Berlin / Hamburg – Die Abgeordneten des Bundestages haben im Laufe der Legislaturperiode Nebeneinkünfte von mindestens 26,5 Mio. Euro erhalten. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de, die die Selbstauskünfte der Volksvertreter ausgewertet hat. Danach verfügten 178 von 655 Parlamentarier, die in dieser Wahlperiode ein Bundestagsmandat innehatten, über mindestens einen meldepflichtigen Zusatzverdienst (27,2 Prozent).
Nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen kassieren einzelne Abgeordnete zum Teil beträchtliche Summen für Posten in Unternehmensgremien.
+ Der frühere Bildungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) erhielt als stellvertretender Verwaltungsratschef der Schweizer Beteiligungsgesellschaft HBM Healthcare Investments AG in den vergangenen vier Jahren mindstens 350.000 Euro. Im Bundestag sitzt Risenhuber im Wirtschaftsausschuss, wodurch sich ein Interessenkonflikt ergibt.
+ Die frühere Gesundheitsministerien Ulla Schmidt (SPD) meldete mindestens 127.500 Euro als Verwaltungsrätin des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding AG. Durch Schmidts früheres Ministeramt ergibt sich auch hier ein Interessenkonflikt.
In 119 Fällen erhielten Abgeordnete von Unternehmen und Banken Geld für Funktionen in deren Gremien. Insgesamt kassierten Bundestagsabgeordnete auf diesem Wege mindestens 4,6 Mio. Euro. (Liste aller Nebeneinkünfte aus Unternehmensposten: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/nebeneinkuenfte-mdb_aus_posten.xls )
abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack fordert Konsequenzen. "Durch die Postenvergabe an Abgeordnete erkaufen sich Unternehmen einen exklusiven Zugang zur Politik. Deswegen müssen Lobbyjobs in der Wirtschaft endlich verboten werden," so Hackmack.
abgeordnetenwatch.de kritisiert außerdem, dass Millionensummen aus anonymen Quellen stammen. Bei mindestens 6,6 Mio. Euro ist der Geldgeber der Abgeordneten unbekannt, da Freiberufler und Selbständige (Landwirte, Anwälte etc.) diese hinter Bezeichnungen wie "Kunde", "Vertragspartner" oder "Mandant" verbergen können.
"Dass unsere Abgeordneten Millionensummen aus anonymen Quellen kassieren, ist skandalös. Alle Nebeneinkünfte müssen endlich vollständig auf den Tisch, mitsamt der Geldgeber," so Gregor Hackmack.
Die höchsten Nebeneinkünfte aller Bundestagsabgeordneten in dieser Wahlperiode bezogen drei Unions-Politiker:
+ Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU), Landwirt: mindestens 2,2 Mio. Euro
+ Johannes Röring (CDU), Landwirt: mindestens 2,0 Mio. Euro
+ Peter Gauweiler (CSU, inzwischen ausgeschieden), Anwalt: mindestens 1,9 Mio. Euro
Bei den Beträgen handelt es sich um Bruttozuflüsse, von denen Freiberufler wie Landwirte unter Umständen auch Mitarbeitergehälter oder Investitionen finanzieren müssen. Sie sind von daher nur bedingt vergleichbar. Eine Tabelle mit den Nebeneinkünften aller Abgeordneten finden Sie hier: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/gesamtsumme_der_von_bundestagsabgeordneten_gemeldeten_nebeneinkuenfte_bruttozufluesse_18._wahlperiode_.xlsx
Aufgrund der wenig transparenten Veröffentlichungsregeln des Bundestages bleiben Millionenbeträge im Dunkeln. Abgeordnete müssen keine Euro genauen Angaben zur Höhe machen, sondern ihre Einkünfte in zehn Stufen angeben. Dadurch liegen die Gesamteinkünfte aller Parlamentarier in der laufenden Wahlperiode in einem Bereich zwischen 26,5 Mio. Euro und 48,7 Mio. Euro.
„Bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten handelt es sich um ein Einfallstor für Lobbyismus“, so abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack. Um geheimen Lobbyismus in die Schranken zu weisen, brauche es dringend schärfere Gesetze. "Welche Kontakte es zwischen Lobbyisten und Politikern gibt und wer an Gesetzen mitwirkt, erfährt die Öffentlichkeit so gut wie nie. Deshalb braucht es ein verbindliches und weitreichendes Lobbyregister. Wir fordern insbesondere die Union auf, ihre bisherige Blockade aufzugeben," so Hackmack.
Eine von abgeordnetenwatch.de initiierte Petition zur Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters hat inzwischen die Unterstützung von mehr als 208.000 Menschen gefunden.