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Frage von Tobias H. •

Frage an Mike Nagler von Tobias H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Nagler,

welche konkreten Maßnahmen möchten Sie im Fall Ihrer Wahl umsetzen, damit sich die finanzielle Situation der Kommunen und damit auch der Stadt Leipzig wesentlich verbessert? Wo sehen Sie bundespolitische Stellschrauben damit kommunale Einnahmen erhöht bzw. Ausgaben verringert werden? Welche kommunalen Aufgaben würden Sie z. B. an Bund oder Land abgeben?

Vielen Dank und beste Grüße
Tobias Horn

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Sehr geehrter Herr Horn,

ich beschäftige mich seit Jahren intensiv mit der finanziellen Situation der Städte und Gemeinden und habe in diesem Zusammenhang immer wieder für eine Reform der Gemeindefinanzen auf Bundesebene geworben. ( http://mikenagler1.wordpress.com/tag/gemeindefinanzreform/ )

Klar ist, dass der öffentlichen Hand das Geld für notwendige Investitionen - z.B. in den Ausbau der Kitaplätze, den Nahverkehr usw. - fehlt. Erst vor wenigen Tagen haben Meldungen über die prekäre Finanzlage vieler Städte und Gemeinde für Aufsehen gesorgt. Die Frage ist nun: Woher soll das dringend benötigte Geld kommen? Da die Kommunen nur in sehr begrenztem Maße eine eigene Steuererhebungskompetenz haben, sehe ich hier zunächst einmal den Bund in der Verantwortung. Dieser hat durch Gesetzesinitiativen wie z.B. dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die kommunalen Steuereinnahmen um ca. 1,3 Mrd. Euro pro Jahr gesenkt. Darüber hinaus wurde auch das Gebäudesanierungsprogramm der KfW massiv gekürzt und zwar von 2,2 Milliarden Euro (2009) auf rund 900 Millionen Euro (2011). Auch die Fördermittel für die Städtebauförderung sind deutlich gesunken. Zugleich aber wurden den Kommunen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben vom Bund, aber auch von den Ländern übertagen, parallel dazu jedoch nicht für eine angemessene Finanzausstattung gesorgt. Hier sind Entlastungen bzw. Umverteilungen von mehreren Milliarden Euro nötig. Diese Gelder könnten durch die verstärkte Besteuerung hoher Vermögen - z.B. durch eine einmaligen Vermögensabgabe sowie eine dauerhafte Vermögensteuer - eingenommen werden.

Zudem sollten für besonders notleidende Städte und Gemeinden kommunale Entschuldungsfonds aufgelegt werden. Eine Schuldenbremse für Kommunen, wie jetzt von einigen gefordert wird, halte ich dagegen für den falschen Weg. In Frankreich gibt es eine Initiative der sich zahlreiche Kommunen angeschlossen haben, die eine Prüfung des Zustandekommens und der Legitimität öffentlicher Schulden fordern. Eine solche Initiative halte ich auch hierzulande für notwendig.

Privatisierungen von öffentlichem Eigentum halte ich für falsch, genau wie Private Public Partnerships (PPP). Sowohl Privatisierungen, als auch PPP´s bringen nur kurzfristig Geld, verstärken aber mittel- und langfristig das Problem der fehlenden Einnahmen nur noch weiter, da die Kommunen dadurch wichtige Einnahmequellen samt Steuerungsmöglichkeiten verlieren. Deshalb trete ich seit jeher für (Re-)Kommunalisierungen ein, denn nur dadurch lässt sich die im Grundgesetz festgelegte Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen aufrecht erhalten.

