Ich bin Kreisrat und Kreisvorsitzender in Neustadt/Aisch-Bad Windsheim und kandidiere für das EU Parlament. Die EU bringt kaum mehr wirklich Neues zustande und ist mehr und mehr gespalten. Und die EU krankt an mangelnder Demokratie und ein Zerfallsprozess droht. Für die großen Zukunftsthemen und Wandelthemen fehlt die Kraft und die Vision. Ich nenne nur Stichpunkt:
- dem aufkommenden Rechtsextremismus und Populismus entgegenzuwirken durch gute und gemeinwohlorientierte Sachpolitik
- der Klimakrise wirksam entgegenwirken und die Erderwärmung auf deutlich unter 1,5° halten
- die Energiewende zu den Erneuerbaren forcieren und die Ressourcenwende zu einem für die Erde passenden Fußabdruck ins Rollen bringen
- die Mobilitätswende weg von allen Verbrennern, nicht nur beim Auto und weg von bescheuerter Verkehrspolitik
- die Agrarwende sowieso hin zu aufbauender Landwirtschaft (den Begriff sollte man sicher merken, oder mal danach googeln)
- vom Artensterben hin zu Vielfalt und Schönheit
- Und wir müssen das Wirtschaftssystem weg vom Wachstumszwang bringen und gleichzeitig die Ungleichheit massiv mindern, wenn wir wieder Heilungsimpulse für die Gesellschaft ausstrahlen wollen, statt den Niedergang immer weiter anzufeuern.
Wir brauchen also gerade jetzt wirklich gute und realistische Visionen von einem Europa, das übrigens auch mehr ist als die EU. Wir bieten unsere Ideen und unser Wahlpogramm gern an und wollen diese auch gern weiter voranbringen. Die Zeit, die uns für einen gewollten Wandel bleibt, wird immer geringer.
Wir haben als ÖDP das D in unserem Parteinamen. Daher möchte ich noch kurz darauf eingehen und hierzu Denkimpulse geben:
In unserer Schulzeit haben wir über Demokratie gelernt, dass »die Macht vom Volk ausgeht«. Aber wohin? Heute scheint der Bevölkerung die Macht auszugehen: Viele fühlen sich machtlos. Sie trauen Politikern und Parteien nicht mehr. Sie schmollen und grollen.
Dem Versuch der Rechtspopulisten, Europa von innen zu zerstören, müssen wir uns widersetzen, indem wir eine Vision eines von unten erneuerten Europa entwerfen, das seine Demokratie durch direkte und konsultative (= beratende) Formen weiterentwickelt. Werte wie Menschenrechte, Bürgerbeteiligung und Klimaschutz müssen in den Mittelpunkt des politischen Handelns rücken. Wir müssen also dringend weg vom Elitemodus hin zu mehr Bürgerbeteiligung und wir brauchen demokratische Vielstimmigkeit wie die Luft zum Atmen. Die repräsentative Demokratie erfüllt die ur-menschliche Sehnsucht nach Ansehen, Anhören und Resonanz nur unzureichend. Im antiken Griechenland, ihrem europäischen Geburtsort, wurde direkte Demokratie in Form von Versammlungen und Ämterverlosung praktiziert. Wer die Demokratiekrise in der EU und anderswo lösen will, sollte fordern und fördern, dass direkte und konsultative Demokratie ihre repräsentativen Formen ergänzen.
Konsultative Bürgerräte, die die Politik beraten, finden oft bessere, überzeugendere, inklusivere Lösungen für politische Probleme. In Kanada, den Niederlanden, Island und Irland diskutierten solche per Zufallslos bestimmten Räte neue Wahlgesetze und Verfassungsartikel. In Island entstand auf der Basis einer kollektiven Bürgerberatung die erste Bürgerverfassung der Welt. Sie scheiterte letztlich aber an den Konservativen im Parlament. Im katholischen Irland bereitete ein Bürgerrat den Erfolg des direktdemokratischen Referendums über die Einführung der Homoehe vor.
Ich bin überzeugt, dass Bürgerräte auch auf EU Ebene bis hin zur Entwicklung einer europäischen Verfassung sehr wertvolle Wege vorgeben können, die wir sonst nicht finden. Ein Hinweis an der Stelle: wir haben nur die verfassungsähnlichen Lissabonverträge, die aber demokratisch nicht legitimiert sind. Diese letzten Gedanken habe ich Ute Scheubs Buch "Die unvollendete Europa-Demokratie" entnommen, die ich einfach gut finde.
Eins der schwersten Aufgaben ist es, Wege weg vom naturzerstörenden Finanzkapitalismus hin zu einer dauerhaften, nachhaltigen – ich nenne es gern auch enkeltauglichen - Versorgungswirtschaft zu kommen, die das Gemeinwohl mehrt statt das Naturkapital zu mindern. Dafür braucht es neue Ansätze von unabhängigen Menschen mit einem längeren Denkhorizont – so wie viele ÖDPler und die ÖDP als Partei.
Helfen wir mit beim Umbau des europäischen Hauses, denn wir haben viel zu verlieren, bis hin zum Frieden. Und hoffentlich bekommen wir die Chance, im Parlament weiterhin aktiv sein zu dürfen, gern mit viel mehr Mandaten.
Ich plädiere dafür, sein Stimme nicht zu verschenken an jemand, der keine wirklich enkeltaugliche Politik anstrebt.