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Mike Nagler
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Frage von Johannes S. •

Frage an Mike Nagler von Johannes S. bezüglich Verbraucherschutz

Lieber Mike Nagler,

es gibt so viele Spielarten von Demokratie. Angefangen von dem Schweizer Modell der direkten Befragung von Bürgern in allen entscheidenden Fragen bis hin zur repräsentativen Demokratie, in der die Bürger über Wahlen die Verantwortung über einen langen Zeitraum delegieren.

1. Sehen Sie überhaupt und wenn ja wo, den akutesten Bedarf an einer Weiterentwicklung unseres Demokratie-Modells im Bundestag?

2. Was halten Sie davon, dass Abgeordnete vom Fraktionszwang befreit werden und tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen indiv. entscheiden können?

3. Konzerne und Betriebe erscheinen oft als "Demokratiefreie Zonen"
in denen das GG keine Gültigkeit mehr hat. Was würden Sie in dieser Hinsicht verändern?

Freundliche Grüße. J.S.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schroth,

vielen Dank für ihre Fragen. Ich habe die Fragen der Übersicht halber jeweils nochmal mit vor die Antwort kopiert:

1. Sehen Sie überhaupt und wenn ja wo, den akutesten Bedarf an einer Weiterentwicklung unseres Demokratie-Modells im Bundestag?

Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig die Bürgerinnen und Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden. Im Moment findet das viel zu wenig statt. Den dringendsten Bedarf sehe ich vor allem in der Zulassung von Elementen direkter Demokratie auf Bundesebene. Konkret meine ich damit die Zulassung von bundesweiten Volksentscheiden. Das Grundgesetz legt in Artikel 20 fest, dass alle Staatsgewalt in "Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt wird. Dort steht seit 60 Jahren geschrieben: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen... ausgeübt." Das ist ein bisher nicht eingelöstes Versprechen. Warum sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht über so essentielle Fragen wie Auslandseinsätze der Bundeswehr oder die Privatisierung der Bahn abstimmen können? Dann würden viele Entscheidungen ganz anders aussehen. Nach dem aktuellen Modell dürfen wir wählen, deutschlandweit abstimmen dagegen nicht. Eine Demokratie, in der wir nur alle paar Jahre eine Stimme abgeben, sonst aber nur zuschauen dürfen, ist der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht genug. Sie wollen auch in Sachfragen verbindlich entscheiden können. Wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung und eine lebendigere und offenere Demokratie. Darum setze ich mich dafür ein, dass künftig verbindliche Volksabstimmungen auch auf Bundesebene möglich sind.

2. Was halten Sie davon, dass Abgeordnete vom Fraktionszwang befreit werden und tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen indiv. entscheiden können?

Sehr viel! Abgeordnete sollten in erster Linie die Interessenvertreter und Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger ihres Wahlkreises sein. Parteipolitische Machtspiele spielen heutzutage leider eine viel zu große Rolle - oft geht es in den Parlamenten nicht mehr um die Lösung von Problemen und die Interessen der Menschen sondern um parteipolitische Ränkespiele. Daher wäre es durchaus sinnvoll die Macht der Parteien an dieser Stelle zu begrenzen.

3. Konzerne und Betriebe erscheinen oft als "Demokratiefreie Zonen" in denen das GG keine Gültigkeit mehr hat. Was würden Sie in dieser Hinsicht verändern?

Es ist notwendig auch in diesen Bereichen Formen demokratischer Mitbestimmung zu etablieren - heißt eine Demokratisierung der Wirtschaft ist notwendig. Denn Entscheidungen über die Verwendung von Resourcen und Entscheidungen was, wo, wann, wie und wozu produziert wird, hat gesamtgesellschaftliche Relevanz und Auswirkungen und darf eben nicht den Interessen Einzelner untergeordnet werden. Mit "Demokratisierung der Wirtschaft" meine ich, dass Fragen wie: “Wozu bzw. Wofür und Wie arbeiten?”, “Wozu und Wie investieren?”, “Wozu bzw. Wofür und Wie konsumieren?” in aller Öffentlichkeit gestellt, erörtert und beantwortet werden müssen. Investitionen ebenso wie Arbeit und Konsum sind in einer demokratischen wirtschaftlichen Ordnung eben keine reinen Privatsachen mehr. Ökonomische Entscheidungen sind zu legitimieren und können kritisiert bzw. revidiert werden.

In den letzten Jahrzehnten haben wir erlebt wozu der "Glaube an der Selbstregulierung der Märkte" und einseitiges profitorientiertes Wirtschaften geführt hat. Es ist notwendig umzusteuern - weg von der Ideologie des grenzenlosen Wachstums wie es leider noch immer von Vertretern von CDU, FDP und SPD propagiert wird. Eine Antwort auf die Krise kann nicht die Verstaatlichung der Verluste und damit verbunden die Abwälzung der Kosten auf die Bevölkerung sein, so wie es im Moment praktiziert wird. Sie muss auf Zurückdrängung von sozialer Ungleichheit weltweit und die Demokratisierung der Wirtschaft setzen. Dem Gemeinwohl muss wieder Vorrang eingeräumt werden und dazu ist die Demokratisierung der Wirtschaft ein notwendiger Schritt. Dazu ist es notwendig die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen um Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben zu gewährleisten. Um noch ein praktisches Beispiel anzufügen: Ich finde das Beispiel Mondragon in Spanien sehr interessant, da es beweist, dass erfolgreiches, gemeinwohlorientiertes Wirtschaften durchaus über lange Zeit - und auch international - möglich ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mondrag%C3%B3n_Corporaci%C3%B3n_Cooperativa

Beste Grüße,

Mike Nagler