Kandidierenden-Check

So positionieren sich die Kandidierenden zur Europawahl 2024

Der Beitritt der Ukraine in die EU, ein EU-weites Sexkaufverbot oder gemeinsame Verteidigungsausgaben - das sind nur einige Themen, die rund um die Europawahl kontrovers diskutiert werden. Wir haben in unserem Kandidierenden-Check die Kandidierenden direkt befragt. Bei welchen Themen waren sich die Kandidierenden besonders einig? Wo gab es Unterschiede innerhalb der einzelnen Parteien? Das haben wir Ihnen in der folgenden Auswertung der elf Thesen aufgeschlüsselt.

Bis zum 15. Mai 2024 haben sich 492 Kandidierende am Kandidierenden-Check zur Europawahl beteiligt, darunter fast alle Spitzenkandidierende. Bei insgesamt 1331 Kandidierenden entspricht das einer Beteiligungsquote von 37% Prozent.

Besonders bei kontroversen Themen lohnt sich ein Blick auf die Profilseite der Kandidierenden. Hier finden Sie alle Begründungen zu ihren Positionen.

*Alle Angaben im Text beziehen sich auf die Kandidierenden, die am Kandidierenden-Check teilgenommen haben

These 1: Das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat in der Außen- und Sicherheitspolitik soll abgeschafft werden.

Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten. Hier werden die allgemeine politische Richtung der EU beschlossen sowie Prioritäten gesetzt und auch EU-Verträge können in diesem Gremium geändert werden. Entscheidungen werden einstimmig beschlossen. So kommt es häufiger vor, dass mit einer einzigen Gegenstimme Entscheidungen vertagt oder gar nicht getroffen werden. Aus diesem Grund steht das Einstimmigkeitsprinzip immer wieder in der Kritik.

Auch die Kandidierenden zur Europawahl sprechen sich zu 69,4% dafür aus, dass bei Entscheidungen im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik das Einstimmigkeitsprinzip abgeschafft wird. 23,8% möchten das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten, 6,8% sind neutral.

Innerhalb der Parteien sind sich die Kandidierenden sehr einig: 100% der Kandidierenden der Grünen, von Volt, der Freien Wähler und 97,5% der Kandidierenden der SPD stimmen der These zu. Auch innerhalb der CDU (89,5%) und CSU (92,5%) sowie der FDP (91,6%) und der ÖDP (78,1%) sind der Großteil der Kandidierenden für die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip. Gegen die These stimmen 100% der Kandidierenden der BSW und der AfD sowie 76,5% der Kandidierenden von die Linke.

Terry Reintke, Spitzenkandidatin der Grünen, begründet ihre Zustimmung zur These so: 

Das absolute Einstimmigkeitsprinzip lähmt Europas Handlungsfähigkeit. Es aber auf einen Schlag abzuschaffen, ist unrealistisch. Deshalb soll die EU dabei schrittweise vorgehen, wie das Europäische Parlament es vorgeschlagen hat. Bei Entscheidung über Krieg und Frieden darf niemand überstimmt werden.

Fabio de Masi vom BSW ist gegen eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips und begründet dies so: 

Die EU braucht eine unabhängigere Außenpolitik. Diese kann auch ohne Mehrheitsprinzip erfolgen (siehe Ablehnung des Irak-Krieges). Eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips würde aber dazu führen, dass etwa über Militäreinsätze in Brüssel entschieden würde.

 

These 2: EU-Handelsabkommen müssen sicherstellen, dass landwirtschaftliche Betriebe außerhalb Europas die gleichen Sicherheits- und Umweltstandards einhalten wie EU-Betriebe.

Die Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Landwirt:innen war zuletzt während der Proteste gegen Kürzungen von Subventionen oder den Erlass von Einfuhrzöllen auf ukrainische Agrarprodukte ein viel diskutiertes Thema in der EU. Und auch die Verhandlungen um ein europäisches Lieferkettengesetz haben gezeigt: Sicherheits- und Umweltauflagen für europäische Betriebe und globale Wettbewerbsfähigkeit werden oft gegeneinander abgewogen. Vor diesem Hintergrund stimmen 68,1% der Kandidierenden dafür, dass Handelsabkommen die gleiche Wettbewerbsbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe innerhalb und außerhalb der EU sichern sollen. 21,7% der Kandidierenden positionieren sich neutral, nur 10,2% der Kandidierenden stimmen dagegen.