Ein weiterer Punkt ist für mich die Tatsache, dass viele Städte und Gemeinden im Zuge des Kampfes um Firmenansiedlungen diese mit zum Teil absurden Steuererleichterungen anlocken - ein Vorgehen, das inzwischen eine Abwärtsspirsale in Gang gesetzt hat, die die finanzielle Situation der Gemeinden noch weiter verschärft. Eine ähnliche Abwärtsspirale gibt es aber auch bei den Löhnen. Die massive Ausbreitung des Niedriglohnsektors hat für viele Städte zur Folge, dass Millionenbeträge für Wohnkosten anfallen, da eine stetig wachsende Zahl an Arbeitnehmern trotz ihres Jobs auf Hartz IV angewiesen sind. In Leipzig betrifft das mittlerweile über 7% aller sozialversicherten Beschäftigten. Der Anteil der Sozialausgaben am städtischen Kernhaushalt betrug in Leipzig im Jahr 2012 volle 27,3 Prozent. Diese Entwicklung ist auch eine direkte Folge der unsozialen Politik der sächsischen Landesregierung, die im Jahr 2012 die Sozialausgaben im Landeshaushalt um 12% (verglichen mit 2010) gekürzt hat. Mit anderen Worten: Das Land Sachsen saniert seine Finanzen auf Kosten der Kommunen und spart sich - einmal mehr - auf dem Rücken der sozial Schwächsten reich. Diese Entwicklung muss gestoppt werden, und zugleich muss es einen Soziallastenausgleich zwischen den sächsischen Kommunen geben.

Generell muss die kommunale Steuerquote erhöht werden. Ich halte hier einen Anstieg von derzeit 12 auf 20 Prozent für angemessen (der Anteil der Kommunen lag hier schon einmal bei 18 Prozent). Dazu halte ich es für sinnvoll, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer (oder Wertschöpfungssteuer) weiterzuentwickeln, denn der heutigen Gewerbesteuer wird nur ein kleiner Teil der Unternehmenswirtschaft in den Kommunen erfasst. Damit wäre diese gleichmäßiger, weniger konjunkturabhängig und würde die Haushaltsplanung erleichtern. Weitere Möglichkeiten wären bspw. in diesem Zusammenhang den Städten und Gemeinden einen höheren Anteil an den Einnahmen aus der Grunderwerb- oder Mehrwertsteuer zukommen zu lassen, sowie die Anhebung des Gemeindeanteils an der Lohnsteuer. Die Gewerbesteuerumlage der Kommunen an den Bund würde ich abschaffen und der Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen muss beendet werden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine Reform der Gemeindefinanzen dringend nötig ist, dass diese jedoch an sehr vielen Punkten ansetzen und sowohl die Einnahmen- wie auch die Ausgabenseite im Blick haben muss. Ich beschäftige mich mit dem Thema seit vielen Jahren und habe nach dem Leipziger Bürgerentscheid von 2008 gemeinsam mit anderen Menschen die sich in verschiedenen Städten in ähnlichen Bürgerinitiativen engagieren ein Netzwerk gegründet, welches sich einerseits zum Ziel gesetzt hat Privatisierungen zu verhindern, andererseits aber auch das Problem der Unterfinanzierung der Kommunen auf die Tagesordnung setzt und Lösungsvorschläge aufzeigt. ( http://kommunal-ist-optimal.de/index.php/Gemeindefinanzreform )

Die Städte und Gemeinden haben in Deutschland bisher keine Möglichkeit auf institutionellem Weg Einfluss auf die Gesetzgebungsverfahren zu nehmen. Leistungsgesetze, die sie umsetzen müssen und Steuergesetze, von denen sie betroffen sind, werden in den Länderparlamenten, im Bundestag und im Bundesrat beraten und beschlossen, ohne dass sie mehr tun können, als Stellungnahmen abzugeben. Ich halte die Einrichtung einer Städte- und Gemeindekammer, die bei allen Gesetzen von denen die Kommunen betroffen sind für notwendig.

Die Menschen haben in den Städte und Gemeinden ihren Lebensmittelpunkt. Es ist notwendig, dass sie auch eine angemessene Finanzausstattung erhalten, damit sie ihre gesetzlich auferlegten Aufgaben bewältigen können und darüber hinaus auch Spielraum bleibt damit Demokratie gelebt werden kann.

Ich möchte zum Abschluss noch auf eine Zusammenfassung zu einigen sozialen und steuerpolitischen Vorschlägen aus dem Wahlprogramm der Partei DIE LINKE, - für die ich kandidiere - hinweisen. In der Übersicht sind die Einnahmen und Ausgaben mit denen wir kalkulieren anschaulich gegenübergestellt. http://mikenagler1.files.wordpress.com/2013/08/2013-die-linke-100prozent-sozial-einnahmen-ausgaben.png

Mit freundlichen Grüßen,

Mike Nagler