass wir es uns nicht mehr leisten können, jedes Jahr mehrmals zu fliegen?
2) Die großindustrielle Tierhaltung hat einen sehr großen Anteil an unseren Umweltproblemen (z.B. Verlust der Biodiversität durch Flächenumnutzung, Grundwasserverseuchung mit Nitrat, Antibiotikaressistenzen in der Tiermast, Rodung von Regenwald für Tierfutter, etc.). Was tun Sie privat, um diesen Problemen vorzubeugen? Was tun sie politisch, um eine Lösung für diese Probleme zu finden?
Viele Grüße aus der Frankfurter Innenstadt
O. M.
Sehr geehrte Frau Metzendorf,
für Ihre Fragen möchte ich mich herzlich bedanken.
Zu 1) Wir als LINKE im Bundestag setzen uns selbstverständlich für eine Kerosinbesteuerung ein. Dazu reichte die Fraktion im vergangenen Jahr auch einen Entschließungsantrag für ein Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes ein. Wir fordern eine EU-weit einheitliche Energiebesteuerung des gewerblich verwendeten Kerosins im Luftverkehr in Höhe des derzeit in Deutschland geltenden Steuersatzes für Benzin, und treiben überdies eine Aufnahme von einschlägigen Vereinbarungen mit Drittstaaten voran. Wir haben die Bundesregierung dazu aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes vorzulegen, durch den ein Steuersatz für Kurzstreckenflüge eingeführt und auf 30 Euro festgesetzt wird, die übrigen im Jahr 2019 geltenden Steuersätze verdreifacht werden und die bestehende Deckelung der Einnahmen aufgehoben wird, um dadurch bis zu einer Einigung auf EU-Ebene die bestehende Luftverkehrssteuer bis zu der Höhe anzuheben, die sich aus einer Besteuerung des in Deutschland im Passagierverkehr verbrauchten Kerosins in Höhe des in der EU geltenden Mindeststeuersatzes für Kerosin ergeben würde.
Zu 2) Die Landwirtschaft ist sowohl Verursacherin als auch Betroffene der Umwelt- und Klimaprobleme. Laut dem Umweltbundesamt (UBA) sorgt die Landwirtschaft für 66,3 Millionen Tonnen der CO2-Emissionen in Deutschland, was rund 7,3 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen entspricht (Stand 2017). Zudem zählt Deutschland als Nettoimporteur von „virtuellen Agrarflächen“ (z. B. durch den Anbau eiweißreicher Futtermittel wie Sojabohnen und Sojaschrot in Nord- und Südamerika) und „exportiert“ somit einen Großteil der Umwelt- und Klimabelastungen in die Herkunftsländer.
Laut Klimaschutzgesetz 2030 der Bundesregierung sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 im Bereich Land- und Forstwirtschaft auf 58 bis 61 Millionen Tonnen CO2eq reduziert werden. Zur Erreichung der Minderungsziele fordert DIE LINKE u.a. Maßnahmen zur Anpassung der Nutztierbestände an eine gesunde und klimagerechte Versorgungssicherung. Vor allem in viehdichten Regionen müssen Nutztierbestände reduziert und ein Teil der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sozial verträglich in vieh-arme Regionen umverteilt werden.
Studien zeigen, dass die höchsten Emissionen aus Düngeüberschüssen auf landwirtschaftlichen Böden, sowie der Verdauung der Wiederkäuer und der Lagerung von Wirtschaftsdünger (Festmist, Gülle) stammen. Das Problem verstärkt sich regional dort, wo die Nutztierhaltung in Deutschland eine sehr hohe regionale Konzentration aufweist, die zu negativen Ballungseffekten führt (Nährstoffüberschüsse, Ammoniakemissionen, Geruchs-, Staub- und Lärmbelästigungen, Tierseuchengefahren).
Zu den Ursachen für diese strukturellen Probleme in der Nutztierhaltung gehört, dass sie als Folge der Agrarpolitik auf EU- und Bundesebene auf Warenproduktion für einen sozial-ökologisch blinden Weltmarkt ausgerichtet ist. Übermächtige Konzernstrukturen setzen sowohl im vor-als auch im nachgelagerten Bereich Dumpingpreise gegenüber den Primärerzeugerbetrieben auf Kosten von Mensch und Tier durch. Ergebnis dieser falschen Agrarpolitik ist ein massiver Strukturwandel gerade bei tierhaltenden Betrieben, bei dem aus dem Prinzip „wachse oder weiche“ längst immer öfter „wachse und weiche“ geworden ist.
Immer häufiger wird daher auch in agrarpolitischen Diskussionen eine flächengebundene Tierhaltung gefordert. Damit könnten Betriebs- und Nährstoffkreisläufe regional geschlossen und Überbelastungen in Regionen und am Standort vermieden werden. Die Größe der Nutztierbestände wäre damit an ausreichend verfügbare landwirtschaftliche Flächen gebunden, um den Futterbedarf der Nutztierhaltungen im Wesentlichen decken sowie die Menge Wirtschaftsdünger in der Region umwelt- und klimagerecht nutzen zu können. Darüber können weitere regionale Strukturprobleme gelöst werden, zum Beispiel bei der Vorhaltung und finanziellen Absicherung der personellen und sächlichen Infrastrukturen für die Tierseuchenbekämpfung sowie bei hohen Belastungen durch Entsorgungsverkehr, Tiertransporte etc.
Meine Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat dazu vergangenes Jahr einen Antrag „Nutzierhaltung an die Fläche binden“ 19/15120 ins parlamentarische Verfahren eingebracht, der jedoch von der Koalition abgelehnt wurde. Meine Fraktion ist jedoch auch überzeugt davon, dass die notwendigen Veränderungen nur gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten möglich sind sowie mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis für eine soziale und ökologische Agrarpolitik.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Achim Kessler