Parteiintern sind Unterschiede erkennbar: Die Kandidierenden der CDU und der CSU stimmen jeweils zur Hälfte für die These oder positionieren sich neutral. Auch bei der FDP stimmen 28,9% zu, 57,8% neutral. Die Kandidierenden der AfD (60% dafür, 30% dagegen, 10% neutral) sind nicht einer Meinung.

Fast vollständig einer Meinung sind hingegen die Kandidierenden der SPD (87,5% Zustimmung), der Grünen (100% Zustimmung) und von die Linke (94,1% Zustimmung).

These 3: Höhere Verteidigungsausgaben in der EU sind notwendig, um Sicherheit in Europa sicherzustellen.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Debatten um den europäischen Verteidigungshaushalt erneut angefacht. Neben den nationalen Verteidigungshaushalten hat auch die EU diverse Verteidigungsfonds und -programme, die die Zusammenarbeit in der Entwicklung und Produktion, beim Erwerb und der Weitergabe von Rüstungsgütern fördern sollen. Sollen diese EU-Töpfe weiter wachsen, um Europas Sicherheit sicherzustellen? 60,4% der Kandidierenden stimmen dem zu, 27,4% lehnen ab und 12,2% der Kandidierenden wählen „neutral“.

Partei-intern geschlossen positionieren sich die Kandidierenden der CDU und CSU (100% Zustimmung), der SPD (77,5% Zustimmung), der Grünen (90,3% Zustimmung), der Linken (100% Ablehnung) und der FDP (97,6% Zustimmung). Die Kandidierenden der AfD hingegen sind gespalten: 60% stimmen der These zu, 40% lehnen sie ab.

Manfred Weber, Spitzenkandidat der CSU stimmt der These zu: 

Mit dem nächsten langfristigen Haushalt der EU (Mehrjähriger Finanzrahmen/MFR) wollen wir deutlich mehr Mittel für Innovationen und für die Erfüllung unserer militärischen Bedürfnisse bereitstellen, um so die Verteidigungsanstrengungen der Mitgliedstaaten zu ergänzen.

Carola Rackete, Spitzenkandidatin von die Linke lehnt sie mit folgender Begründung ab: 

Die EU-Staaten haben 2023 270 Mrd. Euro für Verteidigung ausgegeben. Die Verteidigungsfähigkeit der EU ist gegeben. Ein Wettrüsten birgt die Gefahr von Eskalation. Wenn die Staaten Geld aus Sozialpolitik und Entwicklungszusammenarbeit zu Rüstung verschieben, macht es die Welt noch unsicherer.

These 4: Die derzeitigen Maßnahmen der EU sind ausreichend, um den europäischen Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen.

 

Laut Europäischem Klimagesetz müssen die EU-Mitgliedstaaten die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % senken. Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Dazu wurden unter anderem im Green New Deal einige Maßnahmen festgelegt. Aber reichen diese auch aus, um das gesteckte Ziel zu erreichen? Eine Mehrheit der Kandidierenden (63,8%) hält die derzeitigen Maßnahmen für unzureichend. 20,4% der Kandidierenden sind hingegen zufrieden. 15,8% hat eine neutrale Position.

 

 

Irmhild Boßdorf (AfD) begründet dies wiefolgt:

Eine "klimaneutrale" EU kann den weltweiten Klimawandel, für den sie nur zu einem kleinen Anteil verantwortlich gemacht werden kann, nicht stoppen, die Maßnahmen der EU sorgen jedoch für große wirtschaftliche Verwerfungen in Europa.

Besonders Kandidierende der CSU (78,6%) und der CDU (52,6%) halten die aktuellen Maßnahmen für ausreichend. Geschlossen gegen die These hingegen positionieren sich die Kandidierenden der SPD, von die Linke und von den Grünen. Kandidierende der AfD, BSW sowie einige kleine Parteien verhalten sich zu 100% neutral. Intern uneins ist die FDP: 45,1% stimmen der These zu, 31,7% lehnen sie ab und 23,2% der Kandidierenden wählt die Option „neutral“. Der These stimmt unter anderem Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu. Ihr Parteikollege Helmer Krane lehnt die These ab: 

Der Emissionshandel ist das beste Klimaschutzinstrument, da er ein klares Treibhauslimit vorgibt. Bis 2035 wollen wir die bestehenden Systeme zusammenlegen. Wichtig ist, auch die noch nicht erfassten Emissionsquellen, wie die Abfall- und Landwirtschaft, in den Emissionshandel einzubeziehen.

These 5: Internetdienste sollen verpflichtet werden, private Chats aller Nutzer:innen auf Straftaten zu durchsuchen und an Behörden zu melden.

Dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein soll, darüber herrscht große Einigkeit. Aber wie können Straftaten effizient vorgebeugt und verfolgt werden? Der aktuell diskutierte Vorstoß der EU-Kommission schlägt vor, dass sämtliche Anbieter von Dienstleistungen im Internet - kommerziell und nicht-kommerziell - dazu verpflichtet werden sollen, auch verschlüsselte Inhalte auf ihren Seiten zu scannen sowie strafbare Inhalte zu löschen und an zuständige Behörden zu melden. Aktuelle Datenschutz und E-Privacy-Regelungen der EU würden damit teilweise hinfällig.

Unter anderem unter Berufung auf den Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre lehnen 80% der Kandidierenden die These ab. Die restlichen 20% verteilen sich gleichermaßen auf „stimme zu“ und „neutral“. Partei-intern gibt es aus diesem Grund auch nur vereinzelt Kandidierende, die anders als ihre Parteikolleg:innen stimmen. Die Spitzenkandidierenden aller großen Parteien lehnen verpflichtende Chatkontrollen ab. Sergey Lagodinsky (B90/Grüne) begründet dies so: 

Eine Durchsuchung der Chats aller Menschen wäre ineffektiv und nicht verhältnismäßig. Instrumente der Massenüberwachung lehnen wir ab. Dazu gehört auch die “Chatkontrolle”. Das Recht auf Privatsphäre, auf eine sichere Kommunikation und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wollen wir stärken und ausbauen.

These 6: Die EU tut nicht genug, um Menschen in Seenot zu retten.

Allein im Jahr 2023 sind laut offiziellen Schätzungen mindestens 3.760 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben oder gelten als vermisst. Seit dem Jahr 2014 sind bis zu diesem Zeitpunkt rund 29.537 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Neben diversen privaten Seenotrettungsinitiativen, führt auch Frontex drei offizielle EU-Missionen zur Seennotrettung im Mittelmeer durch. Wir haben nachgefragt: Ist das genug?

69,4% der Kandidierenden halten die EU-geleiteten Missionen für unzureichend. 15,8% der Kandidierenden halten die Rettungsmaßnahmen für ausreichend, 14,8% positionieren sich neutral. Dabei sind sich sämtliche Parteien intern beinahe vollständig einig. Nur in der FDP (58% Zustimmung, 15% Ablehnung, 27% neutral), der CDU (6% Zustimmung, 60% Ablehnung, 34% neutral) und der CSU (17% Zustimmung, 75% Ablehnung, 8% neutral) positionieren die Kandidierenden im Vergleich sehr unterschiedlich.

Katarina Barley, Spitzendkandidatin der SPD stimmt der These zu: 

Wir wollen, dass Seenotrettung innerhalb der EU staatlich gewährleistet wird und sicherere Fluchtwege geschaffen werden. Menschen aus Not zu retten, wird von uns unterstützt und darf nicht kriminalisiert werden.

Daniel Caspary von der CDU lehnt die These mit folgender Begründung ab: 

Die Sicherung der Gewässer ist zunächst Aufgabe der Mitgliedstaaten, das ist auch sinnvoll so. Es dürfen nicht Schlepper darüber entscheiden, wer über das Mittelmeer in die EU kommt und wer nicht. Nur eine sinnvolle Asylpolitik kann das Sterben im Mittelmeer langfristig verhindern.

These 7: Ein zügiger Beitritt der Ukraine liegt im Interesse der EU.

Im Februar 2022 hat die Ukraine offiziell einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt, seit Juni 2022 ist sie offiziell Beitrittskandidat. Um EU-Mitglied zu werden, muss ein Staat zahlreiche Bedingungen erfüllen. Darunter fallen unter anderem Bekämpfung von Korruption, Garantie von Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Stabilität. Bisher dauert der gesamte Beitrittsprozess von der Antragsstellung über die Verhandlung bis zur endgültigen Ratifizierung mehrere Jahre, nicht selten auch über ein Jahrzehnt. Neben den gewöhnlichen Herausforderungen, befindet sich die Ukraine auch noch im Krieg. Liegt ein zügiger Beitritt also im Interesse der EU oder nicht?

Die Kandidierenden sind bei dieser Frage so gespalten wie bei kaum einer anderen These. Nur knapp 48 % stimmen der Aussage zu. 26,5% der Kandidierenden lehnen die These ab und 25,5% votieren neutral.

Innerparteilich sind bei dieser These die Kandidierenden der AfD (100% Ablehnung),der Grünen (96,8% Zustimmung), der Linken (82,4% Ablehnung) und von Volt (85,7% Zustimmung) einig. Größere Differenzen gibt es innerhalb der SPD und der FDP: Dort stimmen jeweils 68,7% der Kandidierenden der These zu, 21,7% wählen „neutral“ aus. Bei den Unionsparteien stimmen etwa 2/3 der Kandidierenden der These zu, jeweils 15% lehnen die These aber ab oder stimmen neutral.

Aufschlussreiche Begründungen für einen Beitritt finden Sie z.B. bei Michael Bloss (Grüne), dagegen bei Fabio De Masi (BSW) und für eine neutrale Haltung bei Martin Schirdewan (Linke).

These 8: Der Kauf von sexuellen Dienstleistungen soll in der gesamten EU unter Strafe gestellt werden.

Prostitution wird in den EU-Staaten sehr unterschiedliche reguliert. Deutschland hat im europäischen Vergleich eine sehr liberale Gesetzgebung. In Skandinavien hingegen gilt das sogenannte „Nordische Modell“. Mit diesem Ansatz zur Regulierung der Prostitution wird der Kauf von sexuellen Dienstleistungen kriminalisiert, während die Prostituierten selbst nicht strafrechtlich verfolgt werden. Ziel davon ist es, die Nachfrage nach Prostitution zu verringern und die Ausbeutung von Menschen im Sexgewerbe zu bekämpfen. Die Frage, ob dieser Ansatz EU-weit gelten sollte, hat die Kandidierenden gespalten.

49,3% der Kandidierenden lehnen die These ab. Jeweils ein Viertel der Kandidierenden stimmen der These zu oder wählen „neutral“ aus. Parteiintern sind sich die FDP (80,7% Ablehnung), die Grünen (93,5% Ablehnung), die Linke (82,4% Ablehnung) und die AfD (70% Ablehnung) am einigsten. In der CDU/CSU stimmen jeweils rund 45% der These zu oder wählen neutral, die Sozialdemokraten verteilen ihre Positionen gleichmäßig über alle drei Auswahlmöglichkeiten. Eine Stimme aus der SPD für die These ist unter anderem Maria Noichl, dagegen ist Gerrit Steffens und neutral positioniert hat sich Delara Burkhardt.

These 9: EU-Mitgliedstaaten, die sich in einem Rechtsstaatsverfahren (Artikel 7-Verfahren) befinden, sollen die EU-Ratspräsidentschaft nicht übernehmen dürfen.

Die EU-Ratspräsidentschaft wechselt alle sechs Monate gemäß einer festgelegten Reihenfolge. Aktuell hat Belgien diese Position inne, gibt sie aber im Juli an Ungarn ab. Gegen Ungarn ist zur Zeit ein Rechtsstaatsverfahren anhängig. Das EU-Rechtsstaatverfahren nach Artikel 7 dient dazu, etwaige Verstöße gegen die grundlegenden Werte der EU in einem Mitgliedsstaat zu untersuchen. Es kann zu Sanktionen führen, einschließlich der Aussetzung von Stimmrechten im Rat der Europäischen Union. Wir stellten den Kandidierenden aus diesem Grund die Frage, ob ein Land, dass sich gegenwärtig in einem Artikel 7-Verfahren befindet, weiterhin die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen dürfen soll.

Der Großteil der Kandidierenden (68,6%) ist dafür, dass dies zukünftig nicht mehr möglich ist. Nur 12,5% der Kandidierenden lehnen die These ab, 18,9% stimmen neutral.

Der Großteil der CDU/CSU, der Linken, der Grünen und der SPD stimmen der These zu. Die AfD lehnt die These beinahe einstimmig ab. Die Kandidierenden der FDP teilen sich bis auf fünf Personen auf Zustimmung und „neutral“ auf.

 Johanna Brauer (Linke) stimmt der These zu: 

Wenn Mitgliedsstaaten die Grundsätze der EU nicht achten oder grob verletzen,so soll ihnen das Stimmrecht entzogen werden können. Was nicht passieren darf, ist die Einstellung sozialer, ökologischer und Bildungspolitischer Projekte. Damit liefert die EU für Antidemokaten noch mehr Nährboden .

Weitere Begründungen für Zustimmung zur These finden sich z.Bsp. Anna Cavazzini (B90/Grüne) oder Manfred Weber (CSU). Eine Begründung für die Ablehnung  der These aus der AfD gibt es von Arno Bausemer

Die EU-Ratspräsidentschaft wechselt alle 6 Monate und hat sich über die Jahrzehnte bewährt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb politische Manöver gegen einzelne Mitgliedsstaaten neben einem Rechtsstaatsverfahren auch noch zum Entzug des Vorsitzes führen sollen. Respekt statt Ausgrenzung.

Ralf Berlingen (FDP) begründet die neutrale Haltung der FDP wie folgt: 

Die FDP setzt sich erst dann für den Entzug der Ratspräsidentschaft eines Mitgliedsstaats ein, falls ein Artikel-7-Verfahren die Verletzung fundamentaler Grundsätze der EU rechtssicher festgestellt hat.

 

These 10: Die Übertragung zusätzlicher Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten an die EU soll verhindert werden

In welchen Bereichen soll die EU die wegweisende Kompetenz bekommen? Und welche Entscheidungen sollen bei Mitgliedstaaten oder gar auf regionaler oder kommunaler Ebene getroffen werden? Aktuell gibt die EU besonders in den Bereichen Wirtschaft und Handel, Sicherheit, Finanzpolitik sowie Umwelt und öffentliche Gesundheit oder Landwirtschaft Richtlinien und rechtliche Rahmenbedingungen vor. Etwa die Hälfte der Kandidierenden möchte, das dies so bleibt und nicht noch mehr Kompetenzen an die EU abgegeben werden. 21% der Kandidierenden hätten gerne mehr einheitliche Regelungen innerhalb der EU, 26,2% der Kandidierenden stimmen neutral.

Innerhalb der CDU, CSU und der FDP gibt es die größten internen Meinungsverschiedenheiten. Die Kandidierenden der Unionsparteien wählen überwiegend (56% bei der CDU, 64% bei der CSU) eine neutrale Haltung, 37% bzw. 29% der Kandidierenden lehnen die These ab. Innerhalb der FDP ist dies genau anders herum: 64% der Kandidierenden lehnen die These ab und 22% positionieren sich neutral.

David McAllister (CDU) begründet seine neutrale Haltung so:

Die EU soll sich auf jene Aufgaben konzentrieren, die auf europäischer Ebene besser als auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene erfüllt werden können. Die Mitgliedstaaten entscheiden, welche Kompetenzen auf die EU übertragen werden sollen.

These 11: Die EU braucht Migrationsabkommen mit Drittstaaten, um Migration nach Europa zu regulieren.

Um Migration in die EU zu steuern, greift sie neben Grenzschutzmaßnahmen auch auf Abkommen mit Drittstaaten außerhalb der EU zurück. In diesen Abkommen werden Fachkräfteeinwanderung, Forschungs- und Studienaufenthalte, Familiennachzug oder auch der Umgang mit Asylsuchenden geregelt. Viele Abkommen richten ein besonderes Augenmerk auf die sogenannte Rückübernahme von Personen, deren Asylgesuch nicht anerkannt wurde und sind nicht unumstritten. 

Eine knappe Mehrheit der Kandidierenden (57,3 %) findet dennoch, dass die EU mehr Migrationsabkommen abschließen sollte. 

Dabei beziehen sich die Befürworter:innen in ihren Begründungen sowohl auf Fachkräfteeinwanderung als auch auf Geflüchtete. Ein Beispiel ist Phil Hackemann (FDP):

Ganz einfach: Wer vor Krieg und Verfolgung flieht, genießt bei uns Schutz. Wen wir auf dem Arbeitsmarkt brauchen, muss es einfacher haben, zu uns zu kommen. Doch wer beides nicht erfüllt, muss in seine Heimat zurückkehren. Damit dies einfacher wird, braucht es mehr Migrationsabkommen.

29% der Kandidierenden hingegen sprechen sich gegen Migrationsabkommen aus, 13,7 % der Kandidierenden wählen„neutral“.

Innerhalb aller großen Parteien gibt es fast einstimmige Zustimmung zu mehr Abkommen, mit Ausnahme der Linken, die sich geschlossen gegen Abkommen ausspricht. Nur die SPD ist sich innerparteilich uneins. 37,5% stimmen der These zu, 17,5% lehnen sie ab und 45% der Kandidierenden wählen die Option „neutral“. Bei Volt gibt es einen spannenden Ausreißer: Anders als die restlichen Kandidierenden der Partei, lehnt Spitzenkandidat Damian Boeselager die These mit folgender Begründung ab:

Der letzte gemeinsame Asylpakt ist ein Schritt in die Falsche Richtung. Wir belassen die Verantwortung bei den Ländern an unseren Außengrenzen und zeigen keine Solidarität. Wir müssen mehr tun, damit Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, dieses nicht mit ihrem Leben bezahlen.